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Trump verlässt das Militärkrankenhaus am Montagabend (Ortszeit).
© AFP/SAUL LOEB
Update

Trumps Rückkehr ins Weiße Haus: Der offensichtliche Versuch, Profit aus der Krankheit zu schlagen

Er wisse nun, wie sich die Krankheit anfühle und wie die Medikamente wirkten: Trump ist wieder im Weißen Haus - und versucht sogleich, aus seiner Genesung eine Heldengeschichte zu machen. 

Donald Trump hat genug vom Krankenhaus. Am Montagabend 18.38 Uhr (Ortszeit) verließ der US-Präsident nach nur drei Nächten die Walter-Reed-Militärklinik in Bethesda im Bundesstaat Maryland nahe der Hauptstadt Washington. Aber nicht einfach so: Seine Abreise inszenierte der prominenteste amerikanische Patient als Triumphmarsch.

Am Eingang des Krankenhauses schüttelte der US-Präsident, der am Freitagabend wegen seiner Covid-19-Erkrankung ins Krankenhaus verlegt worden war, vor den wartenden Reportern seine Faust. 

Danach ging Trump, der zu diesem Zeitpunkt eine Maske trug, zu einer Limousine, die ihn zum Hubschrauber „Marine One“ brachte. Fragen von Journalisten wie die nach der Anzahl der infizierten Mitarbeiter im Weißen Haus, ignorierte er. Genauso wie die, ob er ein „Superspreader“ sei.

Mehrere hundert Fans hatten sich im Vorfeld vor dem Krankenhaus versammelt. Einige von ihnen waren nach eigenen Angaben schon den dritten Tag in Folge vor Ort, um ihrem Präsidenten ihre Unterstützung zu beweisen. Während der Hubschrauber abhob, um den Präsidenten ins Weiße Haus zurückzubringen, jubelten sie, riefen „Vier weitere Jahre“ und schwenkten US-, Maryland- und andere Flaggen.

Der US-Präsident hatte vier Stunden zuvor via Twitter angekündigt, noch am selben Abend ins Weiße Haus zurückzukehren. Er fühle sich „besser als vor 20 Jahren“. Gleichzeitig rief Trump die Amerikaner auf, keine Angst vor dem Coronavirus zu haben. „Lasst nicht zu, dass es euer Leben beherrscht“, twitterte er.

Angesichts von knapp 7,5 Millionen Infizierten und knapp 210.000 Menschen in den USA, die an den Folgen gestorben sind, war das eine Aussage, die schnell kritisiert wurde. 

Zur Not per Heli zurück ins Krankenhaus

Immerhin verfüge der Präsident anders als die meisten Amerikaner über die allerbeste Gesundheitsversorgung und einen Helikopter, der ihn schnell wieder zurück ins Krankenhaus bringen könne, wenn es Komplikationen gebe, hieß es.

Die weitere Behandlung des 74-Jährigen könne im Weißen Haus genauso gut erfolgen wie im Walter-Reed-Militärkrankenhaus, erklärte Trumps Leibarzt Sean Conley kurz nach dessen Twitter-Ankündigung. Zwar sei er „noch nicht über den Berg“. Dennoch sei das Ärzteteam der Ansicht, dass Trump aus der Klinik entlassen werden könne. „Er ist zurück.“ Der Präsident brauche aktuell nichts, was man ihm nur im Krankenhaus bieten könne. Das Weiße Haus verfügt über einen eigenen Krankenhaustrakt.

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Wie viel Druck Trump auf seine Ärzte ausgeübt hatte, um ins Weiße Haus zurückkehren zu können, darüber kann nur spekuliert werden. Schon am Sonntagnachmittag unterbrach der Präsident seinen Aufenthalt im Krankenhaus kurz, um bei seinen Unterstützern auf der Straße vor der Klinik vorbeizuschauen. Dazu ließ er sich von seinen Secret-Service-Leuten in seinem gepanzerten Wagen an den Fans vorbeifahren.

Ein unerhörter Vorgang, kritisierten viele sofort, darunter auch Ärzte und Secret-Service-Agenten, angesichts seiner Infektion mit dem hochansteckenden und gefährlichen Coronavirus. Der Präsident habe seine eigenen Mitarbeiter in Gefahr gebracht – und das nicht zum ersten Mal. Alle in den Ausflug involvierten Personen müssten sich Ärzten zufolge nun eigentlich in Quarantäne begeben.

Widersprüchliche Informationen

Wie genau es Trump geht, ist weiter unklar. Immer wieder werden unterschiedliche, manchmal widersprüchliche Informationen zum Verlauf seiner Krankheit bekannt, was die Glaubwürdigkeit der offiziellen Angaben nicht erhöht. 

Sehr viele wichtige Fragen sind offen, zum Beispiel die, wann sich der Präsident bei wem infiziert hat, wann er davon wusste und wen er alles angesteckt hat. Mehrfache Nachfragen, wann Trump seinen letzten negativen Test gemacht habe, wie früh er also wirklich von seiner Infektion wusste, ließ Conley auch am Montag unbeantwortet.

Trumps Anhänger demonstrieren vor der Klinik ihre Unterstützung für den US-Präsidenten.
Trumps Anhänger demonstrieren vor der Klinik ihre Unterstützung für den US-Präsidenten.
© Juliane Schäuble

Bekannt ist inzwischen, wie er behandelt wird – mit einem Medikamenten-Cocktail, der für schwere Krankheitsverläufe vorgesehen ist – und dass es ihm zumindest zeitweise nicht gut ging und er zusätzlichen Sauerstoff benötigte. Die meiste Zeit kriegen die Amerikaner aber zu hören, dem Präsidenten gehe es „sehr gut“.

