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Joachim Gauck will sich am Montag um 12 Uhr zu seiner Zukunft äußern.
© Wolfgang Kumm/dpa
Update

Bundespräsident: Gauck kündigt für 12 Uhr Erklärung an

Parteiübergreifend wird erwartet, dass Joachim Gauck am Montag seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit verkündet. Die Suche nach einem Nachfolger hat schon begonnen.

Es scheint so zu kommen, wie es in den Parteien inzwischen fast alle glauben. Bundespräsident Joachim Gauck lädt an diesem Montag zur Pressekonferenz ins Schloss Bellevue. Um 12 Uhr will er sich zu seiner Zukunft äußern - und vermutlich seinen Rückzug ankündigen. Mit dem Auftritt würde er auch die vielen Spekulationen beenden, welche seinem Abschied die Würde zu nehmen drohen.

Denn nachdem die „Bild“-Zeitung am Freitagabend Gaucks Verzicht auf eine weitere Amtszeit meldete, beschäftigt sich der politische Betrieb vor allem mit der Frage, wer sein Nachfolger werden könnte. Gauck, der nicht völlig frei von Eitelkeit ist, dürfte es nicht gefallen, dass er bereits abgeschrieben wird, bevor er sich selbst erklärt hat. Mit einer schnellen Reaktion des Staatsoberhaupts ist deshalb zu rechnen.

Hat Gauck erst offiziell verkündet, dass er geht, beginnt für CDU-Chefin Angela Merkel und die anderen Parteichefs das große Machtspiel. Die Nominierung und Durchsetzung eines Kandidaten oder einer Kandidatin für das höchste Amt im Staat gehört zu den eher schwierigen Prüfungen. Wer seinen Bewerber in der Bundesversammlung nicht durchbringt, muss sich unweigerlich Fragen nach seiner Führungskraft, nach strategischem Weitblick und taktischem Geschick gefallen lassen – allzumal die Wahl des Bundespräsidenten immer auch als Koalitionssignal für die Bundestagswahl gedeutet wird.

Hasselfeldt würde als Signal an die CSU und die Grünen gewertet

Falls Gauck geht, hat Merkel zwei Optionen: Sie kann einen Unionsbewerber ins Rennen schicken oder einen überparteilichen Kandidaten nominieren. Eine Person aus den Reihen von CDU oder CSU wäre in der Bundesversammlung auf die Unterstützung der Grünen angewiesen, da die SPD keinen aktiven Unionspolitiker mittragen wird. Ein solches schwarz-grünes Signal vor der Bundestagswahl dürfte aber auf Vorbehalte in der CSU sowie beim linken Flügel der Grünen stoßen.

Wie schwer diese Vorbehalte wiegen, hängt auch von der Persönlichkeit des Bewerbers ab. Drei Unionspolitiker werden bereits als mögliche Kandidaten gehandelt: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die scheidende CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt und – wie schon so oft – Wolfgang Schäuble, der heutige Finanzminister.

Dass Lammert und Schäuble – intellektuelle Schwergewichte der eine wie der andere – das Amt ausfüllen würden, ist in der Union unbestritten, auch wenn beide in den eigenen Reihen weniger geliebt als vielmehr respektiert werden. Ob jedoch die Grünen Lammert oder gar Schäuble geschlossen mittragen würden, ist fraglich.

Anders verhielte es sich womöglich bei einer Kandidatur von Gerda Hasselfeldt. Die Grünen könnten für sich in Anspruch nehmen, erstmals einer Frau an die Spitze des Staates verholfen zu haben. Auch gilt Hasselfeldt als ausgleichende Politikerin, die bei den Grünen nicht automatisch harten Widerstand hervorrufen würde.

So hat Hasselfeldt die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin im Gegensatz zu CSU-Chef Horst Seehofer nie in Bausch und Bogen verdammt. Mit der CSU-Frau böte sich Merkel zudem die Chance, die konservative bayerische Schwesterpartei für ein schwarz-grünes Koalitionssignal in der Bundesversammlung zu gewinnen. Denn Seehofer könnte im Gegenzug für sich in Anspruch nehmen, an der Staatsspitze eine CSU-Politikerin durchgesetzt zu haben.

Merkels zweite Option – die Nominierung eines parteilosen Kandidaten – gilt als weniger risikobehaftet. Ein überparteilicher Bewerber, der durch die Kraft seiner Persönlichkeit und Vita besticht, könnte in der Bundesversammlung mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die sichere Mehrheit der großen Koalition bauen.

Ein gemeinsamer Kandidat von SPD, Linkspartei und Grünen?

SPD-Chef Sigmar Gabriel dürfte einer solchen Lösung auch deshalb zustimmen, weil die Alternative – ein gemeinsamer Kandidat von SPD, Linkspartei und Grünen, wie ihn einige Sozialdemokraten jetzt fordern – leicht ins Abseits führen kann. Zwar verfügt Rot-Rot-Grün im dritten Wahlgang über eine relative Mehrheit in der Bundesversammlung.

Dass die Grünen im Ernstfall geschlossen mitziehen, gilt in der SPD jedoch als unwahrscheinlich. Die Chancen für einen gemeinsamen Bewerber oder eine gemeinsame Bewerberin – im Gespräch sind etwa der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani oder die Chefin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger – stehen aus SPD-Sicht also eher schlecht. Und dass sich der beliebteste SPD-Politiker, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, für ein Experiment mit ungewissem Ausgang zur Verfügung stellen würde, ist auch nicht zu erwarten.

In der SPD wird nun damit gerechnet, dass Merkel bald das Gespräch mit Gabriel sucht. Sie könnte ihrem Koalitionspartner dann einen gemeinsamen überparteilichen Kandidaten wie Andreas Voßkuhle vorschlagen, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Ihn hatte Merkel 2012 gegen einen über die Parteigrenzen hinweg populären Bewerber ins Rennen schicken wollen: Joachim Gauck. Voßkuhle hatte der Kanzlerin damals abgesagt. Er könnte seine Meinung jetzt aber ändern – wenn es denn so kommt, wie fast alle glauben, und Gauck seinen Abschied nimmt.

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