Hinweis-Rekord beim Zoll: Immobiliensektor gilt als Einfallstor für Geldwäsche in Deutschland
Beim Verdacht auf kriminelle Finanzgeschäfte fordert der Zoll von Maklern und Notaren mehr Kooperation. Große Sorge bereiten auch kriminelle Clans.
Die Verdachtshinweise auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung haben mit 77.252 Meldungen 2018 ein neues Rekordhoch in Deutschland erreicht. Das geht aus dem neuen Jahresbericht der beim Zoll angesiedelten Financial Intelligence Unit (FIU) hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Offiziell soll der Bericht am Dienstagvormittag im Zollkriminalamt Köln vorgestellt werden. Im Vergleich zum Vorjahr stieg das Meldeaufkommen für verdächtige Geldbewegungen um rund 17.500 Meldungen, was einem Anstieg um 29 Prozent entspricht.
Darin spiegelt sich auch ein Trend der höheren Sensibilisierung, zudem gibt es zunehmend automatisierte Hinweisverfahren bei großen Kreditinstituten und Finanzdienstleistern. "Ins Auge stechen die Fälle von Clan-Kriminalität und die Immobilienfinanzierung mit Geldern aus dem Ausland, wie zum Beispiel über Offshore-Firmen", sagte FIU-Chef Christof Schulte dem Tagesspiegel.
Zudem gelte die besondere Aufmerksamkeit Meldungen mit einem möglichen Terrorismusverdacht oder Bezug zu anderen staatsschutzrelevanten Vorgängen. "Dies waren über 4000 im vergangenen Jahr." Die hohe Zahl an Verdachtshinweisen hält auch in diesem Jahr an – bis Mai gingen bereits rund 47.000 Meldungen ein. Jeder Verdachtsfall wird überprüft, recherchiert und wenn sich ein Verdacht erhärtet sofort an Kriminal- und Strafbehörden weitergeleitet.
Bei 58 Prozent der 2018 bei der FIU endbearbeiteten Verdachtsmeldungen wurden Anhaltspunkte für Zusammenhänge mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder sonstigen Straftaten festgestellt, weshalb eine Abgabe zum Beispiel an das zuständige Landeskriminalamt erfolgte – das ist im europäischen Vergleich eine hohe Quote. Und lässt erahnen, wie groß das Problem in Deutschland tatsächlich ist. "Wir haben auch recht schillernde Transaktionen mit Erlösen aus Bitcoingeschäften", berichtet Schulte.
FIU-Chef Christof Schulte fordert besonders von Maklern und Notaren in Deutschland mehr Kooperation – gerade der Immobilienbereich mit verschachtelten Kaufkonstrukten und Briefkastenfirmen gilt als Einfallstor für Geldwäsche. Experten halten Deutschland wegen zu lascher Gesetze in dieser Hinsicht für ein Geldwäscheparadies. "Aus dem Immobiliensektor direkt haben wir im vergangenen Jahr nur 31 Meldungen von Maklern bekommen. Das halte ich mit Blick auf die Bedeutung des Sektors im Bereich Geldwäsche für vollkommen unzureichend", sagte Schulte im Interview mit dem Tagesspiegel. Von Notaren kamen sogar nur acht Meldungen.
Clans besonders aktiv
Große Sorgen bereiten derzeit kriminelle Clans, in Berlin machte im vergangenen Jahr das Beschlagnahmen von 77 Wohnungen, Häusern und Grundstücken eines stadtbekannten Clans Schlagzeilen, der hinter spektakulären Verbrechen wie dem Goldmünzenraub im Bode-Museum stehen soll. Verdächtig sind gerade Käufe, die in ausländischer Währung beglichen werden, wenn Darlehen zinslos zurückgezahlt werden, oder wenn es zu schnellen Wiederverkäufen kommt. Alarmierend sind laut Schulte auch die vielen Strohmanngeschäfte. "Zum Beispiel über Kontoverbindungen von Hartz-IV-Beziehern, die für Transaktionen im fünf- bis sechsstelligen Eurobereich genutzt werden, teilweise auch aus dem Ausland für Einmalüberweisungen mit sofortiger Barauszahlung."
Um das hohe Meldeaufkommen zu bewältigen, werden bei der FIU die Meldungen nach Wichtigkeit priorisiert. "Es ist sichergestellt, dass eingehende Meldungen sofort angeschaut und erstbewertet werden", so Schulte. "Fälle mit Verdacht auf Terrorismusfinanzierung oder die Verschiebung hoher Vermögenswerte werden höher eingestuft als Fälle wie Ebay-Betrügereien mit kleineren und mittleren Beträgen. Wir identifizieren sensible und zeitkritische Sachverhalte unverzüglich und bearbeiten sie unmittelbar." Wichtig wäre zur Erleichterung der Arbeit ein besserer Zugriff auf polizeiliche Daten von Bund und Ländern, betont Schulte. Denn die Entwicklung der Fallzahlen zeigt: Deutschland hat ein massives Problem – und viele Fälle können nicht schnell genug verfolgt werden.
Personal deutlich aufgestockt
Meldungen kommen vor allem aus dem Finanzsektor, aber auch von Wirtschaftsprüfern, Anwälten, Spielhallenbesitzern und eben in sehr geringer Zahl von Maklern und Notaren. Letztere stehen immer in dem Dilemma zwischen ihren Auftraggebern und einem möglichen Verdacht auf kriminelle Hintergründe bei den über sie abgewickelten Geschäften. Nachdem die bis 2017 beim Bundeskriminalamt angesiedelte FIU lange als ineffizient galt und scharf kritisiert wurde, ist das Personal zuletzt deutlich aufgestockt worden – vor allem aus dem Banken- und Finanzsektor wurden Mitarbeiter angeworben.
Aktuell arbeiten bei der Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) untergeordneten FIU 242 Stammbeschäftigte und 182 Aushilfen – das Personal soll von derzeit 424 Personen auf bis zu 475 Stellen aufgestockt werden. Viele Beschäftigte konnten zuletzt von Kreditinstituten im Rheinland gewonnen werden. Zum einen, weil diese ihr Filialnetz ausdünnen. Zum anderen, weil laut FIU viele Bewerber aus ethischer Überzeugung auf der "richtigen Seite" arbeiten wollen, um Finanzkriminalität zu bekämpfen. Deutschland arbeitet über die sogenannte Egmont-Gruppe eng mit FIU’s in der ganzen Welt zusammen, derzeit gibt es bereits rund 160, die sich untereinander austauschen.
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