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Straßenszene in Teheran: Neue US-Sanktionen gegen den Iran würden die geringe Beliebtheit Amerikas vermutlich zementieren.
© AFP Photo/Atta Kenare
Update

Atomabkommen mit Iran: Internationale Warnungen an Trump

Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland: Kurz vor der Entscheidung des US-Präsidenten über das Iran-Abkommen hagelt es Warnungen an Trump.

Kurz vor der erwarteten Entscheidung des US-Präsidenten zum Atomabkommen hat Irans Präsident sein Land auf einen Ausstieg der USA aus dem Abkommen vorbereitet. Seine Regierung wollte von Anfang an eine rationale, konstruktive Zusammenarbeit mit der Welt, „quasi eine Win-win-Situation für alle“, erklärte Hassan Ruhani am Dienstag. In den ersten Monaten könne es einige Schwierigkeiten geben, sagte der Präsident bei einem Treffen mit Vertretern des iranischen Ölministeriums. „Aber auch das werden wir überleben.“

US-Präsident Donald Trump will am Abend gegen 20 Uhr europäischer Zeit seine mit Spannung erwartete Entscheidung zum Atomabkommen mit dem Iran bekanntgeben. Sollte er im Rahmen des Abkommens ausgesetzte Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzen, würde dies eine faktische Aufkündigung des Vertrags bedeuten. Der 2015 abgeschlossene Deal gilt als eines der wichtigsten, wenngleich auch als eines der umstrittensten internationalen Abkommen.

Ruhani befürchtet einen Ausstieg Trumps aus dem Deal. Der iranische Präsident hofft jedoch, dass die anderen Verhandlungspartner, besonders die EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, im Deal bleiben und ihn vertragsgerecht umsetzen werden. Doch was auch immer passiere: Der Iran werde auch auch bei möglichen Handelsbeschränkungen und anderen Strafmaßnahmen unabhängig bleiben, so Ruhani weiter. "Ob wir nun mit Sanktionen belegt werden oder nicht, wir sollten auf eigenen Füßen stehen", erklärt er in Teheran. "Das ist sehr wichtig für die Entwicklung unseres Landes."

Europäer bedauern vermutliches Aus des Abkommens

Auch die Europäer bereiten sich auf neue Sanktionen der USA gegen Iran vor. So haben Vertreter Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Europäischen Union am Dienstag mit dem iranischen Vize-Außenminister Abbas Araghchi beraten. Bei dem Gespräch in Brüssel sollte intensiv dafür gearbeitet werden, die Vereinbarung aufrechtzuerhalten und umzusetzen, wie aus dem Auswärtigen Amt in Berlin verlautete.

Schon aus eigenem sicherheitspolitischem Interesse setzten die Europäer weiter auf das Abkommen und seine vollständige Umsetzung. Sie würden es solange umsetzen, wie sich der Iran an seine Verpflichtungen halte, hieß es im Auswärtigen Amt. Seit Wochen stehe man insbesondere mit Frankreich und Großbritannien in engstem Austausch - von der Arbeitsebene bis zu den Außenministern. "Auch in den nächsten Tagen kommt es darauf an, mit allen Seiten im Gespräch zu bleiben, um eine unkontrollierte Zuspitzung zu verhindern."

Derweil geht Großbritannien davon aus, dass Trump das Abkommen aufkündigen wird. "Wir sind sehr pessimistisch", sagte ein britischer Diplomat. Dabei sei das Abkommen der beste Weg, die Gefahr eines nuklear bewaffneten Iran zu neutralisieren, wie ein Sprecher von Premierministerin Theresa May sagte. Allerdings müsse man anerkennen, dass es Themen gebe, die das Abkommen nicht abdecke, wie ballistische Raketen und die Rolle des Iran in der Region. Großbritannien werde in diesen Punkten mit den USA und den europäischen Partnern eng zusammenarbeiten.

Zuvor war bekannt geworden, dass Trump mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über den Iran sprechen wolle. In dem Gespräch ging es um Frieden und Stabilität im Nahen Osten, wie das Präsidialamt in Paris mitteilte.

