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Wird er Deutschlands erster Klimaminister? Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
© Kay Nietfeld/dpa

Die Fehler der Vergangenheit als Lehre?: Die komplizierte Operation Klimaministerium

Grünen-Chef Robert Habeck könnte ein neues Klimaministerium leiten – aber wie soll dessen Zuschnitt aussehen? Und welche Fehler laut Experten dabei lauern.

Christian Lindner will sich nur versprochen haben. Aber er hat ausgesprochen, was in den anstehenden Koalitionsverhandlungen über eine Ampel-Koalition beschlossen werden wird. „Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium“, hatte Lindner der ARD gesagt.

Wenn er, wie von der FDP gefordert, das Finanzministerium bekommen sollte, wäre es nur logisch, wenn die Grünen ein neues Klimaministerium bekommen. Als Minister und zweiter Vizekanzler hierfür wird Robert Habeck gehandelt, da er schon in Schleswig-Holstein so ein Querschnitt-Ressort geführt hat.

Doch was sich schön anhört, ist in der Praxis unglaublich kompliziert.

Zwei Mal schon sind zum Beispiel die Zuständigkeiten für erneuerbare Energien hin- und hergewechselt. 2002 kamen sie im Zuge der Beschlüsse für den Atomausstieg zu Jürgen Trittin in das Bundesumweltministerium, damals war das noch ein kleiner Bereich, es ging nur um ein paar Referate. „Das Bundeswirtschaftsministerium hat vor allem die Leute rübergeschoben, die sie ohnehin nicht mehr haben wollten“, erinnert sich ein damals Beteiligter. Trotzdem dauerte der neue Zuschnitt schon bei dieser kleinen Operation ein dreiviertel Jahr. Als Sigmar Gabriel das Wirtschaftsministerium 2013 zum „Vizekanzleramt“ machte, holte er die Zuständigkeit für erneuerbare Energien zurück.

Wahrscheinlich würde der Kern eines Klimaministeriums im heutigen Bundesumweltministerium liegen. Erneut könnte der Bereich der erneuerbaren Energien und die Zuständigkeit für die Energiewende dort angesiedelt werden, muss aber nicht, wenn das Ministerium entsprechende Zugriffsrechte auf die Gestaltung der Energiewende bekommt.

Einer, der schon mehrere Regierungsbildungen erlebt hat, rät dringend davon ab, sich alle möglichen Zuständigkeiten aus anderen Ministerien zu holen. Auf gar keinen Fall jedenfalls die Landwirtschaft, weil man dann nur mit dem Kampf gegen enorme Lobbyinteressen beschäftigt sei.

Die Entwicklungshilfe könnte auch dorthin wandern

Interessanter wäre es stattdessen, den Agrarbereich womöglich dem Wirtschaftsministerium zuzuschlagen. Auch ein anderes Ministerium ließe sich im Zuge einer Neuordnung vielleicht einsparen, meint der Experte. „Sachlich zusammen gehören das Bundesumweltministerium und das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit“. So würden diese beiden Häuser den Kern eines Klimaministeriums bilden. Denn das BMZ macht heute zum größten Teil Klimafinanzierung in aller Welt, also Unterstützung etwa für den Ausbau erneuerbarer Energien oder für Schutzmaßnahmen gegen den Klimawandel. Das würde sich gut ergänzen und Parallelstrukturen gerade in der internationalen Klimapolitik ließen sich abbauen. Zudem liegen beide Häuser in der Berliner Stresemannstraße nur wenige hundert Meter entfernt voneinander. „Es ist in jedem Fall leichter, Ministerien gleich zusammenzulegen, als einzelne Teile neu zuzuschneiden. Der Zeit- und Reibungsverlust ist enorm.“

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Oft blockieren sich Koalitionspartner in einer Regierung - zieht man beim Klimaschutz wirklich an einem Strang?
Oft blockieren sich Koalitionspartner in einer Regierung - zieht man beim Klimaschutz wirklich an einem Strang?
© Christof Stache/AFP

Welche der 14 Ministerien lassen sich einsparen?

Bisher gibt es 14 Ministerien, mehr sollen es nicht werden, daher wird geschaut, was sich zusammenlegen lässt, auch wo sich Kosten sparen lassen. Als neues Ministerium ist ein Digitalministerium im Gespräch, zudem stellt sich die Frage, ob es wieder ein eigenes Bau- und Wohnministerium geben soll, wegen der gestiegenen Bedeutung des Themas. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will 400 000 Wohnungen im Jahr bauen lassen, davon 100 000 Sozialwohnungen, die Grünen pochen darauf, dass bei gewerblichen Neubauten ein Solardach verpflichtend, bei privaten Neubauten die Regel wird - dies könnte quasi von einem Klimaministerium angeordnet werden.

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Der Baubereich war 1998 im Zuge der rot-grünen Regierungsbildung im Bundesverkehrsministerium von Franz Müntefering angesiedelt worden. Es war 1949 als eigenständiges Ministerium gegründet worden, nach dem Krieg waren weite Teile des Landes zerstört, Wohnraum war knapp. 1998 hingegen waren hohe Mieten oder fehlender Wohnraum kaum ein Thema in Deutschland. Es folgten mehrere Wechsel, von 2013 bis 2018 lag der Baubereich im Bundesumweltministerium, was sich als ebenso schlechte Idee entpuppte, wie die Ansiedlung im Innenministerium seit 2018.