Wie um das zu beweisen, twitterte dieser am frühen Montagmorgen innerhalb von einer Stunde insgesamt 18 Mal. 16 Tweets wurden von seinem Account innerhalb einer halben Stunde abgesetzt. Auch wandte er sich in Videobotschaften an die Amerikaner. Darin behauptete er, die ganze Zeit zu arbeiten und jetzt aus eigener Anschauung zu wissen, wie das mit dem Virus so sei. Seine Kampagne ergänzte später: Er wisse jetzt auch mehr darüber als sein Kontrahent Joe Biden.

Er will das Virus nun zu seinem Vorteil nutzen

Es ist der offensichtliche Versuch, die selbst verschuldete Erkrankung des Präsidenten, der die Gefahren des Virus monatelang herunterspielte, sich über seinen Maske tragenden Herausforderer Biden lustig machte und gegen Empfehlungen seiner eigenen Corona-Experten verstieß, zu seinem Vorteil zu nutzen.

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In genau vier Wochen ist der Tag der Wahrheit. Am 3. November werden die Amerikaner wohl vor allem darüber abstimmen, wie die Regierung Trump mit der Pandemie bisher umgegangen ist. Dem Präsidenten bleibt nicht mehr viel Zeit, das Rennen zu seinen Gunsten zu drehen.

Trump-Anhänger vor dem Walter Reed Hospital.
Trump-Anhänger vor dem Walter Reed Hospital.
© Christy Bowex/ZUMA Wire

Am Montag wurde bekannt, dass auch Trumps Pressesprecherin sowohl zwei ihrer Stellvertreter mit dem Virus infiziert sind. Zuvor waren bereits unter anderem drei republikanische Senatoren, Trumps Wahlkampfmanager Bill Stepien, sein Wahlkampfberater Chris Christie, Trumps Ex-Beraterin Kellyanne Conway und die Vorsitzende der Republikanischen Partei, Ronna McDaniel, positiv auf das Coronavirus getestet worden.

Erste Umfragen deuten daraufhin, dass ihm seine eigene Erkrankung bei diesem Vorhaben nicht nutzt und ihm viele Amerikaner vorwerfen, das Virus nicht ernst genommen zu haben. In den Wochen davor hatte die Trump-Kampagne versucht, die Aufmerksamkeit der Amerikaner auf Themen wie „Law and Order“ zu ziehen. Mit überschaubarem Erfolg. Jetzt dürfte das wohl erst recht nicht mehr gelingen.

Er argumentiert mit seinem Pflichtbewusstsein

Also versucht es Trump mit der Strategie: Er wisse nun, wie sich eine Covid-19-Erkrankung anfühlt und könne berichten, dass die Medikamente wirken. Er argumentiert, sich aus Pflichtbewusstsein nicht im Weißen Haus versteckt zu haben, sondern trotz der Ansteckungsgefahr seiner Arbeit nachgegangen zu sein. 

Kann das verfangen – und zwar nicht nur bei seinen überzeugten Anhängern, sondern auch bei den - Umfragen zufolge - rund zehn Prozent der Wähler, die sich trotz der enormen Polarisierung im Land noch nicht sicher sind, wen sie wählen?

Unangenehm könnte Trump ein Bericht des „Wall Street Journal“ werden. Demnach hatte er bereits am Donnerstagabend einen positiven Schnelltest, informierte darüber aber weder enge Mitarbeiter noch mögliche Betroffene oder gar die Öffentlichkeit. Damit hätte er bewusst andere Menschen in Gefahr gebracht. Offiziell twitterte er erst nach dem zweiten Test, einem Nasenabstrich, am frühen Freitagmorgen, dass seine Frau Melania und er sich angesteckt und in Quarantäne begeben hätten.

Trotz Diagnose kam Trump zu einem Essen mit mehr als 200 Gästen

Trotz des positiven ersten Tests besuchte er am Donnerstagabend noch ein Spender-Essen mit mindestens 206 Personen in seinem Golfclub in Bedminster/New Jersey und gab dem Sender Fox News ein Interview. Die Spender hatten 2800 Dollar für ein Ticket gezahlt – aber die Behörden in New Jersey haben nun Schwierigkeiten, sie ausfindig zu machen, weil die Republikanische Partei angeblich nur Email-Adressen von ihnen hat.

Durch den Fox-News-Moderator Chris Wallace ist bereits öffentlich geworden, dass Trump sich vor dem TV-Duell mit Joe Biden am Dienstag nicht hatte testen lassen – er kam zu spät. Sein Team kündigte bereits an, dass das nächste Fernsehduell wie geplant am 15. Oktober stattfinden solle.

Zudem ist das TV-Duell zwischen den Vizepräsidentschaftskandidaten Mike Pence und Kamala Harris am kommenden Mittwoch in Salt Lake City (Utah) geplant. Als zusätzlicher Schutz soll unter anderem eine Scheibe aus Plexiglas die beiden Kontrahenten trennen.

Hoffnungen, der Präsident könnte aus seiner eigenen Erkrankung gelernt haben, durchkreuzte dieser selbst noch am Montagabend. Bei seiner Ankunft im Weißen Haus wenige Minuten nach dem Abflug aus Bethesda zog er seine Maske ab, nachdem er die Treppe zum Balkon auf der Südseite seiner Residenz hochgestiegen war. Dann salutierte er dem Piloten der abfliegenden „Marine One“. Nach allem, was bekannt ist, könnte der Präsident noch mehrere Tage lang extrem ansteckend sein.

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