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly hat derweil vor den Folgen einer Aufkündigung des Vertrags gewarnt. Das Abkommen sei zwar nicht perfekt. Es habe aber zur Aussetzung des militärischen Atomprogramms des Iran geführt und die Iraner hielten sich an die Abmachung, sagt sie dem Radiosender RTL. Das Abkommen sei ein Faktor des Friedens und der Stabilisierung in einer sehr explosiven Region.

Daher appellierte auch Russland an die USA, keine übereilten Schritte gegen den Iran zu unternehmen, die das Atomabkommen gefährden könnten. Es gebe keinen Grund zur Annahme, dass der Iran auf dem Weg zum Bau einer Atombombe sei, zitiert die Nachrichtenagentur Tass Vize-Außenminister Sergej Rjabkow. Der Iran könne nicht dazu gebracht werden, einseitig Zugeständnisse zu machen. Ein Sprecher des Präsidialamts in Moskau sagte, jegliche Handlung, die sich gegen die Vereinbarung richte, habe unweigerlich schädliche Konsequenzen.

Bundesminister warnen vor Folgen der Aufkündigung

Auch SPD-Chefin Andrea Nahles und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnten vor den Folgen einer Kündigung des Atomabkommens. "Die Lage ist schwieriger denn je, es brodelt an allen Ecken", sagt Nahles. Die drohende Kündigung müsse alle wachrütteln. "Ich halte es nach wie vor für richtig, dass es dieses Abkommen gibt", sagt Dobrindt. An den Argumenten dafür habe sich nichts geändert. Beide betonen, dass nicht so sehr die Sorge um die deutsche Wirtschaft als um die Sicherheit in der gesamten Nahostregion im Vordergrund steht.

Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnt vor einer Isolation des Iran. "Das würde die Situation im Mittleren Osten nur weiter verschärfen", sagt der CDU-Politiker in Murnau. Auch wenn die USA aus dem Atomabkommen aussteigen sollten, müssten die Gespräche mit Teheran intensiv weiter gehen. "Der Iran darf nicht in einer Richtung hineingetrieben werden."

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour befürchtet bei einem Aus für das Abkommen und einer Wiederaufnahme des iranischen Atomwaffenprogramms eine nukleare Aufrüstungsspirale im Nahen Osten. "Die Aufkündigung wäre ein größerer Fehler als Bushs Entscheidung für den Irak-Krieg 2003." Europa müsse bei einem einseitigen Rückzug der USA mit allen Kräften versuchen, das Abkommen aufrechtzuerhalten. Dazu gehöre auch, zusammen mit Russland und China neue Sanktionen abzufedern, erklärt Nouripour in Berlin.

Irans Währung schon jetzt unter Druck

Angesichts drohender Sanktionen ist die iranische Währung Rial unter Druck geraten. Anleger im Iran decken sich stärker als sonst mit Dollar ein, weil sie eine Belastung für die iranische Wirtschaft fürchten. Ein Dollar kostet im freien Handel 65.000 iranische Rial. Ende April mussten Investoren für einen Dollar noch 57.500 Rial auf den Tisch legen.

Allerdings werde die Konjunktur im Iran nach den Worten von Notenbank-Chef Waliolla Seif nicht unter möglichen US-Sanktionen leiden. "Falls Amerika den (Atom-)Vertrag kündigt, wird unsere Wirtschaft davon nicht getroffen", erklärt er im Staatsfernsehen. "Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet."

Der iranische Vize-Präsident Eschak Dschahangiri sprach sich gegen neue Verhandlungen mit den USA aus. Es wäre naiv, wieder mit den USA zu sprechen, wenn sie gegen das Abkommen verstießen, sagt er der Nachrichtenagentur Tasnim zufolge. Der Iran sei auf jedes Szenario vorbereitet.

Der Atomdeal mit dem Iran wurde im Juli 2015 von den USA, China, Russland und dem EU-Trio ausgehandelt. Teheran verpflichtet sich darin, für mindestens ein Jahrzehnt wesentliche Teile seines Atomprogramms drastisch zu beschränken, um keine Atomwaffen bauen zu können. Im Gegenzug wurden die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben und eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen in Aussicht gestellt. (dpa, Reuters)

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