Nach Tillich-Rückzug: In Sachsen "wird nur noch rechts überholt"
Mit dem designierten Ministerpräsidenten Michael Kretschmer könnte die Sachsen-CDU noch weiter nach rechts rücken. Ihm sitzt die AfD im Nacken.
Der Unternehmer Lutz Heimrich redet nicht drumherum. „Wenn Ministerpräsident Kretschmer kommt (und er wird kommen), wird nur noch rechts überholt“, postet der Weinhändler aus dem Landkreis Meißen, bisher noch ein treuer CDU-Anhänger.
Es ist Tag eins nach dem Paukenschlag von Stanislaw Tillich, seit 2008 amtierender Ministerpräsident und CDU-Chef in Sachsen. Im Dezember will Tillich seine Ämter abgeben. Die Regelung der Nachfolge gab er von oben vor: Michael Kretschmer, bisher Generalsekretär der Landespartei, soll beide Ämter übernehmen. Es ist die Konsequenz aus dem Wahlergebnis vom 24. September: Die AfD war im Freistaat mit 27 Prozent der Zweitstimmen stärkste Partei geworden, die CDU lag 0,1 Punkte dahinter. Besser hatte die damals noch von Frauke Petry geführte Partei in keinem Bundesland abgeschnitten.
Die CDU habe „viel zu viel am rechten Rand gefischt“, sagte Unternehmer Heimrich nach der Wahl. Jetzt schreibt er seinen Facebook-Freunden eine verzweifelte Nachricht: Selbst die nur halbherzigen AfD-Wähler bei der Bundestagswahl würden bei der Landtagswahl 2019 „umso bestärkter das Kreuz beim Original machen“.
Erwägt die Sachsen-Union eine Koalition mit der AfD?
Wird die Sachsen-CDU die AfD salonfähig machen, gar eine Koalition 2019 vorbereiten? Ist Kretschmer dafür der Mann? Mit Kretschmer habe Tillich einen Mann vorgeschlagen, der „jung und dynamisch“ ist, erklärt CDU-Landtagsfraktionschef Frank Kupfer. In der Tat ist Kretschmer mit 42 deutlich jünger als der 58-jährige Tillich. Und womöglich kam altersbedingt auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière nicht zum Zug, dessen Verbleib in der künftigen Bundesregierung unklar ist. Der ist schon 63. Dazu kommt: Viele Sachsen machen de Maizière mit verantwortlich für die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, was seine Beliebtheit deutlich schmälert.
Die Gremien der CDU fügen sich auf Anhieb, obwohl Kretschmer aus der Bundestagswahl als Verlierer hervorgegangen ist: Sein Direktmandat in Görlitz verlor er an einen Malermeister von der AfD. Im Landesvorstand gab es nur zwei, drei Gegenstimmen, genau hat keiner gezählt. Kupfer berichtet von einer „kritischen Aussprache“ mit Kretschmer. Am Ende aber habe die Fraktion ihm das Vertrauen ausgesprochen: „Das heißt, wir werden seine Bewerbung für das höchste Amt im Freistaat unterstützen.“
Wohin die Sachsen-CDU nun steuert? Tillich hatte verlangt, die CDU wieder nach rechts zu rücken. Er bezog das vor allem auf die Bundespartei – in Sachsen ist eine Rechtsverschiebung der Partei kaum noch möglich. „Die Leute wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt“, sagte Tillich. Kupfer findet, die CDU sei zu sehr nach links geschwenkt, „logisch, dass man da ein Stückchen nach rechts rücken muss“. Und Kretschmer? Er hat die Probleme mit Rechtsextremismus in Sachsen immer wieder relativiert. Nach seiner Nominierung plädiert er für „deutsche Werte“. Und kündigt eine Auseinandersetzung mit der AfD in der Sache an, bei der diese aber nicht in eine Märtyrerrolle geraten dürfe.
Frauke Petry macht sich Hoffnung
Die Oppositionsparteien Linke und Grüne in Sachsen sind schwach. Das Dilemma der SPD: Sie will die große Koalition nicht aufkündigen, weil bei Neuwahlen ein fulminanter AfD-Erfolg zu erwarten wäre. Ex-AfD-Chefin Petry hat gut lachen. Auf Twitter fragt sie: „Sachsen braucht einen echten konservativen Neuanfang. Geht das mit Kretschmer und Groko?“ Neben Petry haben bereits vier weitere Sachsen-Abgeordnete die AfD-Fraktion verlassen. Gemeinsam mit den 59 CDU-Parlamentariern könnte die SPD als Koalitionspartner der CDU schon jetzt abgelöst werden. Bisher beteuern CDU-Funktionäre: „Wir werden weder mit der AfD noch mit irgendwelchen Abspaltungen von ihr zusammenarbeiten. Das gilt langfristig.“
Auf dem Tagesspiegel-Debattenportal "Causa" wird diskutiert: Warum ist Sachsen so rechts? Zur Diskussion geht es hier.