zum Hauptinhalt
Das Jüdische Museum in Berlin.
© Alberto Fanego/dpa

BDS und Jüdisches Museum: Die BDS-Kampagne ist keine Israelkritik - sondern kollektive Bestrafung

Nach dem Krach um das Jüdische Museum und dem Rücktritt von Direktor Peter Schäfer steht die BDS-Kampagne im Fokus. Sie fordert den Boykott von Israel – und ist ihrem Wesen nach antisemitisch.

Nichts weiter als ein kleiner Tweet war am Ende der Anlass für den Rücktritt von Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums Berlin. Ein kleiner Tweet, der drei aufgeladene Buchstaben enthielt: BDS. Die Kommunikationsabteilung des Museums hatte mit diesem Tweet einen zweideutigen Artikel weiterempfohlen und den Verdacht zugelassen, das Museum distanziere sich nicht von der BDS-Kampagne.

Die drei Buchstaben BDS stehen für Boycott, Divestment und Sanctions. Damit fasst der Name der gegen Israel gerichteten Kampagne zugleich ihr Programm zusammen: kultureller, politischer und wirtschaftlicher Boykott von Israel. BDS appelliert an Kulturveranstalter und Hochschulen, keine Künstler, Musiker oder Gastprofessoren aus Israel einzuladen, und an Konsumenten, keine Produkte aus Israel zu kaufen.

Der Kampagne liegt ein Zerrbild des Nahostkonflikts zugrunde, in dem er nicht als vielschichtiger Konflikt mehrerer Parteien um Einfluss und Ressourcen erscheint, sondern als eine Kette von Verbrechen, die israelische Täter an unschuldigen palästinensischen Opfern begehen. Die Kampagne wurde 2005 durch internationale und palästinensische Aktivisten ins Leben gerufen und ist besonders erfolgreich in Großbritannien, wo sich neben prominenten Künstlern und Intellektuellen ganze Universitäten, Gewerkschaften und zeitweise sogar Kommunen dem Boykott anschlossen. In den USA feiert BDS seine größten Erfolge auf dem Campus der Unis.

In Deutschland stoßen die Boykottforderungen bisher auf starke Widerstände. Der relativ kleine Kern der Unterstützer besteht hier aus Aktivisten aus dem Umfeld der früheren Friedensbewegung und einigen Künstlern, insbesondere in Berlin. Aufsehen erregten Auftritte prominenter BDS-Unterstützer wie dem ehemaligen Pink-Floyd-Bassisten Roger Waters, der Pop-Band Young Fathers, der Rapperin Kate Tempest oder der kalifornischen Philosophin Judith Butler.

Die deutsche Politik reagiert durchaus entschlossen. Mehrere Städte lassen nicht zu, dass kommunale Räume für BDS-Veranstaltungen genutzt werden, und unlängst hat der Bundestag mit großer Mehrheit einem Antrag stattgegeben, wonach Methoden und Argumente der BDS-Kampagne klar als antisemitisch bezeichnet werden können. Der Antrag fordert das Ende jeglicher Unterstützung für BDS sowie nahestehende Organisationen.

Die Verteidiger der Kampagne beharren darauf, es müsse doch möglich sein, Israels Regierung zu kritisieren, ohne gleich als antisemitisch zu gelten. Sie suggerieren faktenwidrig, dies sei verboten – was keineswegs der Fall ist. Aus allen Parteien, in sämtlichen großen Medien gab und gibt es solche Kritik, etwa an der Siedlungspolitik oder an der Wiederwahl von Premier Netanjahu 2019. Für ein Land, das so klein und so weit entfernt ist wie Israel, ist das Ausmaß der kritischen, öffentlichen Aufmerksamkeit aus Deutschland eher ausgesprochen groß.

Austausch schafft Frieden - nicht Boykott

Doch der BDS-Kampagne geht es um noch mehr als um Kritik an Israels Regierung. In der Konsequenz zielt der Boykott auf eine kollektive Bestrafung der gesamten israelischen Gesellschaft, um deren Isolation und Erpressung. BDS hat schon alles ins Visier genommen, sogar Austauschprogramme zwischen Schulen und Import-Export-Geschäfte. Hier geht es nicht nur um Meinungsäußerung, sondern um das kollektive Diskriminieren von Personen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit, was auch rechtlich höchst fragwürdig ist.

Wenig spricht zudem dafür, dass Isolation den Frieden herbeiführen könnte. Wer Frieden will, muss gerade zivilgesellschaftlichen Austausch, etwa zwischen Jugendlichen, wollen, anstatt ihn zu sabotieren. Es gibt gute Gründe, die BDS-Kampagne als antisemitisch zu bezeichnen. In ihrem Kontext tauchen immer wieder klassische, antisemitische Stereotypen auf, vom Brunnenvergifter bis zum Kindermörder.

Signifikant ist auch die zugespitzte, nachgerade obsessive Fokussierung auf Israel. Während zahlreiche Staaten die Menschenrechte verletzen, wird hier ausgerechnet Israel, der jüdische Staat, zum fixierten Gegenstand einer solchen Kampagne. Ob bewusst oder unbewusst, der Verdacht liegt nahe, dass Antisemitismus zu den BDS-Motivationen zählt.

Man muss einen Umgang mit BDS finden

Gewiss ist nicht jede Person, die die Kampagne unterstützt, antisemitisch motiviert. In den USA etwa zählen jüdische Intellektuelle zu den Unterstützern, die nachvollziehbare Gründe für den Fokus auf Israel geltend machen. In Ländern wie Großbritannien, wo die Weltgeschichte derzeit primär vor dem Hintergrund des Kolonialismus interpretiert wird, sieht man den Nahostkonflikt anders als in Deutschland, wo der NS-Massenmord an den Juden im Zentrum geschichtspolitischer Aufmerksamkeit steht.

In Zukunft kommt es darauf an, einen Umgang mit BDS zu finden, der verhindert, dass die Kampagne in Deutschland weiter Fuß fasst. Und das, ohne sich von ihr die Logik von Boykott und Gegenboykott aufzwingen zu lassen – oder das Fokussieren auf den Nahostkonflikt, der für die Antisemiten innerhalb von BDS Mittel zum Zweck ist.

Floris Biskamp

Zur Startseite