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Afrikanische Flüchtlinge sitzen auf einem Zaun, der Marokko von der spanischen Enklave Melila trennt.
© dpa

Einwanderung: Geld gegen keine Flüchtlinge? Das geht nicht auf

Warum Afrika eine rationale europäische Migrationspolitik braucht - und Europa noch viel dringender. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Nicht jedes Problem lässt sich mit Geld lösen. Und schon gar nicht lassen sich Menschen, die ihr Glück woanders suchen wollen, von Geld für ihre womöglich korrupten Regierungen aufhalten. Das ist aber bisher die europäische Strategie gegen eine immer wieder beschworene Migrationsbewegung aus dem jungen Kontinent Afrika in den alten Kontinent Europa.

Die Europäische Union und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bieten den Regierungen, die Migranten zurücknehmen und sich darum bemühen, ihre Bürger im Land zu halten, Entwicklungsinvestitionen an. Geld gegen keine Leute, lautet der Deal. Den nehmen die Regierungen gerne an. Denn sie wissen: Sie können die Jugend ohnehin nicht aufhalten. Der Vize-Regierungschef der somalischen Übergangsregierung, Mohamed Omer Arteh, hat dem Evangelischen Pressedienst vor wenigen Tagen gesagt: „Wir sind Nomaden.“ Die Afrikaner hätten keinen so dogmatischen Ansatz in Sachen Migration wie die Europäer.

Die EU bezahlt afrikanische Regierungen, damit sie Flucht verhindert

Tatsächlich trägt das europäische Geld in vielen Fällen sogar dazu bei, dass Menschen flüchten müssen. Das gilt ganz sicher für das Geld, das die EU über die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Sudan für die Grenzsicherung an der Grenze zu Eritrea ausgibt. Seit 2013 hat die Fluchtbewegung aus Eritrea stark zugenommen. Von 2009 bis 2013 registrierten die Nachbarländer Äthiopien und der Sudan jeweils rund 10 000 Eritreer im Jahr, die ihr durchmilitarisiertes Land verließen. Seit 2014 sind es drei Mal so viele. Im Oktober hat die regionale Sicherheitsallianz Igad monatlich bis zu 1000 Eritreer registriert, die vor dem ewigen Militärdienst und der Repression im Land geflüchtet sind.

Die Eritreer zahlen den höchsten Preis

Dass die Eritreer es überhaupt auf die Schiffe nach Italien schaffen – dort ist ihre Zahl ebenfalls sprunghaft angestiegen –, ist fast ein Wunder. Denn keine andere Flüchtlingsgruppe zahlt einen höheren Preis auf der Flucht. Auf der Sinaihalbinsel auf dem Weg nach Israel, aber auch im Sudan auf dem Weg nach Ägypten sind hunderte, womöglich tausende Eritreer entführt und gefoltert worden. Erst wenn ihre Angehörigen – oft im Westen, denn die eritreische Diaspora ist groß und überall auf der Welt angekommen – Lösegeld gezahlt haben, kommen sie weiter. Die Verwandten in Europa, den arabischen Emiraten oder den USA sind auch diejenigen, die dann noch einmal zahlen müssen, damit die Flüchtlinge ihre Schlepper bezahlen können. Sehr viele der im Mittelmeer vermissten Flüchtlinge sind Eritreer. Mit dem Geld für den Sudan und dem Versuch, auch mit Eritrea wieder direkt zu kooperieren, werden Regime stabilisiert, die mit ihrer Repression gegen jede Opposition eine Vielzahl von Fluchtursachen schaffen.

Der Wohlstandsgraben zwischen Afrika und Europa ist tief

Aber auch die Vorstellung, die Lebensbedingungen in Afrika müssten nur besser werden, dann würden die Afrikaner bleiben, wo sie sind, ist ziemlich naiv. Der Wohlstandsgraben zwischen den meisten afrikanischen Staaten und den meisten europäischen Staaten ist so tief, dass es Jahrzehnte dauerhafter hoher Investitionen bedürfte, um die Lebensbedingungen auf dem Nachbarkontinent denen in Europa so ähnlich zu machen, dass zumindest die Not kein Motiv mehr wäre. Tatsächlich führt aber gerade die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen zehn Jahre, in denen die Volkswirtschaften in Afrika stark gewachsen sind, dazu, dass mehr Menschen in der Lage sind, den Weg nach Europa überhaupt zu suchen.

Die Ärmsten flüchten nicht

Die Ärmsten können nicht flüchten, nicht einmal vor Naturkatastrophen, die im Klimawandel immer öfter vorkommen. Wer flüchten kann, hat etwas Geld, ist gebildet, jung und gesund. Und wie alle gut ausgebildeten, tatkräftigen jungen Menschen – übrigens auch in Europa, siehe Spanien, Griechenland oder Irland in der Finanzkrise – suchen auch die Afrikaner eine berufliche Herausforderung und wirtschaftlichen Erfolg da, wo er möglich scheint. Und das ist in den politischen Ökonomien Afrikas oft nicht auf dem Kontinent.

Eine rationale Einwanderungspolitik könnte helfen

Wer die Migrationsprobleme mit Afrika in den Griff bekommen will, kommt nicht darum herum, eine rationale Einwanderungspolitik zu betreiben. Über das Asylrecht als letzten begrenzten Zugangsweg nach Deutschland lässt sich Migration nicht steuern. Wer will, dass Senderländer in Afrika und Empfängerländer in Europa etwas davon haben, dass es eine größer werdende beruflich erfolgreiche Mittelschicht in Afrika gibt, muss legale Zugangswege nach Europa schaffen. Dann können die jungen Afrikaner sich in den alternden europäischen Volkswirtschaften beweisen – und sie können Milliarden Dollar in ihre Heimatländer schicken, dort investieren – und womöglich zurückkehren.

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