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Bringen elektronische Fußfesseln mehr Sicherheit? Die Bundesregierung hofft das, Experten zweifeln.
© Susann Prautsch/dpa

Gesetzentwurf zu Fußfesseln: Gegen Terrorismus hilft nur Besonnenheit

Ist Deutschland eine sicherheitspolitische Ruine? Das Versagen im Fall Amri ist eher die Ausnahme als die Regel. Doch der Plan der Regierung zur Einführung von Fußfesseln ist bedenklich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Die deutschen Sicherheitsbehörden leisten gute Arbeit. In Hessen wurde gestern bei einer Großrazzia ein mutmaßlicher Terrorist festgenommen. Der 36-Jährige soll an einem Anschlag in Tunesien beteiligt gewesen sein und einen Anschlag in Deutschland geplant haben. In Berlin nahmen die Behörden drei Männer fest, die im Verdacht stehen, Kämpfer in die IS-Kampfgebiete geschleust zu haben. Und in Ratingen wurde ein Rechtsradikaler festgenommen, der vor 16 Jahren in Düsseldorf eine Rohrbombe gezündet haben soll.

Die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden ist gut – das ist gerade nach dem Fall Anis Amri wichtig zu betonen.

Die neue Rechte wird nicht müde, Deutschland als sicherheitspolitische Ruine darzustellen und den Regierenden die Schuld für die Terroranschläge des Jahres 2016 in die Schuhe zu schieben. Wie maßlos überzogen diese Kritik ist, zeigen diese Verhaftungen – wie auch die Festnahmen und vereitelten Anschläge im Jahr 2015.

Richtig ist: Amri war zu lange auf freiem Fuß, ihm konnten keine Anschlagspläne nachgewiesen werden, das geltende Ausländerrecht wurde womöglich, so vermutet der Innenminister selbst, nicht konsequent genug angewandt, Behördenvertreter schätzten sein Gefahrenpotenzial falsch ein. Doch die neuerlichen Festnahmen erinnern daran: Das Versagen im Fall Amri ist eher die Ausnahme als die Regel.

Die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden ist gut – das ist auch deshalb wichtig zu betonen, um nicht das Gefühl dafür zu verlieren, welche neue Sicherheitspolitik Deutschland braucht und vor allem: wie viel davon. Es ist wichtig zu betonen, um nicht das Gefühl dafür zu verlieren, was funktioniert – und was nicht.

Symbolpolitik führt nicht zu mehr Sicherheit

Am gestrigen Mittwoch beschloss das Bundeskabinett in Berlin einen Gesetzentwurf von Innenminister Thomas de Maizière und Justizminister Heiko Maas. Halten die Behörden einen Anschlag für möglich, sollen sie den sogenannten Gefährdern elektronische Fußfesseln verordnen können. Der Bund geht dabei voraus, die Länder sollen folgen, forderte de Maizière.

Das ist jene Sorte rechtsstaatlich bedenkliche Symbolpolitik, die Deutschland nicht braucht. Sicherheitsexperten zweifeln an der Wirksamkeit. Darüber hinaus gibt es rechtsstaatliche Zweifel. Zum „Gefährder“ wird man nicht durch einen Richterspruch, sondern durch eine Behördeneinschätzung. Es werden mit der Fußfessel also Personen ohne Richterspruch in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.

Deutsche Terrorabwehr steht bisher für Maß und Mitte

Gerade im Vergleich zu seinen Nachbarn und internationalen Partnern hat Deutschland bislang in der Terrorabwehr insgesamt Maß und Mitte gewahrt und besonnen reagiert. Die Deutschen konnten lernen aus der zersetzenden Wirkung der Rechtsstaatbeugung in den USA, aus den britischen Debatten um die anlasslose Internierung von Terrorverdächtigen und dem noch immer andauernden Dauerausnahmezustand in Frankreich: nämlich, dass gerade drakonische Maßnahmen, wie auch Donald Trump sie jetzt neu auflegt, nicht viel bringen.

Die Sicherheitsbehörden, auch das zeigen die Festnahmen, sind dann am besten, wenn sie neue Technologien verantwortlich nutzen, sich gut koordinieren, auch international, und ausreichend Personal für klassische Ermittlungs- und Überwachungsarbeit zur Verfügung haben. Es gibt Grund zur Zufriedenheit.

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