Polen: PiS-Partei legt bei wichtiger Regionalwahl zu
Polens umstrittene PiS-Partei holt bei den wegweisenden Regionalwahlen nach ersten Prognosen die meisten Stimmen. Triumphe gibt es aber auch für die Opposition.
Ungeachtet ihres strikten EU-Konfrontationskurses hat Polens Regierungspartei PiS weiter großen Rückhalt im Land. Die nationalkonservative Partei setzte sich ersten Schätzungen zufolge mit 32,3 Prozent der Stimmen bei wichtigen Regionalwahlen am Sonntag als stärkste Kraft durch. „Wir haben mit einem Ergebnis gewonnen, das Gutes für die Parlamentswahlen verheißt“, sagte Parteichef Jaroslaw Kaczynski. Endgültige Resultate sollen laut staatlicher Wahlkommission erst am Mittwoch vorliegen. Das Votum gilt als wichtiger Stimmungstest für den weiteren politischen Weg Polens.
„Die Wahlen haben eine nie dagewesene Bedeutung“, sagt der Soziologe Janusz A. Majcherek von der Universität Krakau zur nun anstehenden Neubesetzung von Posten Zehntausender Lokalpolitiker - vom Bürgermeister bis zum Gemeinderat. Seiner Meinung nach ist von einer Fortsetzung des autoritären und EU-skeptischen Kurses der PiS auszugehen.
Die Partei Recht und Gerechtigkeit PiS, die seit 2015 mit absoluter Mehrheit auf nationaler Ebene regiert, steht europaweit unter anderem wegen erheblicher Einschnitte in die Unabhängigkeit der Justiz in der Kritik. Gegen die umstrittenen Zwangspensionierungen von Richtern klagt die EU-Kommission gar vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Trotz des Zwists mit vielen EU-Partnern stimmten nun laut Nachwahlbefragungen des Instituts Ipsos für den Sender TVN24 landesweit die meisten Polen für die Partei des mächtigen PiS-Chefs Kaczynski. Die Wahl von Vertretern für Gemeinden, Kreise und die Regionalparlamente der 16 Wojewodschaften stellt in Polen den Auftakt eines regelrechten Abstimmungsmarathons dar: 2019 folgen Europa- und Parlamentswahlen, 2020 dann die Präsidentschaftswahlen.
Kommentatoren in Polen schätzen, dass die PiS, die bisher nur in einem Regionalparlament regiert, ihre Macht nun auf lokaler Ebene ausbauen wird. Auf nationaler Ebene krempelt die PiS das Land bereits nach ihren Vorstellungen um und peitscht umstrittenste Reformen mühelos durchs Parlament.
„Polen steuert auf Polexit zu“
Die zerstrittene Opposition, der Kritikern zufolge eine programmatische Linie fehlt, konnte dem bisher kaum etwas entgegensetzen. Den vorläufigen Wahlergebnissen zufolge blieben die Oppositionsparteien PO und Nowoczesna, die bei der Wahl sogar gemeinsam antraten, mit 24,7 Prozent Stimmen deutlich hinter der PiS.
Machtlos gegen die Warschauer Regierung erwies sich bisher auch die EU-Kommission, die neben der EuGH-Klage ein Sanktionsverfahren wegen Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen führt. „Polen steuert auf einen Polexit zu“, warnen PiS-Gegner.
Die Nationalkonservativen sehen sich gleichwohl im Recht. „Die Mehrheit der Polen will die Justizreformen“, argumentiert Regierungschef Mateusz Morawiecki. Dass die PiS drei Jahre nach ihrem Wahlsieg die Position als stärkste Partei Polens halten kann, liegt allerdings nicht an einer Europaskepsis der Polen. Mehr als 80 Prozent der Menschen befürworten laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Millward Brown für den Sender TVN24 die EU-Mitgliedschaft.
Stichwahlen im November
Kaczynskis Partei wird Kritikern zufolge vor allem wegen ihrer umfangreichen sozialen Wohltaten gewählt. „Die PiS spezialisiert sich darauf, politische Unterstützung von Steuergeldern zu kaufen“, sagt Wirtschaftspublizist Piotr Maczynski von der Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Auch den Sieg bei der Parlamentswahl im Jahr 2015 führten Experten auf das von der PiS versprochene Kindergeld zurück. Mit umgerechnet etwa 120 Euro im Monat stellt es für viele Familien ein zusätzliches Einkommen dar. Die PiS senkte außerdem das Renteneintrittsalter von 67 auf 65 für Männer und 60 für Frauen.
Nun warb die Partei mit mehr Geld für Senioren. Experten zufolge werden die notwendigen Mittel für ein solch großzügiges Programm bald knapp. Noch deckt die PiS die zusätzlichen Milliardenausgaben durch eine höhere Umsatzsteuer und einen reformierten Steuereinzug ab. „Wenn diese Einnahmen stocken oder sinken, muss die PiS ihre Sozialprogramme kürzen oder Steuern erhöhen“, sagt Maczynski. „Wenn das Geld alle ist, wird die Macht der PiS zu Ende sein.“
Die meisten Wähler der PiS, die traditionelle Werte vertreten und der katholischen Kirche nahestehen, sind in ländlichen Regionen im Südosten Polens beheimatet. Im Kampf um die Stadtpräsidentenämter in Großstädten wie Warschau oder Posen triumphiert nun den Schätzungen nach die Opposition: Überraschend gewann PO-Kandidat Rafal Trzaskowski sogar im ersten Wahlgang in Warschau das Stadtpräsidentenamt. „Die Großstädte bleiben Bastionen der Freiheit“, hieß es aus Reihen seiner Partei. Denn auch in anderen Großstädten setzte sich die PiS zunächst nicht durch. Dort stehen am 4. November Stichwahlen an.
Die Erfolge der liberaldemokratischen Opposition in den Großstädten sind aus Majchereks Sicht ein wichtiger psychologischer Schub für die PiS-Rivalen: „Es könnte ein erster Schritt zur Wiederherstellung ihrer Macht und demokratischer Standards sein.“ (dpa)
Natalie Skrzypczak