Linkspartei: Gedenkstein des Anstoßes
Die Linken-Führung hat sich einhellig für ein Gedenken an Opfer des Stalinismus ausgesprochen. Doch die Entscheidung, an der Parteizentrale eine Gedenktafel aufzuhängen, missfällt einigen Genossen.
Soll keiner sagen, das Gedenken an die Geschichte sei nicht von langer Hand vorbereitet worden. „Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System“, versicherte der Philosophie-Professor Michael Schumann im Dezember 1989 auf dem Parteitag der SED/PDS. Sechs Jahre später erklärte der damalige Parteichef Lothar Bisky, es sei „auch Pflicht, jene zu ehren, die von Stalin umgebracht wurden, zumal wir die einzigen sein werden, die den zahlreichen kommunistischen Opfern wenigstens ein geistiges Denkmal setzen werden“. Und 2010 machte ein Arbeitskreis der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BDA) den Vorschlag, an der Linken-Zentrale am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz, dem Ex-Hauptquartier der KPD, eine Tafel anzubringen: „Antifaschisten wurden Opfer eines beispiellosen Verbrechens, begangen im Namen des Kommunismus.“
Jetzt – endlich, wie viele Genossen meinen – ist die Führung dem gefolgt. Anfang März entschied der geschäftsführende Linken-Vorstand einstimmig, eine Tafel am Parteihaus aufzuhängen zum „ehrenden Gedenken“ an Tausende von Kommunisten und Antifaschisten, „die in der Sowjetunion zwischen den 1930er und 1950er Jahren willkürlich verfolgt, entrechtet, in Straflager deportiert, auf Jahrzehnte verbannt und ermordet wurden“.
Doch das Vorstandsvotum verursacht Ärger. Die Kommunistische Plattform wirbt für den Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde als alternativen Gedenkort: „Eine Art Moratorium wäre vernünftig.“ Auch der von Hans Modrow geleitete Ältestenrat der Linken fordert, die Tafel vor der Bundestagswahl nicht mehr aufzuhängen und später „in breiter Meinungsbildung“ den Ort zu prüfen. Parteichefin Katja Kipping hält dagegen: Sie versichert, sie wolle sich von den Bedenkenträgern nicht bremsen lassen. Auch Vorstandsmitglied Katina Schubert sieht im Karl-Liebknecht-Haus „den richtigen Ort“ für das Gedenken. Stefan Liebich, Berliner Bundestagsabgeordneter, will kein Moratorium. Die Sache sei, 24 Jahre nach Schumanns Rede, „mehr als überfällig“.
Matthias Meisner