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Ein Kämpfer in einem Dorf in Berg-Karabach.
© Reuters

Armenien und Aserbaidschan: Trügerische Ruhe in Berg-Karabach

Kanzlerin Angela Merkel mahnt beim Besuch des armenischen Präsidenten Sersch Sargsjan eine Lösung des Konflikts an.

Die Kämpfe um Berg-Karabach haben einen fast vergessenen Konflikt im Kaukasus wieder in Erinnerung gerufen. Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach am Mittwoch, Deutschland werde während des Vorsitzes in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bei der Konfliktlösung „in besonderer Weise“ helfen.

„Es ist von großer Wichtigkeit, dass Konflikte auch wirklich gelöst werden“, sagte die Kanzlerin nach einem Treffen mit dem armenischen Präsidenten Sersch Sargsjan. Der Streit um Berg-Karabach gilt als „eingefrorener Konflikt“. Am Wochenende waren dort die schwersten Kämpfe seit mehr als zwei Jahrzehnten ausgebrochen, mindestens 60 Menschen wurden getötet. Am Dienstag wurde eine Waffenruhe vereinbart, die zunächst offenbar weitgehend hält. Man müsse „alles tun, damit nicht weiter Blut vergossen wird und Menschen ihr Leben verlieren“, mahnte Merkel.

Im Jahr 1994 hatten sich die beiden Nachbarn nach einem Krieg, in dem mehr als 30 000 Menschen getötet worden waren, auf einen Waffenstillstand verständigt. Aber einen Friedensvertrag gibt es auch mehr als zwei Jahrzehnte später nicht. Die kleine Region Berg-Karabach ist zwischen Armenien und Aserbaidschan umstritten. Sie wird überwiegend von Armeniern bewohnt.

Aserbaidschan hat keine Kontrolle über das Gebiet

Völkerrechtlich gehört Berg-Karabach zu Aserbaidschan, doch de facto hat die Regierung in Baku keine Kontrolle über das Gebiet, in dem von Armenien unterstützte Separatisten eine eigene Republik ausgerufen haben. Diese wird international nicht anerkannt, nicht einmal von der Führung in Jerewan. Während des Krieges besetzte Armenien auch große Gebiete rund um Berg-Karabach, um eine Art Pufferzone und eine Landverbindung zu schaffen.

Neben dem Krieg in der Ukraine wird nun auch Berg-Karabach zum diplomatischen Problem für den deutschen OSZE- Vorsitz, den Außenminister Frank-Walter Steinmeier innehat. Denn die so genannte Minsk-Gruppe der OSZE, die von den USA, Russland und Frankreich geleitet wird, bemüht sich seit langem vergeblich um eine Lösung des Konflikts.

„Im letzten Jahr haben wir sehr, sehr wenige Fortschritte gesehen“, sagte Merkel zu dem Verhandlungsprozess. Derzeit scheint keine der beiden Seiten bereit, in dem Konflikt Kompromisse einzugehen. Auch Steinmeier traf sich am Mittwoch mit Sargsjan – mit einer deutlichen Botschaft. „Wer nur darauf setzt, den gegenwärtigen Status Quo beizubehalten, riskiert, dass sich in unregelmäßigen Abständen immer wieder gewaltsame Eruptionen ereignen“, mahnte der Außenminister.

Armeniens Präsident gibt Aserbaidschan Schuld an Kämpfen

Sargsjan gab der aserbaidschanischen Seite die Schuld an der jüngsten Eskalation. „Die Aserbaidschaner haben entlang der ganzen Kontaktlinie Kriegshandlungen begonnen“, sagte er in Berlin. Der Präsident warf der Führung in Baku vor, vertrauensbildende Maßnahmen in der Vergangenheit kategorisch abgelehnt zu haben. „Das Volk Berg Karabachs will keinen Krieg“, sagte der armenische Präsident. Es wolle lediglich über das eigene Schicksal selbst verfügen und sei geradezu gezwungen, für seine Freiheit zu kämpfen. Aserbaidschan beschuldigt seinerseits Armenien, für die Eskalation verantwortlich zu sein. Die Kanzlerin kommentierte die Darstellung ihres Gastes auch auf Nachfrage nicht. Im Juni will sie in Berlin Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew treffen.

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