Sachsen: Michael Kretschmer soll Tillich folgen
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich zieht die Konsequenz aus der CDU-Niederlage bei der Bundestagswahl. Einen Nachfolger hat er im Blick.
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich tritt zurück. Der CDU-Politiker zieht die Konsequenz aus der Niederlage seiner Partei bei der Bundestagswahl am 24. September. Die AfD war in seinem Bundesland mit 27 Prozent stärkste Partei geworden, die CDU lag mit 26,9 Prozent auf Platz zwei. Er wolle sein Amt im Dezember "in jüngere Hände übergeben", sagte Tillich.
Tillich schlug den sächsischen CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer als Nachfolger vor, das Präsidium der Landespartei schloss sich dieser Empfehlung einstimmig an. Der bisherige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte bei der Wahl am 24. September den Einzug in den Bundestag verfehlt. Er verlor in Görlitz sein Direktmandat an den AfD-Bewerber Tino Chrupalla. Kretschmer soll nach dem Willen des CDU-Präsidiums auch neuer Landesvorsitzender der CDU werden, dieses Amt hat Tillich ebenso wie das Amt des Regierungschefs seit 2008 inne.
Alle Präsidiumsmitglieder würden die Entscheidung Tillichs bedauern, aber respektieren, teilte ein CDU-Sprecher mit. "Stanislaw Tillich hat sich über zwei Jahrzehnte mit ganzer Kraft für die Menschen in seiner sächsischen Heimat eingesetzt. Er hat sich große Verdienste um den Freistaat erworben. Nie zuvor ging es Sachsen und den Sachsen so gut wie heute."
Tillich sagte: "Für eine gute Zukunft Sachsens sind auch neue Antworten wichtig. Es braucht den Mut, gewohnte Bahnen zu verlassen. Wir dürfen nicht im Gestern und Heute gefangen sein. Nach 27 Jahren in aktiver Verantwortung fällt mir das schwerer. Ich weiß, dafür braucht es neue und frische Kraft."
"Kretschmer ist Sachse mit Herz und Verstand"
Tillich warb für die Wahl von Kretschmer zum Ministerpräsidenten mit den Worten: "Ich wünsche mir, dass unsere CDU-Fraktion und die SPD auch in diesem Amt Michael Kretschmer zu meinem Nachfolger wählen." Der noch amtierende Regierungschef lobte Kretschmer, der zum rechtskonservativen Flügel der CDU gerechnet wird, mit den Worten: "Er ist Sachse mit Herz und Verstand, der jung und doch erfahren ist. Es ein Gewinn, dass Michael Kretschmer als Kreisrat die Belange der kommunalen Familie genauso gut kennt wie er ein belastbares Netzwerk aus Berlin mitbringt. Er hat sich eine hohe Wertschätzung erarbeitet und ist im Land und darüber hinaus sehr geachtet. Ich bin Michael sehr dankbar, dass er sich in den Dienst und die Verantwortung für unseren Freistaat und die Menschen stellt."
Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Frank Kupfer, erklärte: "Ich habe großen Respekt vor diesem Schritt von Stanislaw Tillich. Er hat damit Größe bewiesen und die Verantwortung für das Ergebnis der Bundestagswahl übernommen, auch wenn er nicht die Hauptschuld dafür trägt." Mit Kretschmer sei ein "junger und dynamischer" Nachfolger vorgeschlagen worden.
Sachsens früherer Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hatte Tillich vor wenigen Tagen in einem Interview mit der "Die Zeit" heftig attackiert. "Ich sorge mich um mein Lebenswerk", sagte Biedenkopf der Wochenzeitung. Tillich fehle die "Vorbildung" für das Amt des Ministerpräsidenten: "Er hat das nie gelernt." Als möglichen Nachfolger für Tillich brachte Biedenkopf in dem Interview Bundesinnenminister Thomas de Maizière ins Gespräch, dessen Verbleib in der Bundesregierung nach Bildung einer Jamaika-Koalition ungewiss ist.
De Mazière unterstützte am Mittwoch Kretschmer als Nachfolger von Tillich. "Er wird beweisen, dass er ein guter Ministerpräsident für dieses Land sein wird", sagte der Innenminister.
Die Sachsen-CDU trifft sich am 9. Dezember zum Landesparteitag in Löbau. In ihrer Erklärung heißt es: "Es ist jetzt notwendig, den Wechsel in der Führung der Sächsischen Union und im Amt des Ministerpräsidenten verantwortungsvoll und besonnen zu gestalten." An diesem Mittwochabend werde dazu im CDU-Landesvorstand zusammen mit den CDU-Kreisvorsitzenden und an diesem Donnerstag gemeinsam mit der CDU-Landtagsfraktion beraten.
SPD fordert "Systemwechsel"
Sachsens SPD-Chef und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig dankte Tillich für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Er stellte aber auch fest: "Die Art und Weise, wie die CDU in den vergangenen Jahren Politik gemacht hat, hat einen massiven Vertrauensverlust bewirkt." Es brauche jetzt einen Systemwechsel. "Die Frage die sich jetzt stellt, ist: Welche Konsequenzen hat die personelle Veränderung an der Spitze der CDU für die inhaltliche Ausrichtung der Regierungsarbeit und die Koalition? Das ist eine Frage, welche die CDU und der Ministerpräsidenten-Kandidat jetzt beantworten müssen."
Linke: Es geht um puren Machterhalt der CDU
Der Oppositionsführer im sächsischen Landtag, Linksfraktionschef Rico Gebhardt, sagte, er nehme Tillichs Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis. "Zugleich müssen wir feststellen: Herr Tillich, der vor schwierigen Problemen regelmäßig die Flucht ergriffen hat und dann, wenn es unangenehm wurde, weg war, bleibt sich treu: Er entzieht sich der Verantwortung."
Kretschmer als der von ihm vorgeschlagene Nachfolger stehe nicht für einen Neuanfang in Sachsen, sagte der Linken-Politiker. "Herr Kretschmer ist als CDU-Generalsekretär Wasserträger des Systems Tillich und steht für den Kampf um den puren Machterhalt der CDU, weshalb er gerade bei der Bundestagswahl von der Wählerschaft seines Wahlkreises ,abgestraft' worden ist." Kretschmer sei überall dabei gewesen, als es "darum ging, die CDU mehr auf Rechtskurs zu trimmen".
Auf dem Tagesspiegel-Debattenportal "Causa" wird die Frage diskutiert: Warum ist Sachsen so rechts? Zur Diskussion geht es hier.