Konflikt USA - Iran: Der gefährliche Zweikampf
US-Präsident Trump und Teherans Machthaber Chamenei haben es in ihren Händen: Wie gefährlich wird der Iran-Konflikt für den Weltfrieden? Eine Analyse.
Die Szene ist hollywoodreif. Als Reaktion auf feindliche Aktivitäten einer fremden Macht genehmigt der amerikanische Präsident Angriffe auf Ziele des Gegners. Flugzeuge steigen auf, Kriegsschiffe bringen sich in Stellung – als auf einmal der Befehl kommt, den Einsatz abzubrechen. In letzter Sekunde, bevor die erste Rakete abgefeuert wird.
Was nach einem spannenden Blockbuster klingt und auch ein bisschen nach Kuba- Krise, ist am Donnerstagabend offenbar genau so passiert. Wie Trump am Freitag bestätigte, hatte er als Reaktion auf den Abschuss einer US-Aufklärungsdrohne vor der Küste des Iran Angriffe auf iranische Ziele wie Radaranlagen oder Raketensysteme genehmigt, die Aktion dann aber abgeblasen.
Über Krieg und Frieden entscheiden
Es ist genau der Moment, vor dem viele nach dem Ausgang der Präsidentschaftswahl vor zweieinhalb Jahren die größten Sorgen hatten. Der erratische, unkontrollierbare, von Instinkten statt Fakten getriebene Donald Trump, der qua Amt Oberbefehlshaber über die mächtigste Armee der Welt ist, hat in einem potenziell katastrophalen Konflikt über Krieg und Frieden zu entscheiden. Am Donnerstag, so wird es von Stunde zu Stunde klarer, war dieser Moment gekommen.
Trumps „ersten Vietnam-Moment“ nannte das Douglas Macgregor, ein als Kriegskritiker bekannter Ex-Armeeoberst, Donnerstagnacht im Sender Fox News: „Man hatte ihn an den Abgrund herangeführt, er schaute hinab und sagte ,Nein danke’. Gott sei Dank hat er sich auf seinen Instinkt verlassen und ist umgekehrt.“
Trump hat sich auf seinen Instinkt verlassen, und das ist eine gute Nachricht? In diesem Fall erst mal ja, zumindest für all diejenigen, die einen Krieg mit dem Iran für Wahnsinn halten.
John Bolton gehört nicht zu dieser Gruppe. Trumps Sicherheitsberater, schon zu George W. Bushs Zeiten als Hardliner bekannt, glaubt nicht daran, dass sich der Iran seine Bestrebungen, an atomare Waffen zu gelangen, wegverhandeln lässt. Er vertritt die These, dass nur maximaler Druck das Regime in Teheran zum Einlenken bringt, politischer, wirtschaftlicher, im Zweifel auch militärischer. Seiner Ansicht nach sind begrenzte Angriffe ein gutes Mittel der Politik. Dass daraus ein Flächenbrand entstehen kann, sorgt ihn kaum.
Bolton, der die USA auch weiterhin in der Rolle des Weltpolizisten sieht, wird zunehmend zu einem Problem für Trump. Denn dieser US-Präsident will, da sind sich die Beobachter einig, keinen Krieg mit dem Iran, er weiß, dass das seine Präsidentschaft dauerhaft prägen kann – und den Erfahrungen seiner Vorgänger nach eher nicht zum Guten.
Trump liebt alles Militärische, einen Krieg will er nicht
Auch hat er seinen Wählern versprochen, die Truppen heim zu holen, sich um „America first“ und weniger um die Probleme anderer Staaten zu kümmern. Trump liebt zwar alles Militärische, das aber eher theoretisch. In der Realität ist er das Gegenteil eines Falken; als junger Mann hat er sich wegen eines Fersensporns vom Kriegsdienst in Vietnam befreien lassen.
Doch angeführt von Bolton und Außenminister Mike Pompeo drängt ihn ein Teil seiner Berater seit Wochen in eine Situation, in der ein Krieg mit dem Iran unvermeidlich werden könnte. Denn so sehr viele Amerikaner kriegsmüde geworden sind: Werden US-Ziele angegriffen, wird nicht nur unter Konservativen der Ruf nach Vergeltung laut.
Kehrtwende von der Kehrtwende
Da die Machthaber im Iran das wissen, testen sie derzeit ihre Grenzen aus – mit dosierten Nadelstichen. Das hat Trump in eine unangenehme Lage gebracht. Seit Tagen spielt er die Attacken runter. Am Donnerstag sprach er zunächst von einem „wahrscheinlichen Fehler“, den irgendwer im iranischen Militär fabriziert habe.
Am Abend die Kehrtwende, und dann die Kehrtwende von der Kehrtwende. Die Begründung für seinen Rückzug reichte Trump am Freitag via Twitter nach: Die erwarteten 150 Todesopfer wären im Vergleich zum Abschuss einer unbemannten Drohne „unverhältnismäßig“ gewesen.
