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Test auf Corona-Mutationen in der Berliner Charité
© Reuters/Axel Schmidt

Virus-Typen B117 und B1351: Wo in Deutschland bereits Corona-Mutationen nachgewiesen wurden

Den größten Ausbruch gab es bisher in Berlin. Aber auch in Nordrhein-Westfalen sind die neuen Virustypen B117 und B1351 verbreitet. Ein Überblick.

Die deutsche Politik ist in Alarmbereitschaft. „Wir haben im Hintergrund die dunkle Wolke einer sehr ernsthaften Gefahr“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Der wohl sehr viel leichter übertragbare Virus-Typ B117 ist bereits mehrfach in Deutschland aufgetreten. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hatte am Sonntag in der ARD-Sendung „Anne Will“ gesagt, dass die Mutante auch in Deutschland „die Führung übernehmen“ werde.

Wie weit sich der Virus-Typ B117 bereits in Deutschland verbreitet hat, ist schwer zu sagen. Um welche Mutante von SARS-CoV-2 es sich handelt, kann nur durch Erbgut-Sequenzierung festgestellt werden. In Großbritannien wird das seit Monaten kontinuierlich mit vielen Proben gemacht, in Deutschland kaum. Dasselbe gilt für die Mutante B1351, die in Südafrika entdeckt wurde. Beide Varianten gelten als sehr viel ansteckender als die ursprüngliche.

Eindeutige Nachweise der beiden Mutanten gab es bereits in 30 Städten oder Gemeinden in Deutschland. Der größte Ausbruch wurde bisher mit aktuell (Stand 8:30 Uhr, 26.1.) insgesamt 29 in Berlin festgestellt. Im Bezirk Reinickendorf wurden rund 1500 Beschäftigte des Humboldt-Klinikums unter Quarantäne gestellt, weil 22 Patienten und Mitarbeiter positiv auf die britische Coronavirus-Variante B117 getestet worden waren. Dazu kommen noch eine Angehörige und eine Nachbarin von früheren Patienten des Krankenhauses sowie drei Betroffene, die mit der Charité in Verbindung stehen.

Auch im Vivantes-Klinikum in Spandau gibt es zwei Fälle. Ein Mann war aus Reinickendorf dorthin verlegt worden und ist seitdem isoliert. „Es ist nicht auszuschließen, dass bei den nun flächendeckenden Testungen weitere Fälle gefunden werden“, sagte Vivantes-Chef Danckert.

In Köln werden seit vergangener Woche alle positiven Corona-Tests auf mutierte Viren untersucht. Das berichtete die Zeitung „Welt“. In 15 Fällen hätten die Forscher demnach die zuerst in England entdeckte Virus-Variante gefunden und in vier Fällen die Variante, die zuerst in Südafrika aufgetreten war.

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Die Mutationen sind in Nordrhein-Westfalen schon relativ häufig verbreitet. Der Typ B117 wurde im Bundesland in 37 Fällen nachgewiesen, der Typ B1351 insgesamt fünf mal. Betroffen sind zehn Städte oder Landkreise. Zu Ausbrüchen kam es unter anderem in Leverkusen, im Oberbergischen Kreis und in Solingen. Die Daten hat der Tagesspiegel aus den Landkreisämtern und in eigener Recherche zusammengetragen.

In Baden-Württemberg sind Rückkehrer aus Südafrika mit der dort geläufigen Mutation infiziert. Das berichten Lokalmedien. Insgesamt seien den Behörden sechs Infektionen in drei Familien bekannt – fünf im Zollernalbkreis, eine im Landkreis Calw. Weitere Fälle wurden nach Tagesspiegel-Informationen in Stuttgart (2) und Konstanz (2) entdeckt. Die Mutante B117 wurde im Bundesland bislang insgesamt in sechs Fällen an vier Orten festgestellt.

In den anderen Bundesländern sind bisher nur sehr vereinzelt Fälle nachweislich aufgetreten. In ganz Bayern wurde zwei mal die Mutante B117 in München nachgewiesen und ein mal in Bayreuth. In ganz Hessen sind sechs solcher Fälle bekannt, in Schleswig-Holstein ebenfalls sechs und in Niedersachsen vier.

