Konfrontation der Regionalmächte: Der Jemen wird zum Schlachtfeld von Iran und Saudi-Arabien
Mit aller Macht ringen Saudi-Arabien und der Iran um die Führung in der Region – vor allem im Jemen kämpfen sie immer härter gegeneinander. Eine Analyse.
Wieder einmal heulten die Luftschutzsirenen. Am Montag schossen Huthi-Rebellen vom Jemen aus erneut eine Rakete auf das Staatsgebiet von Saudi-Arabien ab. Diesmal war die Hafenstadt Jazan am Roten Meer das Ziel, die nach saudischen Angaben von einem Abwehrsystem abgefangen wurde.
Rund 140 Raketen der Huthis sind im vergangenen halben Jahr in Saudi-Arabien niedergegangen – die Folge eines seit mehr als drei Jahren andauernden Krieges der Saudis im südlichen Nachbarland. Einer, der zunehmend zu einem Stellvertreterkonflikt zwischen Saudi-Arabien und der Huthi-Schutzmacht Iran wird.
Trotz fast 10.000 Toten im Jemen und großer Not setzen beide Seiten offenbar auf die militärische Karte. Das gilt vor allem nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran: Teheran mischt mehr und mehr die Nahostregion auf und macht Front gegen die Saudis.
Tausende Tote durch Luftangriffe
Die Golfmonarchie wiederum wirft der iranischen Regierung das Streben nach einer regionalen Vormachtstellung vor. Zusammen mit dem Engagement der Mullahs im Syrienkrieg ergibt die Einmischung der Iraner im Jemen aus Sicht der Saudis und ihrer Verbündeten wie der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) eine gefährliche Zangenbewegung im Norden wie im Süden der Arabischen Halbinsel. Dem Jemen kommt wegen seiner Lage am Ausgang des Roten Meeres zum Golf von Aden zudem große strategische Bedeutung zu, nicht zuletzt wegen der Öltransporte durch den Suezkanal.
Nachdem Jemens damaliger Präsident Ali Abdullah Saleh, ein Schützling Saudi-Arabiens, nach Massenprotesten im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 zurücktreten musste, verschärften sich die Konflikte im Land. Salehs Nachfolger Abdrabbuh Rabbo Mansur Hadi geriet unter wachsenden militärischen Druck der Huthis – kampferprobte schiitische Rebellen aus dem Norden Jemens – und musste 2015 nach Riad fliehen.
Darauf begannen Saudi-Arabien und seine Verbündeten mit massiven Luftangriffen gegen die Aufständischen. Tausende zivile Opfer, Millionen Flüchtlinge, eine zerstörte Infrastruktur und der weltweit schlimmste Ausbruch der Cholera sind die Folge. Ganz abgesehen vom Hunger. Hunderttausende Familien sind auf lebenswichtige Hilfe angewiesen. Aus eigener Kraft sind sich nicht in der Lage, über die Runden zu kommen.
Angst vor Al Qaida
Zusätzlich kompliziert wird die Lage durch die Aktivitäten des Terrornetzwerks Al Qaida in dem teilweise rechtlosen Bürgerkriegsland. Die Gruppe Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel gilt als eine der gefährlichsten Unterorganisationen der dschihadistischen Extremisten. Von ihr stammte unter anderem die in der Unterwäsche versteckte Bombe eines Terroristen, der sich in einem Flugzeug auf der Reise von Amsterdam nach Detroit am Weihnachtstag 2009 in die Luft sprengen wollte.
Washington ist daher alarmiert und antwortet auf die Gefahr militärisch. Allein in den vergangenen zwei Jahren griffen amerikanische Kampfdrohnen mehr als 30 Mal vermutete Al-Qaida-Stellungen im Jemen an. Eine nicht bekannte Zahl von US-Bodentruppen ist ebenfalls für den Antiterrorkampf stationiert.
Trotz der Terrorbedrohung, der großflächigen Zerstörungen und des Leids der Zivilbevölkerung ist von Friedensbemühungen keine Rede. Mehrere Versuche scheiterten. Das liegt auch an den zuweilen rasch wechselnden politischen Bündnissen.
Gemeinsam gegen den Iran
Ex-Präsident Saleh paktierte zum Beispiel jahrelang mit den Huthis, um mit Hilfe seiner ehemaligen Gegner wieder an die Macht zu gelangen, wurde jedoch bei einem Anschlag im Dezember getötet. Darüber hinaus zeigen sich Berichten zufolge einige Risse zwischen den Partnern Saudi-Arabien und VAE: Während die Saudis auf Exil-Präsident Hadi setzen, unterstützen die VAE südjemenitische Separatisten.
Völlig einig sind sich beide arabischen Staaten aber in einem: Einen vom Iran abhängigen Jemen will man keinesfalls dulden. Den Huthis müsse deshalb Einhalt geboten werden. „Wir werden keine von Teheran aufgebaute neue Hisbollah (die libanesische Schiitenmiliz, Anm. d. Red.) im Jemen dulden“, sagte Ali Abdullah al Ahmed, Botschafter der VAE in Deutschland, vor Kurzem.
Kein Wunder, dass mehr und mehr von einer möglichen militärischen Lösung die Rede ist. Derzeit versuchen jemenitische Elitetruppen mit Unterstützung der Golf-Araber, die Stadt Hudaida am Roten Meer einzunehmen – der einzige Hafen, über den die Huthis schwere Waffen aus dem Iran erhalten können. Ob die Saudis damit den Krieg für sich entscheiden können, ist jedoch offen.
Als das sunnitische Königshaus in den Kampf zwischen den Huthis und der Regierung militärisch eingriff, versprach es vollmundig: Die Schlacht wird rasch gewonnen. Der Einsatz bekam denn auch einen zur patriotischen Stimmung passenden Namen: „Sturm der Entschlossenheit“. Das war vor drei Jahren. Doch trotz massiven Einsatzes von Geld und Waffen kontrollieren die schiitischen Rebellen weite Teile des Jemen.
Saudi-Arabien hat wenig erreicht
Dass mit der Offensive wenig erreicht wurde, kommt für die stolze Monarchie einem Desaster gleich – und bedeutet ein persönliches Debakel für den Thronfolger. Mohammed bin Salman befehligt als Verteidigungsminister die Truppen; er gilt als treibende Kraft hinter dem Einsatz im Nachbarland.
Doch auch er weiß nur zu gut, dass Saudi-Arabiens Ansehen durch die Dauer-Bombardements gelitten hat. Ganz abgesehen davon, dass der Krieg Millionen, wenn nicht gar Milliarden kostet. Geld, das er für seine Reformen dringend benötigt. Einerseits.
Andererseits steht für den 32-jährigen Kronprinzen fest, dass durch den Vormarsch der Huthis im Jemen nationale Sicherheitsinteressen bedroht sind. „Außerdem werden in Riad die Rebellen als fünfte Kolonne Irans wahrgenommen.
Damit ist aus saudischer Sicht die Intervention ohne Alternative“, sagt Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Doch klar ist inzwischen auch: Ein militärischer Sieg liegt in weiter Ferne. „Bin Salman muss also eine Lösung finden, die gesichtswahrend ist und saudischen Interessen entgegenkommt“, betont Sons. Das sei ihm bisher nicht gelungen. Für den Jemen könnte das bedeuten: noch mehr Gewalt, noch mehr Elend.