Vorwürfe gegen Gysi: Heureka, ein Spitzel
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gregor Gysi wegen Verdachts der eidesstattlichen Falschaussage. Eindeutig klären lassen sich die Stasi-Vorwürfe allerdings kaum. Helfen könnte jetzt vor allem der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde.
Gregor Gysi muss man nicht verteidigen, er kann das selbst ganz gut. Und weil seine Linken jeden Stasi-Vorwurf zum Großangriff auf die Würde der Ostdeutschen umdeklarieren, wird der gleichauf mit Angela Merkel begabteste Politiker aus der DDR von den neuesten Enthüllungen wesentlich weniger mitgenommen sein als von seinem Skiunfall. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Verdachts der eidesstattlichen Falschaussage. Zurücktreten muss er nicht, er ist nicht Präsident des Landes. Zudem gehören Stasi-Vorwürfe gegen Gysi jetzt seit über zwei Jahrzehnten zur Politfolklore.
Trotzdem: Ist er ein Lügner? Ein pensionierter Richter hatte ihn angezeigt, weil sich aus dessen Sicht eine im Prozess mit dem NDR abgegebene Erklärung Gysis nicht mit einem später aufgetauchten Stasi-Protokoll über ein Gysi-Gespräch mit Journalisten deckt. Der Mann ist vom Fach und wird deshalb wissen, dass die Ermittler Gysis Erklärung vor dem Hintergrund des damaligen Rechtsstreits bewerten müssen. Eine eidesstattliche Versicherung muss nicht schon deshalb in strafbarer Weise falsch sein, weil der, der sie abgab, irgendwo und irgendwann in seinem Leben mal etwas anderes gesagt oder getan hat. Wenn Gysi damals beteuern wollte, er habe nie Mandanten oder sonst jemanden an die Stasi verraten, widerspricht das noch nicht zwingend der Tatsache, dass er Stasi-Offizieren von Kontakten mit West-Journalisten erzählt hat.
Oder doch? Das werden jetzt die Staatsanwälte klären. Selbst wenn Gysi dafür rechtskräftig verurteilt werden sollte und seine damalige Versicherung, niemals wissentlich und willentlich an die Stasi berichtet zu haben, im konkreten Fall falsch war – bedeutete das im Umkehrschluss, dass Gysi spitzelte? Man mag es dann behaupten, Gysi würde wieder einen neuen Rechtsstreit führen, und wenn er bei guter Gesundheit bleibt, ist irgendwann das dritte Jahrzehnt um.
Wenn die Schwarzweißdenker in dieser Republik also wirklich eine Stasi- Schublade brauchen, um Gysi dauerhaft dahinein zu entsorgen, kann eigentlich nur ein Mann Abhilfe schaffen: Roland Jahn. Das Hamburger Landgericht hat im Januar dankenswerterweise klargestellt, dass gegen die von seiner Unterlagenbehörde offiziell erhobenen Spitzelvorwürfe der Weg vor die Verwaltungsgerichte beschritten werden muss.
Der Chef müsste sich also wie ehemals Marianne Birthler hinstellen und Gysi als Spitzel anprangern. Am besten schriftlich mit Behördensiegel. Klagt Gysi dann, könnte die Angelegenheit als öffentlich-rechtliche Streitigkeit bis zur letzten Instanz geführt und dort abschließend geklärt werden. Sollte die Behörde gewinnen, dürfte ihre Erkenntnis nach neuester Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ungeprüft weiterverbreitet werden, und wir alle dürften endlich im Chor rufen: Heureka, Gysi war ein Spitzel.