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Gregor Gysi
© AFP

Gregor Gysi und die Stasi: Geschenk für den "Notar"

Eine IM-Tätigkeit für die Stasi hat Gregor Gysi stets abgestritten. Über seine Kontakte zum DDR-Geheimdienst gibt es dennoch notwendigen Streit.

Der Linken-Politiker Gregor Gysi kann die Debatte über seine Kontakte zum DDR-Staatssicherheitsdienst nicht eindämmen. Sowohl der „Spiegel“ als auch die „Welt am Sonntag“ veröffentlichten jetzt bisher unveröffentlichte Stasi-Dokumente, die nach ihrer Darstellung Gysi „zusätzlich unter Druck“ setzen und den Verdacht gegen ihn „erhärten“. Und ziehen den Schluss, dass der Politiker für seine Partei im „Wahljahr zur Belastung“ werde. Sprecher der Linken wiesen die Vorwürfe zurück.

Der „Spiegel“ veröffentlichte einen Ausriss aus einem Stasi-Dokument vom 20. Januar 1985, wonach der IMS (Inoffizielle Mitarbeiter Sicherheit) „Notar“ zu einer handverlesenen Schar von Ausgezeichneten gehören sollte, die zum 35. Jahrestag der Stasi-Gründung mit Abzeichen, Münzen oder Münzkassetten ausgezeichnet werden sollten. Für das Magazin ein „schlagendes Indiz dafür, dass sich hinter dem Tarnnamen tatsächlich eine reale Person verbarg“. Wenn dem so wäre, „hätte Gysi die Unwahrheit gesagt, er wäre kaum mehr tragbar“. Der Linken-Politiker argumentiert bisher, unter „Notar“ habe der Geheimdienst alle möglichen Erkenntnisse aus verschiedenen Quellen abgelegt. In Gysis Umfeld hieß es am Sonntag, die „Spiegel“-Vorwürfe seien „einfach Quatsch“: „Er war nicht IM Notar.“ Die stellvertretende Parteisprecherin Marion Heinrich erklärte: „Es gibt für Gregor Gysi nicht den geringsten Grund, von seinen bisherigen Angaben abzuweichen, die sich regelmäßig als wahr herausgestellt haben. Gregor Gysi hat nie irgendwelche Geschenke, Auszeichnungen, Urkunden, Orden oder Geld vom MfS erhalten.“

Auch die neuen Vorwürfe der „WamS“ werden von der Linken als „ganz dünn“ belegt abgetan. Das Blatt bezieht sich auf Vermerke des DDR-Geheimdienstes zu Gysis Stasi-Kontakten im Jahr 1989. Die Zeitung formuliert recht vorsichtig, demnach „soll sich Gysi“ im Oktober des Wendejahres mit einem Stasi-Leutnant getroffen haben, auch über Mandanten berichtet haben, „ohne dabei allerdings Namen zu nennen“. Gysis Pressesprecher Hendrik Thalheim erklärt auch zu diesem Sachverhalt, sein Chef habe „nicht den geringsten Grund, von seinen bisherigen Angaben abzuweichen, die sich regelmäßig als wahr herausgestellt haben“.

Zudem veröffentlicht die „WamS“ einen Stasi-Vermerk „Information zu internationalen Aktivitäten des Vorsitzenden des Kollegiums der Rechtsanwälte Berlin, Dr. Gysi“, wonach der über eine Einladung der Fernsehjournalistin Lea Rosh als Talkgast in die ARD-Sendung „Drei nach neun“ berichtet habe. „Für die Staatssicherheit waren derartige Informationen wertvoll, sie konnten für operative Maßnahmen genutzt werden“, heißt es dazu in der „WamS“.

Belastend für die Linkspartei dürfte sein, dass der DDR-Korrespondent des „Spiegel“, Ulrich Schwarz, Gysi angreift. Schwarz war einer der beiden Redakteure des Magazins, die Gysi im Februar 1989 interviewt hatten; über dieses Interview hatte sich der Chef des DDR-Rechtsanwaltskollegiums anschließend mit zwei Stasi-Offizieren unterhalten. Für Schwarz ist das ein klarer Widerspruch zur eidesstattlichen Versicherung von Gysi aus dem Jahr 2012, wonach dieser „zu keinem Zeitpunkt wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet“ haben will. „In seiner eidesstattlichen Versicherung steht Unsinn, die Aktenlage widerlegt Gysi“, sagte Schwarz der „WamS“: „Er hat der Stasi über Personen berichtet, beispielsweise über mich.“ Gysi sei dieses Mal „beim Schwindeln ertappt worden“. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt seit vergangenem Jahr in dieser Sache.

Gysi und seine Genossen hatten sich viele Jahre lang darauf konzentriert, nur den IM-Vorwurf gegen ihren Vormann abzuwehren – um andere Kontakte zum Geheimdienst ging es erstmal nicht. Im Juni 1992 veröffentlichte die PDS/Linke Liste im Bundestag als „Versuch einer Aufklärung“ eine 60-seitige Dokumentation, nachdem die Berliner Umweltbibliothek Vorwürfe gegen Gysi erhoben hatte. Gysi wunderte sich damals, dass für seine Kritiker „völlig ohne Belang“ sei, ob er IM der Stasi gewesen sei oder nicht. Diese „Belanglosigkeit“, schrieb er, ergebe sich für die Autoren „nur daraus, dass sie den Vorwurf nicht aufrechterhalten können“. Drei Jahre später gab die PDS im Bundestag eine weitere Materialsammlung zum Fall Gysi heraus. Im Geleitwort schrieb PDS-Chef Lothar Bisky: „Beweise für eine IM-Tätigkeit gibt es nicht.“ Er lobte Gysi als „politischen Anwalt für Menschen, die ebenso zu ihren sozialistischen Werten wie zu ihren Biographien stehen wollten“.

Weitere 18 Jahre später ist die Linke überzeugt, dass die meisten Wähler von der „gefühlt hundertsten Debatte zum Thema“ nichts mehr hören wollen, wie es Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn formuliert. Für diese sei „das längst abgehakt“, sagte Höhn. Die Formulierung von Parteichefin Katja Kipping, die nach den Ermittlungen gegen Gysi vor einem "Abschlag bei der Würde" der Ostdeutschen gewarnt hatte, wiederholte Höhn nicht. Er sagte, Gysi sei „unser bester Mann, das nervt die anderen“.

Matthias Meisner

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