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Endlich mal wieder so richtig unbeschwert Shoppen. Viele können es kaum erwarten. Doch wenn es zu Lockerungen kommt, dann erstmal bei den Schulen.
© Foto: Arne Dedert/dpa

Neuer Lockdown in Kraft, schon wird wieder diskutiert: Im Hintergrund basteln Bund und Länder längst an Öffnungsstrategien

Die Entspannung bei den Corona-Zahlen provoziert eine neue Lockerungsdebatte. Vor allem auf Länder-Seite. Doch der Bund macht auch mit. Warum eigentlich?

Armin Laschet galt vielen in der Corona-Debatte lange als Anhänger eines weichen Kurses. Aber am Montag setzte er sich an die Spitze derer, die vor einer verfrühten Lockerungsdebatte warnen.

"Derzeit ist für Öffnungsdiskussionen kein Raum", sagte der neue CDU-Chef nach der Debatte in Parteipräsidium in Berlin.

Der Grund der Warnung: Wegen sinkender Zahlen an Neuinfektionen argumentiert etwa der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, dass man zumindest diskutieren müsse, ob ein Land in der Mitte Europas mit offenen Grenzen nicht vielleicht auch mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von 100 leben müsse.

Auch wenn die Bundesregierung dies strikt ablehnt, hatten am Sonntag auch Kanzleramtschef Helge Braun, eigentlich ein Befürworter harter Corona-Maßnahmen, sowie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer in der ARD davon gesprochen, dass man bereits über eine Lockerungsstrategie rede.

Das mag auf den ersten Blick widersprüchlich wirken, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten, Braun wie Dreyer vor der Gefahr der Ausbreitung von Virus-Mutanten warnen. Merkel hatte die in vielen Bundesländern erst heute in Kraft tretenden Verschärfungen als "Vorsorge" bezeichnet.

Aber bisher ging in der Debatte unter, dass die Bund-Länder-Beschlüsse am 5. Januar überhaupt nur möglich waren, weil Ministerpräsidenten auf einen Passus bestanden, nach dem bis Mitte Februar eine Öffnungsstrategie ausgearbeitet werden müsse.

AB WANN SOLLTEN ÖFFNUNGEN KOMMEN?

Die Gleichzeitigkeit von Verschärfungen und Lockerungsdebatte lässt sich zwar nur schwer vermitteln, beschreibt aber die widersprüchliche Lage in Deutschland: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) etwa fordert diese Öffnungsdebatte sehr offensiv ein.

Kein Wunder, denn sein Bundesland hat eine Sieben-Tages-Inzidenz von 94,1, spürt den Druck also weniger stark als beispielsweise Thüringen, wo der entsprechende Wert bei über 200 liegt. Etliche Kommunen im Norden verzeichnen bereits wieder einen Inzidenz-Wert von unter 50. Es wird immer schwieriger für Günther, zu begründen, wieso Schulen und Geschäfte geschlossen bleiben sollen.

Eigentlich hatte Kanzleramtschef Braun deshalb einen möglichst objektiven Kriterienkatalog vorgeschlagen, der bestimmte Verschärfungen - oder auch Lockerungen - an Inzidenz-Werte koppelt. Die Bindung an Zahlen soll auch einen Schutz vor zu schnellen Schritten Richtung Öffnung bilden - und diejenigen einbinden, die unbedingt eine Aussicht auf Normalisierung wollen. Nur ist die politische Realität komplizierter.

Denn zum einen zeigen Umfragen, dass viele Bundesbürger gerne doch bundesweite Regelungen hätten statt eines Flickenteppichs unterschiedlicher Maßnahmen in Ländern oder gar Landkreisen. Zum anderen warnt Braun, die Gefahr einer zu frühen Öffnung sei, dass man nach einer Lockerung wieder steigende Zahlen registriere - und das in einer Phase, in der sich hochansteckende Virus-Mutanten ausbreiteten.

An welche Inzidenz man genau welche Lockerungen knüpft, sei Teil der schwierigen Gespräche, betont Regierungssprecher Steffen Seibert deshalb. Eine Öffnungsstrategie dürfe auf keinen Fall dazu führen, dass es zu einem "Jojo-Effekt", einem "Auf-zu-auf-zu" komme, wie man dies in anderen EU-Staaten erlebt habe.

Nur wird der Druck von Lobbyverbänden nicht nur der Wirtschaft jeden Tag größer, an dem die Neuinfektionszahlen unter dem jeweiligen Vorwochenwert liegen. CDU-Chef Laschet will zumindest dem Druck widerstehen, in der Öffnungsdebatte Daten zu nennen. Zwar sei verständlich, dass sich viele an dem Ende des Lockdowns am 14. Februar orientierten. Aber das Beispiel Irland habe gezeigt, wie schnell die Entwicklung in einem Land kippen könne, sagt Laschet. Man dürfe deshalb nicht einmal Versprechen für März, April oder Mai machen.

WAS WIRD GEÖFFNET?

Nicht viel einfacher ist die Frage, wo gelockert werden soll. Es gilt zwar als unstrittig, dass Schulen und Kitas zuerst geöffnet werden. Aber ab da gehen die Meinungen weit auseinander.

Faktisch gibt es bereits jetzt wieder einen Flickenteppich, weil die Länder die gemeinsamen Beschlüsse mit der Bundesregierung jeweils anders umgesetzt haben: In Ländern wie Rheinland-Pfalz gibt es immer noch Präsenzunterricht, wenn auch eingeschränkt. Baden-Württemberg will schon Anfang Februar wieder Grundschüler in die Schulen lassen - obwohl das Bundesland bisher weit von der 50er-Inzidenz entfernt ist.

Kanzlerin Merkel verweist zudem auf die schwierige Abwägung, was nach den Schulen geöffnet werden sollte und nennt als Beispiele den Einzelhandel und Friseure. Die Krux dabei: Bereits bei den Lockerungen nach der ersten Welle hatte die Politik die Erfahrung gemacht, dass Gerichte dafür sorgen können, dass der Öffnungskurs viel schneller abläuft als geplant.

"Denn wenn ein Bereich aufgemacht wird, hagelt es sofort Klagen der anderen, dass sie nun auch wieder die Tore öffnen müssten", sagte ein Regierungsvertreter zu Reuters. Das spreche eigentlich dafür, erst weit unterhalb der Inzidenz von 50 zu lockern. "Nur wird man das politisch wohl nicht durchhalten", heißt es in Regierungskreisen ernüchtert mit Blick auf die Länder. (Reuters)

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