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Er hat es nicht leicht in diesen Tagen, Bundeskanzler Olaf Scholz.
© John Thys, AFP

Waffen, Diplomatie, Sanktionen: Deutschland sollte sich nicht überschätzen

Der Krieg in der Ukraine lässt den Hilfswillen wachsen. Doch die Kapazitäten sind ebenso begrenzt wie die Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Deutschland ist isoliert, sein Ruf ruiniert, es gilt als unzuverlässig: So lautet, verkürzt ausgedrückt, der Vorwurf der Opposition an die Bundesregierung. Es geht um die Ukraine-Politik, die Lieferung von Waffen, schweren Waffen, Kampfpanzern. Da wird in der Debatte manches durcheinander gewirbelt. Der Ton der Kritik ist anklagend, mitunter schroff. Hätten Massaker der russischen Invasoren verhindert werden können, wenn Deutschland rechtzeitig die benötigten Waffen zur Verfügung gestellt hätte? Solche Fragen werden gestellt.

Doch es gibt eine andere Lesart. Bislang hat kein einziges Nato-Land Kampfpanzer westlicher Bauart an die Ukraine geliefert. Jedenfalls nicht offiziell. Schwere Waffen? Das ja. Schützenpanzer, Haubitzen, Artillerie, Drohnen, Stinger-Raketen: Das meiste stammt aus den USA.

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Beteuert wird, dass die Ukraine den Krieg gewinnen muss. Aber offenbar gibt es informelle Absprachen einiger westlicher Nato-Mitgliedsstaaten, bestimmte Waffen – wie Kampfpanzer und Kampfflugzeuge – der Ukraine zumindest vorerst nicht zur Verfügung zu stellen, um Russland keinen Vorwand zu geben, das als Kriegseintritt zu werten. Formal hat die Nato das freilich nicht beschlossen, weil das Bündnis als solches keine Waffen liefert.

Welches Mandat haben Deutschland und Frankreich?

„Deutschland hat der Ukraine Tausende von Waffen zur Verfügung gestellt, darunter Flugabwehrraketen und Panzerabwehrraketen“, lobt ein Sprecher der Nato. Allerdings ist der Vorrat beschränkt und zum Teil marode. Die versprochenen, allerdings ausgemusterten Gepard-Panzer müssen erst einsatzfähig gemacht werden. Das dauert. Eine Entscheidung des Bundessicherheitsrates über die Lieferung von Schützenpanzern vom Typ „Marder“ steht noch aus. Aber überschätzt Deutschland sich nicht mit seinen Möglichkeiten, den Kriegsverlauf entscheidend zu beeinflussen – ob durch Waffen, Diplomatie oder Sanktionen?

Olaf Scholz und Emmanuel Macron telefonierten am Wochenende 80 Minuten lang mit Wladimir Putin. Sie forderten ein Ende des Krieges, Putin warnte vor weiteren Lieferungen schwerer Waffen und einer Verschärfung der humanitären Lage. Doch welches Mandat haben Deutschland und Frankreich für diese Initiative?

Dürfen Scholz und Macron – über die Köpfe der ukrainischen Regierung hinweg – Verhandlungslösungen erörtern, die womöglich die territoriale Integrität der Ukraine tangieren? Und für wen sprechen sie, die Europäische Union? Dort gibt es bereits einen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, es ist der Spanier Josep Borrell. Putin hingegen dürfte allenfalls interessieren, was sein ärgster Rivale, US-Präsident Joe Biden, zu sagen hat.

China und Indien könnten die westlichen Sanktionen unterlaufen

Auch im Ringen um ein Öl-Embargo prallen innerhalb der EU divergierende Interessen aufeinander. Einige Länder sind abhängig von russischem Öl. Mittel- und langfristig wird ohnehin entscheidender sein, ob energiehungrige Staaten wie China und Indien die westlichen Sanktionen unterlaufen.

Das Grauen des Krieges lässt den Hilfswillen wachsen. Doch die Kapazitäten sind begrenzt. Wer suggeriert, durch deutsche Panzer, ausgedehnte Telefonate mit Putin und ein EU-Öl-Embargo ließe sich Russland in die Knie zwingen, weckt Hoffnungen, die wohl unerfüllt bleiben. Das spricht nicht gegen solche Maßnahmen.

Es spricht nur gegen das Schüren von Illusionen.

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