Die südafrikanische Corona-Mutation erreichte am Mittwoch erstmals Sachsen. Am Leipziger Universitätsklinikum gab es einen entsprechenden Fall. Man habe gegen die betroffene Person umgehend strenge Quarantäne-Maßnahmen verhängt und mit der Nachverfolgung des Infektionswegs begonnen, teilte die Leipziger Stadtverwaltung am Donnerstag mit. Mittlerweile wurden insgesamt neun Menschen in Leipzig positiv darauf getestet. In Dresden gibt es einen B117-Fall.

In Sachsen-Anhalten wurde die Mutante B1351 noch zwei mal in Halle nachgewiesen und in Hamburg gab es einen Fall.

In Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Rheinland-Pfalz und im Saarland gibt es noch keinen bekannten Fall der Virus-Mutationen.

Grundsätzlich gilt: Ein Virus wie SARS-Cov-2 mutiert ständig, de facto in jedem einzelnen Körper, der infiziert wurde. Die meisten Mutationen ändern nichts an den Eigenschaften des Virus. Anders bei diesen beiden Typen: Sie sind wesentlich ansteckender und könnten noch strengere Schutzmaßnahmen erfordern.

„Schnell zu deutlich niedrigeren Infektionszahlen kommen“

Regierungssprecher Seibert sagte deshalb am Montag: „Jetzt sind wir in einer sehr schwierigen Situation.“ Es gebe zwar ein erfreuliches Sinken der Infektionszahlen und der Zahl der Covid-Intensivpatienten. So meldeten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) nun 6729 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. „Das sind erste Erfolge für uns alle in dieser zweiten Welle“, sagte Seibert.

„Gleichzeitig haben wir die große und sehr reale Gefahr, dass sich die Virusmutante auch bei uns wie in anderen Ländern immer weiter durchsetzt und dass die Zahlen wieder stark in die Höhe getrieben werden könnten.“ Man müsse damit rechnen, dass Deutschland der weiteren Ausbreitung der Mutante nicht entgehen werde.

Als oberstes Ziel gab Seibert daher eine weitere Absenkung der Corona-Infektionen aus. „Wir müssen möglichst schnell zu deutlich niedrigeren Infektionszahlen kommen.“ Den guten Weg jetzt zu unterbrechen - „das wäre gerade falsch“.

Seibert äußerte sich zurückhaltend zur Frage einer generellen Öffnung der Schulen. Wenn die Infektionszahlen eine Lockerung ermöglichten, würden Schulen und Kitas als erstes wieder geöffnet. Aber um dieses Ziel zu erreichen, müssten alle gemeinsam an einem Strang ziehen und erst einmal die von Bund und Ländern beschlossenen Einschränkungen weiter umsetzen.

Warnungen vor 100.000 Neuinfektionen pro Tag

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte dazu im „Bild“-Format „Die richtigen Fragen“: „Man muss davon ausgehen, dass auf einen Monat betrachtet diese drei Varianten sechs- bis achtfach so ansteckend sind. Und wenn ich dann die jetzigen Zahlen hochrechne, dann bin ich schnell bei dem Szenario, das Christian Drosten vorgerechnet hat.“

Der Virologe hatte im „Spiegel“ mit im schlimmsten Fall 100.000 Neuinfektionen pro Tag bei einem zu frühen Lockdown-Ende gerechnet. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war bislang mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten. Seitdem sind die Zahlen deutlich gesunken.

Lauterbach warnte: „Wir werden einen sehr harten und sehr gut funktionierenden Lockdown brauchen, weil die neuen Varianten von einem ganz anderen Kaliber sind. Die haben noch einmal ein ganz anderes Bedrohungspotenzial.“ Lauterbach geht - genau wie Drosten - nicht davon aus, dass der Sommer die Ausbreitung des Virus weitgehend stoppen wird.

Angesichts der Situation waren vereinzelte Forderungen nach einem Lockdown-Ende Mitte Februar am Wochenende abgeblockt worden. „Die Bedrohungslage ist noch zu groß“, hatte zum Beispiel der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet gesagt. (mit dpa)

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