"Sichere Herkunftsländer" im Maghreb: Grüne wollen Asylrechtsänderung im Bundesrat stoppen
Baden-Württembergs grün-schwarze Regierung will erst am Freitag festlegen, wie sie sich im Bundesrat zur Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten verhält. Einige rot-grüne Landesregierungen wollen dagegen stimmen.
Die von der Bundesregierung geplante Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf die nordafrikanischen Staaten Algerien, Tunesien und Marokko wird im Bundesrat am Freitag wohl vorerst am Widerstand der Grünen scheitern.
Von den zehn Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung werde nur Baden-Württemberg dem Gesetzentwurf zustimmen, hieß es am Montag in Parteikreisen. Damit dieser in Kraft treten kann, wäre aber die Zustimmung von mindestens zwei weiteren grün-regierten Ländern erforderlich. Die ist aber nach jetzigem Stand nicht in Sicht.
Am Dienstag vertagte grün-schwarze Koalition im Südwesten erst einmal ihre Entscheidung. Das Kabinett in Stuttgart beschloss nach Angaben eines Regierungssprechers, die Entscheidung über das Stimmverhalten der Landesregierung bis kurz vor der Sitzung der Länderkammer am Freitag offenzuhalten. Ministerpräsident Winfried Kretschmann werde sich mit seinem Stellvertreter von der CDU, Thomas Strobl, abstimmen. Das rot-gelb-grüne Kabinett in Rheinland-Pfalz beschloss nach Angaben einer Sprecherin am Dienstag, sich am Freitag zu enthalten.
Die Bundesregierung verspricht sich von der Gesetzesänderung, dass abgelehnte Asylbewerber aus den drei Maghreb-Staaten schneller abgeschoben werden können. Sie argumentiert, dass auch jetzt schon Asylbewerber aus diesen Ländern nur geringe Chancen auf einen positiven Bescheid hätten – die Anerkennungsquoten für die drei Länder lagen zuletzt bei unter drei Prozent. Asylanträge von Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten können in Schnellverfahren behandelt und in aller Regel als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden.
Die Grünen fürchten, dass im Falle einer Gesetzesänderung die Asylanträge Verfolgter aus den drei Staaten nicht mehr genug Beachtung finden würden. Sie verweisen auf Menschenrechtsverletzungen in den Ländern etwa gegen Homosexuelle, Frauen und Journalisten, wie sie auch immer wieder von Organisationen wie Amnesty International dokumentiert werden.
Niedersächsische Grüne kritisieren Kretschmann
In Baden-Württemberg haben Grüne und CDU im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Landesregierung die Neuregelung unterstützen werde, „falls die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“. Kretschmann hatte – auch mit Blick auf die Situation Homosexueller in den Maghreb-Staaten – zuletzt Bedenken angemeldet.
Zugleich hatte er darauf verwiesen, dass die Landesregierung bei der Beurteilung auf die Expertise des Auswärtigen Amtes angewiesen sei, welches die Länder als sicher einstuft. Dem Vernehmen nach pocht Kretschmann im Gegenzug darauf, dass für Menschen mit bestimmter Gruppenzugehörigkeit sichergestellt werden müsse, dass sie ihr Recht auf Asyl auch wirklich geltend machen können.
In den anderen grünen Landesverbänden kommt man nach der Prüfung des Gesetzentwurfs zu einem anderen Ergebnis als Kretschmanns Regierung. Deutliche Kritik ist zum Beispiel aus Niedersachsen zu hören: „Die Grünen haben einen klaren Parteitagsbeschluss, der das Konstrukt der sicheren Herkunftsstaaten ablehnt“, sagt die niedersächsische Fraktionschefin Anja Piel. „Bereits in der Vergangenheit haben die niedersächsischen Grünen weder dem Konstrukt als solchem noch einer Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten zugestimmt.“ Zum genauen Abstimmungsverhalten sei man im Austausch mit dem Koalitionspartner SPD. „Stand heute wird sich Niedersachsen im Bundesrat am Freitag enthalten“, kündigt Piel an.
In Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Bremen hat auch die SPD in Aussicht gestellt, gemeinsam mit den Grünen mit Nein zu stimmen.
Die schwarz-grüne Regierung von Hessen wird sich nicht einig
Auch die hessischen Grünen, die in Wiesbaden mit der CDU regieren, werden dieses Mal aller Voraussicht nach auf eine Enthaltung im Bundesrat dringen. Das letzte Asylpaket hatten sie noch mitgetragen, doch dieses Mal meldet der Landesverband Einspruch an: In einem Beschluss vom Wochenende kritisiert der Landes-Parteirat den vorliegenden Gesetzentwurf als unzureichend. Die Bundesregierung habe bisher nicht nachweisen können, auf welcher Grundlage sie Algerien, Marokko und Tunesien als „sicher“ einschätze. Berichte von Menschenrechtsorganisationen gäben Anlass zur Sorge. Zum anderen üben die Grünen Kritik an der „bisher nicht vorhandenen Bereitschaft der Bundesregierung zu ernsthaften Gesprächen“.
Am Donnerstag will Merkel noch mal mit Ministerpräsidenten verhandeln
Auch in anderen Landesverbänden sorgt es für Erstaunen, dass es bisher kein offizielles Verhandlungsangebot der Regierung gegeben hat. „Die sind erst jetzt aufgewacht“, heißt es in der Partei. Das Kanzleramt habe offenbar erst auf den letzten Metern gemerkt, wie groß der Widerstand bei den Grünen sei.
Am Donnerstag treffen sich die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), bis dahin sind noch Gespräche möglich. Doch dass es in dieser Zeit zu einem Kompromiss kommen könnte, der am Freitag die nötigen Stimmen im Bundesrat bringt, gilt bei den Grünen als unwahrscheinlich.
So bleiben am Ende vermutlich zwei Varianten: Der Bundesrat kann die Entscheidung noch einmal vertagen. Oder: Für den Fall, dass der Gesetzentwurf gestoppt wird, kann die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen. Die Verhandlungen würden dann wieder neu eröffnet. (mit AFP)