Gipfel soll Weg bereiten: Impfungen für Kinder – die nächste Herausforderung für Deutschland
Bund und Länder wollen schnell Schülerinnen und Schüler „durchimpfen“, damit der Schulbetrieb wieder regulär laufen kann. Doch es gibt mehrere Hürden.
Die Schlange vor dem Impfzentrum im früheren Flughafen Tegel ist schon um 9 Uhr sehr lang. Hier läuft die Impfkampagne reibungslos und überaus freundlich, bestens organisiert. Wer Moderna bekommt, folgt den rosafarbenen Pfeilen, für Biontech geht es den blauen Pfeilen nach durch das Kabinenlabyrinth.
Haken tut es im Detail. Wer vor mehr als sechs Monaten Corona hatte, braucht nur eine Impfung, doch wie ist der Nachweis zu führen? Denn wenn im Impfpass nur eine Impfung statt den üblichen zwei Impfungen aufgeführt ist, könnten die Rechte für vollständig Geimpfte vorenthalten werden. Die bürokratische Lösung: der positive PCR-Test von damals ist mit dem gelben Impfpass vorzuzeigen.
Geht es nach dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, sollen demnächst vor allem Schüler hier mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech geimpft werden. Denn das ist die nächste und aktuell größte Herausforderung: Das Impfen von Kindern und Jugendlichen, damit die Schulen nach den Sommerferien dauerhaft und sicher wieder in den Regelunterricht gehen können.
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Diese Frage wird auch beim Impfgipfel von Bund und Ländern am Donnerstag im Fokus stehen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat intern angemerkt, dass es um die Logistik für das Impfen von Schülern, Berufsschülern und Studenten gehen soll.
Je aggressiver sich eine neue Virus-Variante sei, desto mehr Menschen müssten geimpft sein, um eine Herdenimmunität zu bekommen, betont sie mit Blick auf die indische Variante.
Der bange Blick geht daher nach Amsterdam, wo als erste Grundvoraussetzung eine Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes auch für 12- bis 15-Jährige durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) erteilt werden muss.
Intern wird dies für Ende Mai Anfang Juni erwartet. In den USA war der Impfstoff schon vor rund zehn Tagen für 12- bis 15- Jährige zugelassen worden; sie können sich dort unter anderem 15.000 Apotheken impfen lassen.
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Lauterbach: Geht um rund sechs Millionen Kinder und Jugendliche
„Ich gehe fest davon aus, dass der Impfstoff zugelassen wird“, sagt Lauterbach im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Wir sollten die Impfung der Kinder so früh wie möglich machen.“ Er denkt da an vier Säulen: Eben an die Impfzentren, dazu Kinderärzte, Hausärzte und mit mobilen Impfteams direkt in den Schulen.
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„Wir reden von rund sechs Millionen Kindern und Jugendlichen, die geimpft werden müssen.“ Er bezieht das auch mit Blick auf die noch nicht geimpften Jugendlichen ab 16 Jahren. Für sie ist der Impfstoff bereits zugelassen.
Idealerweise wäre man schon bis zum Ende der Schulferien durch. Falls nicht, solle man versuchen, maximal vier Wochen in den Beginn der Schulzeit „hineinzuimpfen“, um rasch größtmöglichen Schutz zu bekommen. Lauterbach verweist auf US-Studien, die eine große Wirksamkeit und wenig Nebenwirkungen des Biontech-Impfstoffes auch bei jüngeren Menschen zeigen.
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Spahn plant Schülerimpfangebot für alle bis Ende der Ferien
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will daher möglichst viele Jugendliche bis Ende der Sommerferien impfen lassen. Dafür sollen Impfdosen von Biontech/Pfizer reserviert werden, weil vorerst nur dieser Impfstoff die Zulassung auch für 12- bis 15-Jährige bekommen dürfte. Spahn sagte der „Bild am Sonntag“: „Ein Weg zu regulärem Unterricht nach den Sommerferien ist das Impfen der Jugendlichen“. Ziel sei, dass die Länder Schülerinnen und Schülern bis Ende August ein Impfangebot machen.
Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) pocht vor dem Impfgipfel auf einen klaren Impffahrplan für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Sie wolle, dass vor allem nach den Sommerferien überall der Schulbetrieb wieder „relativ normal“ beginnen könne, sagt sie der Funke Gruppe. Auch allen Lehrkräften solle ein Impfangebot gemacht werden.
Stiko könnte Impfstoff nicht für alle Schüler empfehlen
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen verweist allerdings auf einen Punkt, der auch Ländervertretern Sorge bereitet: Es ist noch längst nicht sicher, ob die Ständige Impfkommission (Stiko) überhaupt empfehlen wird, die komplette Altersgruppe zu impfen. Es könnte letztlich nur eine Empfehlung für Kinder mit Vorerkrankungen geben.
Dies aber würde den Bund/Länder-Plänen zuwider laufen. „Man braucht einen bestimmten Anteil in dieser Altersgruppe, um die Pandemie auch hier einzudämmen“, sagt Dahmen. Hinzu komme, dass viel Biontech-Impfstoff für die notwendigen Zweitimpfungen fest reserviert sei, dadurch könnte es - sollte es keine Einschränkungen durch die Stiko geben - mit dem Impfangebot für alle bis Ende August schwierig werden.