Nach Neonazi-Mordserie: "Die Haltung der Polizei muss sich grundlegend ändern"
Barbara John (CDU), die Ombudsfrau für Angehörige der Neonazi-Opfer, fordert ein Umdenken der Polizei. Die frühere Berliner Ausländerbeauftragte hat aber auch Erwartungen an die Politik.
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer-Angehörigen der rechtsextremen Mordserie, Barbara John (74), fordert eine Reform der Polizeiausbildung in Deutschland. Dem Tagesspiegel sagte die CDU-Politikerin und frühere Ausländerbeauftragte des Berliner Senats: „Die Haltung der Polizei muss sich grundlegend ändern, um bei fremdenfeindlichen Verbrechen aufmerksamer und kompetenter zu sein. Das kann man durch Training lernen. Leider ist die Polizeiarbeit in einer Einwanderungsgesellschaft in dieser Hinsicht nie als grundlegende Aufgabe angesehen worden.“
John kritisierte, dass die Polizeiarbeit zu eng angelegt sei. Wenn sich rechtsradikale Taten nicht sofort aus sich selbst heraus erklärten, würden die Spuren zu nachlässig verfolgt. Eine „hochrangige Berufungskommission der Bundesregierung“ soll nach Vorstellung Johns über solche Fragen nachdenken. Von der Politik erwartet die Ombudsfrau eine Neudefinition fremdenfeindlicher Straftaten (die weiteren Forderungen von Barbara John hier).
Barbara John, die sich als Tagesspiegel-Kolumnistin in ihrem "Zwischenruf" auch zur Neonazi-Mordserie äußerte, begrüßte die Entscheidung vom Dienstag, die Bezeichnung „Döner-Morde“ zum Unwort des Jahres 2011 zu wählen. Der Begriff zeige, wie unsensibel die Polizei, aber auch andere in der Gesellschaft mit Migranten umgingen. „Wir reduzieren Migranten auf ihre Fremdheit“, sagte John.
Ex-FDP-Vorstand Daimagüler: "Nicht nur Ignoranten, Rechte und Thilo Sarrazin"
Mehmet Daimagüler, Anwalt, Buchautor und einst im FDP-Bundesvorstand, der „Döner-Morde“ als Unwort vorgeschlagen hatte, sagte dem Tagesspiegel in einem Interview: „Es tut den Migranten gut, dass dieses Land auch mitfühlend ist und nicht nur aus Ignoranten, Rechten und Thilo Sarrazin besteht.“
Die sechsköpfige Jury habe sich rasch darauf verständigt, sagte Sprecherin Nina Janich in Darmstadt. „Mit der sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechts-terroristischen Mordserie werden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden“, hieß es zur Begründung (hier ein Kommentar dazu von Bernd Matthies).
Als Reaktion auf die jahrelang unentdeckt gebliebenen Morde von Rechtsterroristen will das Bundeskabinett an diesem Mittwoch eine Neonazi-Datei von Bund und Ländern beschließen. Der Bundestag wird in der kommenden Woche einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung einsetzen. Die Bundestagsfraktionen streben einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag an. Den Vorsitz soll der niedersächsische SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy übernehmen.
Frank Jansen, Armin Lehmann