zum Hauptinhalt
Schülerinnen und Schüler einer Grundschule.
© dpa/ Marcel Kusch
Update

Spahn will Biontech-Dosen reservieren: Expertenkommission zweifelt an schnellen Impfungen für Schüler

Der Gesundheitsminister und die Bildungsministerin wollen Vakzine für alle Schüler bis Ende August. Die Impfkommission ist aber sehr zurückhaltend.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat den Plan konkretisiert, Jugendliche bis Ende der Sommerferien zu impfen, um an den Schulen wieder Normalität einkehren lassen zu können. Dafür sollten Impfdosen von Biontech/Pfizer reserviert werden. Nach Tagesspiegel-Informationen ist aber noch längst nicht sicher, ob die Ständige Impfkommission (Stiko) überhaupt empfehlen wird, die komplette Altersgruppe zu impfen. Im Stiko-Umfeld heißt es, dass davon nicht auszugehen sei und es vielmehr eine Empfehlung für Kinder mit bestimmten Vorerkrankungen geben dürfte.

Spahn sagte der „Bild am Sonntag“: „Ein Weg zu regulärem Unterricht nach den Sommerferien ist das Impfen der Jugendlichen“. Und weiter: „Das erklärte Ziel ist, dass die Länder den minderjährigen Schülerinnen und Schülern bis Ende August ein Impfangebot machen. Weil für sie wegen der Zulassung nur ein bestimmter Impfstoff infrage kommt, müssen dafür genügend Biontech-Dosen reserviert werden.“

Auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek fordert einen Fahrplan für Impfungen von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren in allen Bundesländern. Dieser solle bezwecken, dass den Kindern und Jugendlichen möglichst bis zum Beginn des kommenden Schuljahres ein Impfangebot gemacht werden könne, sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Ich möchte, dass vor allem nach den Sommerferien überall der Schulbetrieb wieder relativ normal beginnen kann. Dafür wäre es sehr hilfreich, wenn möglichst viele Schülerinnen und Schüler geimpft wären.“

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Stiko ist bei diesem Thema deutlich zurückhaltender. „Das vorzeitige Ausrufen einer allgemeinen Impfung für alle Kinder ist verfrüht und bedauerlich“, hatte Stiko-Chef Thomas Mertens dem Tagesspiegel am Freitag gesagt. Derzeit beschäftige sich die Stiko mit den Empfehlungen für Zwölf- bis 15-Jährige, also jener Altersgruppe, für die der Biontech-Impfstoff in der EU voraussichtlich Ende Mai oder Anfang Juni zugelassen werden soll. Für eine Impfempfehlung müsse ein individueller Nutzen für Kinder gegeben sein, sagte Mertens. Das übergeordnete Ziel, durch deren Impfung der Herdenimmunität in der Bevölkerung näher zu kommen, gehöre nicht dazu.

Auch der Berliner Kinder- und Jugendarzt Martin Terhardt, ebenfalls Mitglied der Stiko, rechnet nicht mit einer baldigen Zulassung von Biontech für Jugendliche. Er verwies darauf, dass das Risiko derzeit nur an einer kleinen Studie gemessen werden könne, die gut 1100 Kinder umfasse. „Das ist zu gering, um seltene Komplikationen nach der Impfung vorhersagen zu können“, sagte er im rbb. Deshalb warte man auf Daten aus den USA und Kanada, wo der Impfstoff schon für unter 16-Jährige zugelassen ist.

Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop drückt dagegen aufs Tempo. „Die Impfquote steigt und das ist gut“, erklärte die Grünen-Politikerin am Sonntag. „Bislang sind aber gerade diejenigen nicht dabei, die in ihrem Alltag besonders von dem Corona-Einschränkungen betroffen sind: Kinder und Jugendliche.“

Sie verzichteten seit mehr als einem Jahr auf soziale Kontakte und ihr gewohntes Bildungsumfeld. „Deshalb muss jetzt mit der baldigen Zulassung eines Impfstoffes für Kinder und Jugendliche eine breite Impfkampagne aufgesetzt werden. Mobile Impfteams an Schulen wären beispielsweise ein geeignetes niedrigschwelliges Angebot.“ Die junge Generation habe sich in der Pandemie zum Schutz der Älteren stark eingeschränkt, so Pop. „Jetzt müssen wir alles dafür tun, um ihnen wieder so viel Freiheit wie möglich zurückzugeben.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder wollen am 27. Mai über das weitere Vorgehen bei den Impfungen beraten. Dabei dürfte es unter anderem um das Impfen von Schülern und Studenten gehen.

[Alle aktuellen Entwicklungen in der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Am Sonntag wurde bekannt, dass auch der US-Pharmahersteller Moderna bald eine europäische Impfstoffzulassung für Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren beantragen will. Ein Antrag bei der EU-Arzneimittelbehörde (EMA) in Amsterdam sei Anfang kommenden Monats geplant. Das sagte der aus Frankreich stammende Moderna-Vorstandschef Stéphane Bancel der französischen Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Das Präparat von Moderna ist einer von vier Coronavirus-Impfstoffen mit einer Zulassung in der Europäischen Union.

„Bis zum Sommer werden alle Erwachsenen, die sich impfen lassen wollen, eine erste Dosis erhalten haben“, sagte Bancel dem Blatt auf die Frage, ob in Frankreich eine vierte Epidemie-Welle drohe. „Danach muss man sich sehr rasch an die zwölf bis 17 Jahre alten Jugendlichen wenden“, sagte er. Die Ideallösung sei, diese Altersgruppe „vor Ende August zu schützen“. Falls nicht massiv geimpft werde, könne das Risiko einer vierten Welle nicht ausgeschlossen werden.

Zur Startseite