Versetzung von Hans-Georg Maaßen: "Die Kanzlerin hatte allein nicht mehr die Kraft"
Der SPD-Politiker Carsten Schneider erklärt im Interview, warum er die Koalition mit der Union trotz des Falls Maaßen fortsetzen will.
Herr Schneider, die SPD wollte Hans- Georg Maaßen unbedingt loswerden. Stattdessen wird er jetzt zum Staatssekretär befördert. Hat Ihre Parteichefin Andrea Nahles in der Groko schlecht verhandelt?
Herr Maaßen hat sich als Verfassungsschutz-Präsident disqualifiziert, indem er Verschwörungstheorien verbreitet hat. Der Leiter dieser wichtigen Sicherheitsbehörde, die im Geheimen agiert, braucht das Vertrauen aller Regierungspartner. Er war deshalb in diesem Amt nicht weiter tragbar. Das haben wir auch immer so gesagt. Deshalb musste er gehen. Dass Herr Seehofer jetzt für sich entscheidet, Herrn Maaßen in sein Umfeld als Ratgeber zu holen, ist seine Sache. Jeder Minister organisiert sein Ressort alleine und ist für seine Personalentscheidungen verantwortlich. Auch wir lassen uns nicht reinreden, wer in den SPD-geführten Ministerien Staatssekretär wird.
Als Verfassungsschützer vertrauen Sie Herrn Maaßen nicht mehr. Als Staatssekretär halten Sie ihn aber für akzeptabel?
Es gibt zwischen den beiden Posten einen maßgeblichen Unterschied. Der Verfassungsschutz arbeitet im Geheimen, er wird nur von einem engen Kreis an Parlamentariern kontrolliert. Ein Staatssekretär hingegen ist dem gesamten Bundestag und damit der Öffentlichkeit voll auskunftspflichtig. Ich hätte an Herrn Seehofers Stelle Maaßen nicht zum Staatssekretär ernannt. Aber uns als SPD ging es von Anfang darum, dass die Führung des Verfassungsschutzes auf die Verfassung geeicht ist und dass wir ihr vertrauen können – auch im Kampf gegen rechts. Das war mit Herrn Maaßen nicht mehr gegeben.
Hat Nahles die Entscheidung denn im Vorfeld mit Ihnen und der SPD-Führung abgestimmt?
Die SPD hat sich festgelegt, dass wir Herrn Maaßen an der Spitze des Verfassungsschutzes nicht mehr mittragen. Das war eine klare Ansage. Diese Entscheidung wurde von der gesamten Parteiführung getroffen.
In der Folge wurde Maaßen befördert. Wer soll das denn noch verstehen?
Manchmal ist das Leben eben kompliziert. Der Unterschied ist aber, wie gesagt, folgender: Der Verfassungsschutz arbeitet im Verborgenen, ein Staatssekretär ist dem Parlament und der Öffentlichkeit zur Rechenschaft verpflichtet. Wenn der Innenminister Herrn Maaßen vertraut und ihn zu sich ins Ministerium holt, dann ist das seine Sache. Ich sehe nicht ein, dass wir uns als SPD dafür rechtfertigen müssen.
Es scheint nicht sehr viele Sozialdemokraten zu geben, die das verstehen können.
Ich kann den Unmut nachvollziehen. Wir Sozialdemokraten hätten diese Entscheidung nie so getroffen, wie es Seehofer jetzt tut. Aber ich lasse mich auch nicht für etwas in Haftung nehmen, für das wir keine Verantwortung tragen.
Sie haben keine Angst, dass die SPD-Basis gegen die Parteiführung rebelliert?
Wir haben als Regierung eine ganze Reihe an inhaltlichen Punkten zu bearbeiten, von der Garantie des Rentenniveaus über Schaffung bezahlbaren Wohnraums bis hin zu einer besseren Finanzierung für Kitas. Das ist das Entscheidende, nicht die Karriere eines politischen Beamten. Deshalb werden wir diese Koalition auch fortsetzen. Ich denke, dass die SPD- Basis das auch so sieht.
Wie wollen Sie die wütende Parteibasis dazu bringen, sich wieder hinter der Parteichefin und ihrer Entscheidung zu versammeln?
Dass der ganze Vorgang nicht gutgeheißen wird, verstehe ich. Das war ja auch keine alleinige Entscheidung der SPD, sondern ein Kompromiss in der Koalition. Die Kanzlerin hatte jedenfalls allein nicht mehr die Kraft, Herrn Maaßen aus dem Amt zu entfernen. Das finde ich bedenklich.
Sie haben die Groko neulich selbst noch in Frage gestellt. Eine Koalition, die nicht liefert, brauche keiner, haben Sie gesagt. Warum soll die Groko Ihrer Meinung nach ausgerechnet jetzt noch weitermachen?
Wir werden doch nicht die Interessen von Millionen Mietern oder Rentnern einer Personalie wie Maaßen unterordnen! Das wäre der Ehre zu viel. Da muss man auch mal einen kühlen Kopf bewahren. Ich hoffe im Übrigen auch, dass die CSU nach der bayerischen Landtagswahl wieder zu Sinnen kommt und vernünftig Politik mitmacht.
Halten Sie es denn für verantwortungsvoll, wenn Juso-Chef Kevin Kühnert andauernd offen das Aus der Groko fordert?
Die SPD hat sich die Entscheidung über die große Koalition nicht leicht gemacht. Wir haben uns aus Verantwortung für das Land dafür entschieden, und weil wir sozialdemokratische Inhalte umsetzen können. Das ist der Gradmesser für den Fortbestand der Koalition.
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Paul Starzmann