22 Arbeitsgruppen geplant: Koalitionsverhandlungen beginnen Donnerstagnachmittag
Nun kann es losgehen: SPD, Grüne und FDP starten mit den Ampel-Gesprächen. Eine Arbeitsgruppe zum Bauen und Wohnen etwa wird Kevin Kühnert leiten.
SPD, Grüne und FDP wollen am Donnerstagnachmittag die Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Regierung beginnen. Wie der Tagesspiegel erfuhr, sind insgesamt 22 Arbeitsgruppen geplant.
Von der AG „Moderner Staat und Demokratie (Planungsbeschleunigung, Wahlrecht, Partizipation)“ bis zur AG „Finanzen und Haushalt“. Jede Partei entsendet maximal sechs Vertreter in jede Gruppe. Das geht aus einer Übersicht mit den Verhandlungsteams der SPD hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.
Bei den Verhandlungen wird das Kernteam der SPD erneut aus SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, den Vorsitzenden Saskia Esken, und Norbert Walter-Borjans, Fraktionschef Rolf Mützenich, der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Generalsekretär Lars Klingbeil bestehen.
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Die als Bundesinnenministerin gehandelte Christine Lambrecht übernimmt zum Beispiel die AG Innere Sicherheit – und SPD-Vize Kevin Kühnert leitet die wichtige AG Bauen und Wohnen. Er hat die FDP in der Debatte um Maßnahmen gegen hohe Mieten wiederholt attackiert und sieht bei der Partei eine zu große Nähe zur Immobilienlobby.
Nach den zunächst reibungslos und gut strukturiert verlaufenen Sondierungen hatte es zuletzt erste Dissonanzen gegeben, sowohl Vertreter von FDP wie von Grünen hatten auf das Finanzministerium als Schlüsselressort gepocht. Laut der SPD-Führung sollen zunächst die Inhalte geklärt werden, bevor über die Posten gesprochen wird.
Im Gespräch ist auch ein eigenständiges Klimaministerium. Noch offen ist, ob es ein Digitalministerium geben wird, oder ob es dabei bleibt, dass die Zuständigkeiten für dieses Zukunftsthema über mehrere der bisher 14 Bundesministerien verteilt bleiben.
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Grünen-Chefin Annalena Baerbock sprach sich ebenso wie der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans dafür aus, die Milliardenvorhaben der "Ampel" teilweise auch über Kredite zu finanzieren.
SPD-Chef Walter-Borjans sagte mit Blick auf die Gegenfinanzierung der milliardenschweren Ampel-Vorhaben, bei Investitionen in die Zukunft sei "auch eine teilweise Finanzierung mit Krediten gerechtfertigt". Die Schuldenbremse enthalte dafür "durchaus Spielräume", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Dienstag. Hinzu kämen die Möglichkeiten staatlicher Institutionen wie der Förderbanken von Bund und Ländern.
Die Finanzen sind einer der Knackpunkte bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen. Notwendige Zukunftsinvestitionen sollen laut dem Sondierungspapier der Parteien "im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse" ermöglicht werden. Steuern wie die Einkommen-, Unternehmen- und Mehrwertsteuer sollen nicht erhöht werden.
Baerbock sagte im ZDF-"Morgenmagazin": "Das sind Milliarden, die wir stemmen und das im Rahmen der Schuldenbremse." Die Finanzfrage sei unter den Ampel-Partnern "kontrovers diskutiert worden", fügte sie hinzu. Es sei darüber gesprochen worden, "dafür auch mögliche Kredite, die im Rahmen der Schuldenbremse möglich sind, entsprechend aufzunehmen für die Investitionen, die wir brauchen".
Jedes Unternehmen könne bei der Bank einen Kredit aufnehmen, wenn die Maschine zur Herstellung des Produkts kaputt sei. "So ist das auch in der seriösen Finanzpolitik", sagte Baerbock. Sie gehe davon aus, dass zur Finanzierung jährlich 50 Milliarden Euro gebraucht werden, "um die Zukunftsaufgaben anzugehen und das Land grundsätzlich zu modernisieren."
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte in der Sendung "RTL/ntv"-Frühstart: "Es wird dafür gesorgt, dass die Investitionen möglich sind." Er könne sich "durchaus vorstellen, dass die öffentliche Hand investiert", fügte er hinzu. Hofreiter nannte dabei vor allem die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die Deutsche Bahn sowie die Autobahn GmbH. Darüber hinaus könne eine Regierung durch das Ende von Steuerhinterziehungen und Steuervermeidungen mehr Geld in die Staatskasse bekommen.
Debatte um Ämterbesetzung
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sieht derweil die Chance, weitere Weichenstellungen gerade im sozialen Bereich vorzunehmen. "Das wird ein entscheidender Punkt für die Koalitionsverhandlungen, was gerade Sozialleistungen angeht, dass man einen Kassensturz macht und schaut, ob man finanzpolitischen Spielraum dafür findet", sagte Kellner dem Sender Phoenix. "Am Ende des Tages ist für einen Koalitionsvertrag entscheidend, verringert er soziale Ungleichheit in unserem Land."
In der Debatte um die Nachfolge von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gerät die SPD immer weiter unter Druck. Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Beate von Miquel, forderte die Sozialdemokraten auf, das Amt mit einer Frau zu besetzen. „Es ist unglaubwürdig, dass ausgerechnet die Partei, die in ihrem Wahlprogramm ein „Jahrzehnt der Gleichstellung“ einfordert, jetzt offenbar überwiegend Männer in die höchsten Staatsämter schicken will“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Findet die SPD keine weibliche Bundestagspräsidentin könnte sich das auf die Besetzung der anderen Verfassungsorgane und auch auf die Koalitionsverhandlungen auswirken. Schon länger wird spekuliert, Steinmeier könne dann auf eine zweite Amtszeit als Bundespräsident verzichten müssen. In das höchste Staatsamt könnte im kommenden Frühjahr etwa die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt gewählt werden. Das wiederum könnte Auswirkungen auf die Ansprüche der Grünen bei der Verteilung der Ministerien in den Koalitionsverhandlungen haben. (Tsp/dpa/AFP)