Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz: „Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt“
Der neue Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz bemängelt die Einsatzbereitschaft von Kampfjets und Hubschraubern. Er fordert mehr Geld – und kritisiert die Rüstungsindustrie.
Der neue Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz zeichnet ein düsteres Bild der Einsatzbereitschaft seiner Kampfjets und Hubschrauber. "Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt", sagte er knapp einen Monat nach der Amtsübernahme am Mittwochabend in Berlin. Kritik übte er auch an der Rüstungsindustrie. "Flugzeuge stehen wegen fehlender Ersatzteile oder sind gar nicht erst vor Ort, da sie zur Inspektion bei der Industrie sind."
Eigentlich solle die Inspektion eines Eurofighter-Kampfjets nach 400 Flugstunden sieben Monate dauern. "Sie dauert aber derzeit circa 14 Monate, also doppelt so lange. Das ist nicht akzeptabel." Auch an persönlicher Ausstattung mangle es seinen Soldaten. Gerhartz, der das Amt des Luftwaffen-Inspekteurs Ende Mai übernommen hatte, appellierte an die Politik, der Luftwaffe nach jahrzehntelangem Sparkurs ausreichend Geld zur Verfügung zu stellen.
"Es kann doch nicht sein, dass Soldaten im Einsatz eine völlig andere Bundeswehr erleben als in der Heimat", kritisierte der General. "Auch bei uns zuhause müssen wir unsere Hubschrauber verlässlich in die Luft bekommen, unsere Soldaten bestmöglich ausbilden und mit der persönlichen Ausrüstung versorgen, die sie durch die Einsätze kennen und gewohnt sind."
An die Abgeordneten des Bundestags appellierte Gerhartz, sich nach Jahrzehnten des Sparkurses für einen Finanzplan einzusetzen, der den Bedarf der Luftwaffe decke und eine verlässliche, nachhaltige Planung für die nächsten Jahre ermögliche. Es bedürfe "einer Modernisierung der Luftwaffe bei Großwaffen-Systemen sowie einer Weiterentwicklung bereits eingeführter Systeme, inklusive der dazugehörigen Bewaffnung", forderte er. Dass die Luftwaffe überhaupt noch so gut funktioniere, verdanke sie allein der Leidenschaft und dem Engagement ihrer Soldaten.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wirbt bei den Abgeordneten von SPD und Union momentan um mehr Geld für die Bundeswehr. "Der Wunsch nach Sicherheit ist untrennbar verknüpft mit der Bereitschaft, die notwendigen Investitionen in Deutschlands Sicherheit und Europas Zukunft zu tätigen", schrieb sie Anfang Juni in einem Brief an die Parlamentarier. "Wir müssen handeln."
Nach dem Kalten Krieg seien die deutschen Verteidigungsausgaben von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung auf einen Tiefststand von 1,1 Prozent abgesackt. Als Folge sei die Substanz der Bundeswehr ausgehöhlt worden. "Ersatzteilketten wurden gekappt, Waffensysteme großzügig an andere Länder abgegeben, Wartung und Instandhaltung reduziert, Munitionslager geleert und nicht wieder aufgefüllt", kritisierte von der Leyen.
Im Februar hatte ein Bericht des Verteidigungsministeriums deutlich gemacht, wie schlecht es um die Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr bestellt ist. Von einem Gesamtbestand von 128 Eurofightern seien im vergangenen Jahr durchschnittlich 39 Jets einsatzbereit gewesen, hieß es darin. Von den älteren Tornado-Kampfjets waren danach durchschnittlich 26 von insgesamt 93 Flugzeugen einsatzbereit. Von insgesamt 72 Transporthubschraubern des Typs CH-53 konnten im Schnitt 16 tatsächlich für Ausbildung und Einsatz genutzt werden. (Reuters)