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Großrazzia wegen Terrorverdachts in Hessen: Mehr als 1000 Polizisten im Einsatz
© dpa/Boris Roessler
Update

Kampf gegen Terrorismus: Eine Festnahme bei Großrazzia gegen Terrorverdächtige in Hessen

In Hessen haben Ermittler Wohnungen, Büros und Moscheen durchsucht. Im Visier waren radikale Islamisten. Auch in Nürnberg wurde ein Verdächtiger festgenommen.

Der Aufwand wirkt gewaltig, scheint aber der Gefahr angemessen zu sein. Mit den Razzien und Festnahmen in Hessen und Berlin haben Polizei und Staatsanwaltschaften offenbar Aktivitäten von Anhängern der Terrormiliz „Islamischer Staat“ gestoppt. Vor allem die Geschichte in Hessen klingt dramatisch. Der dort festgenommene, 36 Jahre alte Tunesier ist offenbar eine größere Nummer beim IS. Nach Erkenntnissen der tunesischen Behörden war er an der Vorbereitung von zwei verheerenden Terrorangriffen beteiligt. In der Bundesrepublik soll er ebenfalls einen Anschlag geplant haben. Schaut man sich an, was dem Mann in Tunesien vorgeworfen wird, ist zu ahnen, was er in Deutschland hätte anrichten können.

Der Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis und der Angriff Dutzender Kämpfer des IS auf die Grenzstadt Ben Guerdane haben das nordafrikanische Land schockiert und massiv und sogar global geschädigt. Der Tourismus in Tunesien liegt am Boden, westliche Urlauber bleiben weitgehend aus. Bei der Attacke auf das Bardo-Museum am 18. März 2015 schossen zwei Dschihadisten um sich und töteten 22 Touristen aus Italien, Frankreich, Polen, Spanien, Russland, Großbritannien, Belgien sowie aus Japan, Australien und Kolumbien. Erst nach stundenlangem Feuergefecht konnten tunesische Polizisten die Mörder stellen. Sie starben im Kugelhagel.

Die Attacke von mehr als 60 IS-Kämpfern auf die Stadt Ben Guerdane mit ihren 80 000 Einwohnern zeugt zudem von der Strategie der Terrormiliz, von Libyen aus Nachbarstaaten ebenfalls ins Chaos zu stürzen. Die Terroristen, darunter offenbar Tunesier aus Ben Guerdane, töteten gezielt den Chef der örtlichen Anti-Terror-Brigade. Dann folgten Schusswechsel mit Soldaten und Polizisten. Immerhin gelang es den Sicherheitskräften, die meisten Angreifer zu töten. Doch das schon leidgeprüfte Tunesien wurde mit einer neuen Qualität des Terrors konfrontiert.

Bonner Polizei nimmt Terrorverdächtigen bei Nürnberg fest

Auch in der Nähe von Nürnberg wurde am Mittwoch ein Terrorverdächtiger verhaftet. Die Bonner Polizei hat in Burgthann einen 31 Jahre alten Terrorverdächtigen festgenommen. Der Mann soll von Dezember 2013 bis Januar 2014 in Syrien Mitglied der radikal-islamischen Terrormiliz „Junud al-Sham“ (Soldaten Syriens) gewesen sein, wie die Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilte. Er soll in dem Bürgerkriegsland eine Waffenausbildung erhalten und Wachdienste für die Miliz geleistet haben.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur kommt der Beschuldigte aus Bonn. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte Haftbefehl erlassen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur beziehen sich die Vorwürfe auf seine Zeit in Syrien. Der Beschuldigte sollte am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden. Zudem durchsuchten Ermittler drei Objekte in Bonn und im rheinland-pfälzischen Neuwied.

Verdächtiger war nicht als Gefährder eingestuft worden

Der 36-jährige Tunesier, der in Hessen verhaftet wurde, saß deshalb zwischenzeitlich in Deutschland schon in Auslieferungshaft. Weil bis zum Ende der Frist die tunesischen Behörden nicht die vollständigen Auslieferungsunterlagen vorgelegt hätten, sei der Mann am 4. November 2016 aus der Haft entlassen worden und von da an bis zu seiner Festnahme am Mittwoch rund um die Uhr observiert worden. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden reiste der Verdächtige im August 2015 als Asylbewerber nach Deutschland ein. Der Tunesier habe aber bereits zwischen 2003 und April 2013 in der Bundesrepublik gelebt. Er sei nicht als Gefährder eingestuft worden, sagte Innenminister Peter Beuth in einer Pressekonferenz am Mittwoch.

In einer Pressekonferenz in Wiesbaden am Mittwoch sagte Max Weiß, Pressesprecher hessisches Landeskriminalamt: Über 100 Polizisten waren tagelang 24 Stunden im Einsatz. Es sei wichtig, das gesamte Netzwerk lahmzulegen und nicht nur gegen Einzelpersonen zu ermitteln. Gegen die Beschuldigten wird wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung ermittelt.

Anwerber und Schleuser für den IS

Die Durchsuchungen richteten sich nach Angaben der Oberstaatsanwaltschaft gegen 16 Beschuldigte zwischen 16 und 46 Jahren. Gegen den 36 Jahre alten Tunesier wurde bereits am vergangenen Donnerstag Haftbefehl erlassen. Am frühen Mittwochmorgen konnten Beamte den Mann festnehmen. Er soll als Anwerber und Schleuser für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) tätig gewesen sein. Er habe ein Terrornetzwerk aufbauen wollen, um einen Anschlag zu verüben.

Es habe kein konkretes Anschlagsziel gegeben, sagte ein Sprecher der Landespolizei. Die Planung sei noch in einer frühen Phase gewesen. Durchsucht wurden unter anderem Wohnungen, Geschäftsräume und Moscheen.

"Mit den Maßnahmen senden wir eine deutliche Botschaft an die radikalen Islamisten in Hessen: Wir haben die Szene fest im Blick“, teilte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) mit. Nach Angaben des Ministeriums waren mehr als 1100 Polizeibeamte an den Durchsuchungen beteiligt. Sie durchsuchten Objekte in Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Limburg und Wiesbaden sowie in den Kreisen Offenbach, Groß-Gerau, Marburg-Biedenkopf und Main-Taunus.

Am Dienstagabend hatte die Polizei in Berlin drei Terrorverdächtige festgenommen. (tsp, AFP, dpa)

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