Linkspartei: Ein Mann der Partei
Die früheren DDR-Staatslenker Egon Krenz von der SED und Lothar de Maizière von der CDU auf einem Empfang - so hat die Linkspartei am Montag den 85. ihres Genossen Hans Modrow gefeiert.
Gregor Gysi adelt seinen Genossen Hans Modrow zwischen zwei Buchdeckeln. Das eben erschienene Buch „Ostdeutsch oder angepasst“ protokolliert ein Streitgespräch, das der Chef der Linksfraktion und sein langjähriger Mitstreiter, heute Vorsitzender des Linkspartei-Ältestenrates, vor Weihnachten führten. „Und dann sprach Hans“, wird Gysi im Buch mit seiner Erinnerung an den außerordentlichen Parteitag der SED/PDS 1989 zitiert: „Man kann sagen, dass er mit seiner Rede die Auflösung der Partei verhindert hat.“ Davor hatte am 9. Dezember 1989 vor Mitternacht ein Delegierter die Auflösung der DDR-Staatspartei gefordert.
Anlass für das Politikergespräch in Buchform ist Modrows 85. Geburtstag am 27. März. Dass sich Modrow Ende 1989 so ins Zeug legte, nötigt Gysi noch immer Respekt ab: „Es war damals meine Überzeugung und ist es noch immer: Wir hätten verantwortungslos gehandelt, hätten wir die Partei aufgegeben.“ Schließlich, so Gysi: „Das Parteivermögen wäre doch plötzlich herrenloses Gut gewesen.“ Modrows entscheidender Satz in der geschlossenen Parteitagssitzung angesichts des heraufziehenden Endes der DDR ausweislich des Protokolls: „Wenn bei der Schärfe des Angriffs auf unser Land dieses Land nicht mehr regierungsfähig bleibt, weil mir, dem Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, keine Partei zur Seite steht, dann tragen wir alle die Verantwortung dafür, wenn dieses Land untergeht!“
Die Auflösung der SED, die unter den Namen PDS und Die Linke Nachfolger fand, hat Modrow verhindern können, die der DDR nicht. Er selbst pflegte das Image vom „guten Hans“, der schon als langjähriger SED-Bezirkschef in Dresden als weniger streng gelten wollte als die Ersten Sekretäre in anderen DDR-Bezirken. Den damaligen Ruf als „Hoffnungsträger“ erwarb er sich, weil er – entgegen Ost-Berliner Linie – der Perestroika in der Sowjetunion viel Sympathie entgegenbrachte. Genossen erzählen sich noch heute gern die Geschichte, wie Modrow Ende der 80er Jahre in Dresden mit einem hohen Sowjetfunktionär in der Sauna schwitzte. Wladimir Putin als KGB-Repräsentant musste vor der Tür Wache schieben.
Nach der Wiedervereinigung wurde der vorletzte DDR-Regierungschef Ehrenvorsitzender der PDS. Er saß von 1990 bis 1994 im Bonner Bundestag, von 1999 bis 2004 im Europaparlament. Als Ehrenvorsitzender hielt er zuweilen aufrüttelnde Reden zur Eröffnung von Parteitagen. Mit Gründung der Linken nahm man ihm dieses Amt ab, machte ihn zum Vorsitzenden des Ältestenrates. Ab und an schreibt er in dieser Funktion nun Erklärungen zur Lage der Partei. Darin appelliert er dann etwa, dass die verantwortlichen Genossen angesichts „des Kampfes der imperialistischen Machtzentren um eine Neuaufteilung der Welt“ der „weiteren Konsolidierung der Partei große Aufmerksamkeit widmen müssen“. Für sein Alter ist Modrow ziemlich agil. Erst Ende 2012 reiste er nach Kuba, forderte anschließend von seinen Parteifreunden „mehr Sachkunde“ bei Kritik an Missständen auf der Karibikinsel.
Beim Empfang der Linkspartei am Montag feiern wohl zum ersten Mal nach der Wende drei ehemalige DDR–Staatslenker zusammen. Nicht nur Lothar de Maizière von der CDU, der letzte DDR-Ministerpräsident, ist ins Karl-Liebknecht-Haus gekommen. Brüderlich von Genossen umarmen lässt sich beim Empfang für Modrow auch Egon Krenz, der Ende 1989 sieben Wochen lang als Nachfolger von Erich Honecker SED-Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzender war – bevor ihn die SED/PDS dann im Januar 1990 aus der Partei ausschloss. Die beiden gehören zu einer illustren Gästeschar, so wie etwa auch der SED-Kulturpolitiker Klaus Höpcke, der frühere Rektor der Humboldt-Universität, Heinrich Fink, der chinesische Militärattache Jianzheng Wang und Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform.
Aber auch die Prominenz des Reformerflügels gratuliert, etwa Linken-Landeschef Klaus Lederer, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und Parlamentsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann. Die Lobreden drehen sich um Modrow als „moralisches Vorbild“. Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi sagt unter Applaus, Modrow sei 1990 eindeutig der „beliebsteste Politiker der gesamten DDR“ gewesen. Parteichef Bernd Riexinger würdigt die „Umtriebigkeit“ des Polit-Senioren. Seine Kollegin Katja Kipping sagt, im Herbst 1989, als Modrow SED-Bezirkschef in Dresden war, sei es „sein Verdienst gewesen, dass es friedlich gelaufen“ und „nicht zu einer Eskalation gekommen ist“. Als Geschenk für ihren agilen Genossen hat sie einen Gutschein für ein paar Laufschuhe dabei.
Auf dem Buffet aufgetischt sind unter anderem Soljanka und Eierlikörtorte. Modrow. der einzige wegen Wahlfälschung verurteilte DDR-Funktionär, verbirgt trotz Feststimmung nicht eine gewisse Bitterkeit. „Der Sack von Lügen über die DDR ist kaum noch wegzutragen“, sagt er vor den mehr als 100 Gästen. „Manchmal kann einem die Galle überkochen.“ Modrows Buch "Ich wollte ein neues Deutschland", vor 15 Jahren erschienen, gibt's derweil gleich nebenan im "Kleinen Buchladen" in der Parteizentrale - zum Schnäppchenpreis verramscht.