Bundesamt für Verfassungsschutz: Fast jeder zweite Vorgänger Maaßens ging in Unehren
Um den Posten des Verfassungsschutz-Präsidenten gibt es nicht erst seit dem Fall Hans-Georg Maaßen Ärger. Rückblick auf eine schwieriges Amt.
Ob sich Horst Seehofer dieser Tage näher mit Eckart Werthebach beschäftigt hat, ist nicht bekannt. Die Karriere des ehemaligen Verfassungsschutzchefs zu studieren, hätte sich für den Bundesinnenminister aber rentiert. Denn für den Ausweg aus der Misere um den am Dienstag abgesetzten Chef im Kölner Bundesamt wirkt der damalige Vorgang wie die Blaupause.
Auch CDU-Mann Werthebach war 1995 in Schwierigkeiten: Ein altes Ermittlungsverfahren gegen ihn lebte auf. Es ging um den Verdacht, dass der oberste Verfassungsschützer einen Potsdamer Abgeordneten mit Unterlagen gespickt haben soll, um den Datenschützer Thilo Weichert in eine linksextreme Ecke zu stellen. Das Verfahren wurde zuletzt eingestellt. Da war das Personalproblem aber schon gelöst: Werthebach wurde schlichtweg nach oben befördert – zum Staatssekretär im Bonner Innenministerium.
Die Anschlussverwendung, die Werthebach später den Weg bis zum Berliner Innensenator ebnete, ist freilich eine seltene Ausnahme. Sie funktionierte auch nur deshalb, weil im Ministerium eine passende Stelle frei war. Die Vorgänger und Nachfolger, die von der Spitze des Verfassungsschutzes weg aus dem Verkehr gezogen wurden, bekamen keine solche Chance. Ihre Zahl ist ansehnlich – fast jeder Zweite verließ den Dienstsitz in Köln-Chorweiler in Unehren.
Nollau fiel über den Spion Guillaume
Das begann spektakulär mit Otto John, der 1954 plötzlich in der DDR auftauchte – ob entführt oder freiwillig, wurde nie ganz geklärt –, und ging so weiter: Hubert Schrübbers fiel über seine Vergangenheit in der NS-Justiz, Günther Nollau über den DDR-Spion Guillaume im Kanzleramt, Nachfolger Richard Meier musste gehen, weil er fahrlässig einen Menschen totgefahren hatte. Heribert Hellenbroich überstand den Job, stolperte dann aber als BND-Präsident, weil sein Abwehrchef sich in die DDR absetzte. Hans- Georg Maaßens Vorgänger Heinz Fromm wurde der Skandal um die rechte Terrorzelle NSU zum Schicksal.
Sie alle mussten gehen – oder gesichtswahrend ihren Rücktritt anbieten –, weil ihre Dienstherren sie als politische Beamte jederzeit in einstweiligen Ruhestand schicken dürfen. Gründe muss der Dienstherr nicht öffentlich nennen, wohl aber haben – meist lautet die Formel „fehlendes Vertrauen“.
Die Zukunft der Geschassten ist meist gut abgefedert
Die meisten Ruhestandsfälle bleiben vom Publikum unbemerkt; wen interessiert schon ein ausgemusterter Ministerialdirektor? Erst wenn politische Motive offen oder offenkundig werden, gibt es Schlagzeilen: Generale, die einem neuen Minister nicht ins Konzept passen, Staatssekretäre, die als Sündenböcke in die Wüste müssen, Behördenleiter, die anders wollen als ihr Chef – wie 2015 der Generalbundesanwalt Harald Range, der gegen die Blogger von „netzpolitik.org“ wegen Landesverrats ermitteln ließ.
Um die Zukunft der Geschassten muss man sich wenig Sorgen machen. Viele trifft es kurz vor dem regulären Dienstende, jüngere trifft man meist in Lobby- und Beraterorganisationen wieder. In der Zwischenzeit reicht auch das einstweilige Ruhestandsgehalt allemal zum Leben. Und wenn sich Schwierigkeiten auftun, findet sich auch eine Lösung. Bernhard Jagoda brachte es gar zum Namensgeber eines eigenen Gesetzes. Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit wurde in Haftung für Manipulationen in der Vermittlungsstatistik genommen. Sein Pech: Er war gerade kein politischer Beamter.
Für Bernhard Jagoda gab es sogar ein Gesetz mit seinem Namen
Das schützte ihn vor dem Rauswurf. Aber ein Rücktritt hätte ihn Altersversorgung gekostet. Weil ihn viele mochten, fand sich ein Weg, die „Lex Jagoda“. Die Bundesanstalt heißt seither Bundesagentur und hat eine Rechtsform, die Jagoda den Abgang ohne Schaden erlaubte. Für die Causa Maaßen war der Kniff aber untauglich. Allein, wie das schon klänge: „Bundesagentur für Verfassungsschutz“!