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Die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends hat am Freitag mit einem Brief an die Berliner CDU eine neue Debatte über Sexismus ausgelöst.
© dpa

Sexismus: Die "süße Maus" wehrt sich

Die Berliner CDU hat eine Sexismus-Debatte. Auch wenn noch vieles unklar ist, sollte man die Vorwürfe ernst nehmen. Und Männer sollten zweimal nachdenken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Es sind viele Fragen offen, und es liegen längst nicht alle Fakten auf dem Tisch. Doch den Hashtag #sexismusinparteien gibt es schon – und eine neue Debatte über Sexismus in der Politik. Im Mittelpunkt steht eine 26-jährige Berliner CDU-Bezirkspolitikerin, die als Quereinsteigerin in der Partei sehr schnell Karriere machte. In einem eindringlichen, bisweilen recht pathetischen Brief an ihre Partei hat sie beschrieben, wie angeblich ihr schneller Aufstieg bei männlichen Parteikollegen die Fantasie beflügelte und bei einigen einen Hang zu Derbheiten und Herrenwitz offenbarte. Ein Senator soll sich bei einem anderen Abgeordneten mit der Frage „Fickst du die?“ erkundigt haben, ob an den Beischlafgerüchten etwas dran sei, die sich um die junge Frau rankten. Derselbe Senator soll die junge Frau auch mal „große süße Maus“ genannt haben. Mittlerweile ist klar, dass es sich bei dem Senator um Frank Henkel handelt.

Henkel ist nicht gerade der Inbegriff des Machos

Die Sache erinnert an die Dirndl-Bemerkung des FDP-Politikers Rainer Brüderle, die die „Stern“-Reporterin Laura Himmelreich vor dreieinhalb Jahren öffentlich machte und damit eine wochenlange Debatte auslöste.

Wie damals wird sich auch jetzt in den sozialen Netzwerken mächtig lustig gemacht über die junge Politikerin, und erwartungsgemäß werden ihre Vorwürfe bagatellisiert. Frank Henkel ist ja auch nicht gerade der Inbegriff des Machos, es gibt sicher andere Politiker, an denen sich eine Sexismus-Debatte begründeter aufhängen ließe. Von der zunehmend verrohten, sexistischen Sprache in Internetforen ganz abgesehen. Vielleicht hat die junge Frau den Brief geschrieben, um sich für was auch immer zu rächen. Dass es in der Politik rau zugeht und Intrigen geschmiedet werden – auch von Frauen –, ist kein Geheimnis. Ebenso wenig die Tatsache, dass sich Welterklärer mit Macho-Gehabe dort besonders wohl fühlen. Wer das nicht aushält, sollte vielleicht besser die Finger von der Politik lassen. Das alles kann man einwenden.

Männer sollten sich zweimal überlegen, was sie sagen

Und doch ist es nicht okay, wenn eine junge Politikerin vom Parteivorsitzenden oder eine Mitarbeiterin vom Vorgesetzten „süße Maus“ genannt wird. Wo Macht und Machtgefälle ins Spiel kommen, können solche Bemerkungen, die im Privatleben harmlos sind, schnell abgeschmackt und abwertend wirken. Mit der „süßen Maus“ ist dann die Frau gemeint, die nicht ernst genommen und aufs Äußerliche reduziert wird. Aus dem gleichen Grund ist es nicht okay, wenn sofort Beischlafgerüchte verfangen, sobald eine Frau ungewöhnlich schnell Karriere macht. Bei Männern wird in solchen Fällen eine außergewöhnliche Durchsetzungskraft vermutet, bei Frauen sind es angeblich sexuelle Neigungen. Solche Klischees stecken leider immer noch in vielen Köpfen.

Das Risiko, denunziert zu werden, hat zugenommen

Doch das Risiko hat zugenommen, dass Anzüglichkeiten und verrutschte Sätze öffentlich thematisiert werden – auch wenn sie in Hinterzimmern geäußert wurden. Auch die Gefahr, falsch beschuldigt zu werden, ist größer geworden. Es ist die Schattenseite einer gewachsenen öffentlichen Erregbarkeit. Erst recht sollten sich Männer zweimal überlegen, wie sie eine Frau bezeichnen und ansprechen. Das kann doch nicht so schwer sein.

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