So ist die Geschichte der Ministerien und ihrer Neuzuschnitte auch ein Spiegel der Veränderungen in Gesellschaft und Politik - heute ist der Wohn- und Baubereich zu einer sozialen Frage geworden, die Digitalisierung bedarf dringend einer besseren Steuerung - und Klimaschutz ist das entscheidende Zukunftsthema.

Wie lange wird in Deutschland noch Braunkohle zur Energiegewinnung gefördet?
Wie lange wird in Deutschland noch Braunkohle zur Energiegewinnung gefördet?
© euroluftbild.de/Bernd Clemens

Der "Klima-TÜV" für jedes Gesetz

Zentral ist laut des Experten, der aus Rücksicht auf die Koalitionsverhandlungen ungenannt bleiben will, dass ein Klimaministerium eine ebenso starke Stellung wie das Finanzministerium bekommt, also mit einem Vetorecht. So hatten es die Grünen auch in ihrem Sofortprogramm im Wahlkampf gefordert. Das bedeutet, alle Gesetze werden einem „Klima-TÜV" unterzogen, ob sie helfen, die deutschen Klimaziele so einzuhalten, dass den Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens genüge getan wird. Wenn das nicht der Fall ist, kann das Ministerium das Gesetz zurückweisen.

Um Abstimmungsprozesse innerhalb der Ministerien zu verschlanken und zu beschleunigen, soll zudem in den ersten 100 Tagen eine Klima-Task-Force der neuen Bundesregierung im Wochenrhythmus tagen, unter Federführung eines neuen Klimaschutzministeriums, hatten die Grünen im Wahlkampf angekündigt.

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Kabinettskonflikte bremsen immer wieder

Die Grünen wollen ferner, dass die die bisherigen Klimaschutzinvestitionen in einem ersten Schritt um 15 Milliarden Euro zusätzlich erhöhen werden. Besonders wichtig seien etwa Investitionen in klimaneutrale Infrastrukturen, Ladesäulen, Ausbau von Bahn-, Fuß- und Radverkehr, emissionsfreie Busse, Energiespeichertechnologien, erneuerbare Energien und moderne Stadtentwicklung, Gebäudesanierung und Energienetze. Um das anzustoßen, müsste aber ein gemeinsamer „Geist“ im neuen Kabinett herrschen - in der Vergangenheit kam es immer wieder zu harten Konflikten, gerade zwischen Bundesumwelt-, dem Wirtschafts-, Agrar- und Verkehrsministerium, die letztgenannten drei blockierten allzu oft zu ambitionierte Ziele. Daher könnten die Grünen ein Interesse, möglichst viele dieser mit Klimaschutz tangierten Ministerien zu besetzen.

Robert Habeck und Annalena Baerbock wollen Klimaschutz mit Vetorecht in der Ampelkoalition.
Robert Habeck und Annalena Baerbock wollen Klimaschutz mit Vetorecht in der Ampelkoalition.
© imago images/Chris Emil Janßen

Kernprojekt: Kohleausstieg schon 2030

Ein richtig großer Knackpunkt wird gleich am Anfang stehen. „Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig“, heißt es im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP. Idealerweise bis 2030 - bisher ist spätestens 2038 geplant. Daher könnte die bisher für das Jahr 2026 geplante Revisionsklausel auf das kommende Jahr vorgezogen werden - im Ergebnis könnte sich laut Experten zeigen, dass die Klimaziele 2030 nur mit einem Kohleausstieg bis dahin zu vollziehen sind.

Wo dann aber ausreichend Strom herkommen soll, das ist die große und bisher ungelöste Frage. Denn Ende 2022 werden die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet - es könnte dann erforderlich werden, fürchten Experten, verstärkt Atomstrom, etwa aus Frankreich, einzuführen; zumindest im energieintensiven Winter.

Eines der größten Braunkohlekraftwerke Europas: Jänschwalde in der Lausitz.
Eines der größten Braunkohlekraftwerke Europas: Jänschwalde in der Lausitz.
© Patrick Pleul/dpa

Da wegen des klimaneutralen Umbaus der Industrie mit der Nutzung von Wasserstoff und des Ausbaus der Elektromobilität der Strombedarf massiv steigen wird, soll auch ein klarer Plan entwickelt werden, wieviel Energie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gebraucht wird, zum daran den Ausbau erneuerbarer Energien zu orientieren.

Der langjährige Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks betonte zuletzt an die Adresse seiner Partei: „Wenn der parallele Atom- und Kohleausstieg dazu führt, dass unsere Abhängigkeit von russischem Erdgas noch wächst, geraten wir vom Regen in die Traufe“.

Wenn Kohle, Öl und mittelfristig auch Gas komplett durch Erneuerbare Energien ersetzt werden sollen, brauch es einen internationalen Verbund für klimaneutralen Strom und Wasserstoff von Skandinavien bis zum Mittelmeer und darüber hinaus - das umschreibt die Größe der Aufgabe für ein Klimaministerium. Rational wäre es angesichts der Lage, die letzten Atomkraftwerke – statt sie Ende 2022 abzuschalten - noch ein paar Jahre länger laufen zu lassen, bis die entsprechenden Erneuerbare-Energie-Kapazitäten verfügbar sind, meint Fücks. „Aber dieser Zug ist politisch wie betriebstechnisch abgefahren.“

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