Droht ein neuer Krieg?: Gefechte an der Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien
Seit vergangener Woche bekämpfen sich Aserbaidschan und Armenien wieder. Es sind die schwersten Gefechte seit 2016 – der alte Konflikt könnte neu entbrennen.
Nur für einen Tag fielen keine Schüsse, die Nacht war ruhig. Doch am Donnerstag kam es an der Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien wieder zu Gefechten, seitdem schaukelt sich der Konflikt zwischen den alten Rivalen hoch. Es sind die schwersten Kämpfe seit 2016, als aserbaidschanische Panzer die Unruheregion Berg-Karabach angriffen.
Am frühen Donnerstagmorgen soll die aserbaidschanische Armee an der nördlichen Grenze „armenische Dörfer mit Mörsergranaten und Haubitzen“ beschossen haben, behauptet das armenische Verteidigungsministerium in Eriwan.
Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium erklärte hingegen, die Kämpfe nahe der Grenze seien ausgebrochen, nachdem die Armenier „aserbaidschanische Dörfer mit großkalibrigen Waffen“ beschossen hätten. Welche Version stimmt, ist unklar.
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen begannen am Sonntag, den 12. Juli, in der Region Tawusch, einer Provinz im Nordosten Armeniens. Zwei aserbaidschanische Soldaten sind dabei getötet worden, fünf weitere wurden verletzt. Auch die armenische Regierung beklagte in einer Mitteilung „Verluste“. Wer für die Initialzündung verantwortlich war, ist – auch an dieser Stelle – ungeklärt.
Beide verfeindeten Länder beschuldigen sich gegenseitig, die Kämpfe am vergangenen Sonntag ausgelöst zu haben. Aserbaidschan behauptet, die armenischen Streitkräfte hätten eine Offensive gestartet, „unterstützt von Artilleriefeuer“. Die armenische Version wirft dem Nachbarland vor, armenische Stellungen mit einem „Artillerieangriff“ einnehmen zu wollen.
Neue Kämpfe, alter Konflikt
An der heute unabhängigen Region Berg-Karabach entbrannte vor fast 30 Jahren ein Konflikt zwischen den beiden Kaukasus-Ländern. Sie wird mehrheitlich von Armeniern bewohnt, war zu Zeiten der Sowjetunion aber Aserbaidschan zugeteilt worden.
Pro-armenische Rebellen brachten das Gebiet Ende der 80er Jahre, nach Zusammenbruch der UdSSR, unter ihre Kontrolle. 1991 rief Berg-Karabach seine Unabhängigkeit aus, international wird das Gebiet jedoch bis heute nicht als eigenständiger Staat anerkannt.
Demonstranten fordern Militäroffensive
Mittlerweile sind dutzende Menschen auf beiden Seiten getötet worden. Auf aserbaidschanischer Seite seien zwei ranghohe Offiziere, darunter ein General, gestorben, teilte das Verteidigungsministerium in Aserbaidschans Hauptstadt Baku mit.
Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev hatte vor ein paar Tagen kritisiert, die Gespräche zur Beilegung des Konflikts um Berg-Karabach seien festgefahren. In diesem Zusammenhang schloss er einen neuen militärischen Konflikt mit Armenien nicht aus.
In der Nacht zum Mittwoch versammelten sich in Aserbaidschans Hauptstadt Baku tausende Demonstranten und forderten eine Militäroffensive gegen Armenien. In Sprechchören verlangten sie einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP zufolge die Rückeroberung Berg-Karabachs und schwenkten aserbaidschanische Flaggen. Damit widersetzten sich die Menschen auf der Straße einer Ausgangssperre wegen der Corona-Pandemie.
Einige der Protestteilnehmer liefen zum Parlament und drangen in das Gebäude ein. Daraufhin griff die Polizei ein und löste die Proteste mit Wasserwerfern und Knüppeln auf. Es gab mehrere Festnahmen, wie der AFP-Reporter beobachtete.
Bei den Gefechten sind auch Zivilisten verletzt worden, mindestens eine Person wurde getötet. Auch Häuser aserbaidschanischer Zivilisten wurden zertrümmert. Ein Foto zeigt eine Frau, die im Schutt ihres zerstörten Hauses in der Grenzregion Tawusch steht.
Die Rolle Russlands und der Türkei
Russland rief beide Seiten zu Beginn der Woche zur Zurückhaltung auf. Eine weitere Eskalation könne die Sicherheitslage der Region bedrohen, teilte das russische Außenministerium mit. Das wäre nicht zu akzeptieren. Russland sei bereit, Hilfe zur Stabilisierung der Situation zu leisten.
Armenien setzt im Konflikt auf Russland als Schutzmacht. Schließlich sind in dem Land nahe der türkischen Grenze tausende russische Soldaten und Waffen stationiert, in der Vergangenheit lieferte Russland jedoch Waffen an beide Länder. Angeblich sollen in der Grenzregion zudem russische Kampfflugzeuge gesichtet worden sein – möglicherweise ein Zeichen an die Türkei, mit der Russland bereits in Syrien und in Libyen Konflikte austrägt.
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Die Türkei verurteilte den „Angriff der armenischen Streitkräfte“. Dieser sei eine „weitere Manifestation des aggressiven Nationalismus Armeniens“, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Ankara. „Die Türkei wird Aserbaidschan weiter mit all ihren Möglichkeiten im Kampf um den Schutz seiner territorialen Integrität zur Seite stehen.“
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev dankte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für den „Beistand“, die strategische Allianz beider Staaten sorge für Sicherheit in der Region. Die Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei sind wegen des Völkermords an den Armeniern, der von der türkischen Regierung immer noch geleugnet wird, belastet.
Das Auswärtige Amt ist „sehr besorgt“
Gerade sinken die Aussichten darauf, dass der Konflikt um die Region gelöst werden wird. Auch die internationale Gemeinschaft hat die Entwicklung registriert.
Das Auswärtige Amt sagte der Deutschen Welle auf Anfrage, es sei „sehr besorgt über die Bericht über Kampfhandlungen und Waffenstillstandsverletzungen an der internationalen Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan." Es rief beide Seiten auf, die Kampfhandlungen sofort einzustellen und auf weitere Provokationen zu verzichten.
Doch die Entwicklung des Konflikts dürfte maßgeblich von den Reaktionen Russlands und der Türkei abhängen. (mit AFP, dpa)
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