Irritierend ist allerdings, was aus dem entscheidenden Moment im „Situation Room“ des Weißen Hauses nach draußen dringt. Wie die stets gut informierte „New York Times“-Korrespondentin Maggie Haberman auf Twitter schrieb, ist Trump sehr zufrieden mit seinem Vorgehen. „Er genoss es, die Kommandogewalt innezuhaben, die Angriffe erst anzuordnen und dann abzusagen.“
Trump ist nicht der erste US-Präsident, der ohne außenpolitische Erfahrung ins Amt kam. Aber seine infantilen Charakterzüge sind ein Novum. Dass der Präsident, der sich selbst ein „ziemlich stabiles Genie“ nennt, sein Land gerade an den Rand eines Krieges brachte, ist definitiv ein Grund zur Sorge.
Es mag abwegig klingen. Aber Ali Chamenei und Donald Trump haben sogar etwas gemeinsam: Sie verfügen über viel Macht. In ihren Ländern entscheiden der Ajatollah und der Präsident über Krieg und Frieden, sind Oberbefehlshaber ihrer Streitkräfte und treffen politische Entscheidungen von großer Tragweite.
Doch letztendlich sind die Befugnisse des iranischen Staatsoberhaupts wesentlich umfassender als die seines amerikanischen Widersachers. Ali Chamenei herrscht als höchste Autorität auf Lebenszeit, ohne jemandem Rechenschaft schuldig zu sein. In allen Angelegenheiten hat der Geistliche seit 30 Jahren das letzte Wort. Weder Präsident Hassan Ruhani noch das Parlament können dem etwas entgegensetzen.
Der Mullah misstraut den USA
Insofern wird im Iran dem Obersten Revolutionsführer niemand widersprechen, wenn er Gesprächen mit den USA nach wie vor eine klare Absage erteilt. Selbst womöglich drohende Militärschläge dürften den 80-Jährigen kaum umstimmen. Erst vor wenigen Tagen ließ er wissen: Der Iran vertraut den USA nicht. Sein Land habe bereits diese bittere Erfahrung beim Atomabkommen gemacht und wolle sie nicht wiederholen.
Mehr noch. Trump sei einer Antwort auf seine Gesprächsangebote nicht würdig. Chamenei hätte auch sagen können: Ich habe es ja schon immer gesagt. Denn der Mullah gehört zu den iranischen Hardlinern, die in Amerika den Erzfeind sehen.
Diese unnachgiebige Haltung kommt nicht von ungefähr. Chamenei ist ein Kind der Revolution. Geboren in der schiitischen Pilgerstadt Maschdad stieg er Anfang der 80er Jahre im Machtapparat auf – gefördert von Ruholla Chomeini, jenem Mann, der 1979 den verhassten, von den USA protegierten Schah stürzte und die Islamische Republik gründete.
Kein Interesse an einem Atomabkommen
Als dieser starb, wurde Chamenei dessen Nachfolger. Und rasch war klar: Der neue Herrscher wird nicht als Reformer in die Geschichte des Iran eingehen, sondern als radikaler Islamist, der die „Werte“ der Revolution hochhält und am liebsten exportiert. Auch seine harsche Anti-USA-Haltung hat Chamenei nie korrigiert.
Kein Wunder, dass er Verhandlungen über ein Atomabkommen von Anfang an mit großer Skepsis begleitete. Zwar ließ er Ruhani als Verfechter eines Öffnungskurses gewähren – vor allem, weil dieser das Ende der internationalen Sanktionen und damit eine wirtschaftliche Erholung des Landes versprach.
Allerdings hat Chamenei geschickt darauf verzichtet, die sich jahrelang hinziehenden Gespräche zu befördern. Vielmehr betonte er stets, der Iran strebe gar nicht nach Nuklearwaffen.
Das hat sich später als Täuschungsmanöver erwiesen. Allerdings hatte Chameneis Zurückhaltung einen großen Vorteil für ihn: Niemand lastet dem Revolutionsführer an, dass der Atomdeal vor dem endgültigen Scheitern steht. Das geht auf Ruhanis Konto. Von Verhandlungen mit Washington will Teheran nichts wissen – schon gar nicht zu Trumps Bedingungen. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine Gesprächskanäle mehr zwischen den Kontrahenten gibt.
Zudem hat Chamenei bisher alle Vermittlungsversuche ins Leere laufen lassen. Wohl weil ihm klar ist, dass Trump ein erhebliches Risiko eingeht, sollte er zu einem Militärschlag gegen den Iran ausholen. Schließlich verfügt der starke Mann des „Gottesstaats“ über Mittel, den US-Präsidenten in die Bredouille zu bringen.
Kein Hasardeur, sondern kühl kalkulierend
Das sind zum Beispiel die ihm unterstehenden Revolutionsgarden, eine ebenso gut ausgebildete wie ausgerüstete Eliteeinheit mit 125.000 Mann unter Waffen. Oder schiitische Milizen, die Chamenei die Treue geschworen haben und jederzeit Anschläge auf US-Stellungen im Nahen Osten verüben könnten. An der großen militärischen Überlegenheit Amerikas ändert das wenig. Aber auch kleine Angriffe können einen Gegner schmerzen und verunsichern. Chamenei weiß das.
Er ist aber eben auch kein Hasardeur, der sich blindlings in ein Gefecht stürzt, das er vermutlich verliert. Seit 30 Jahren steht der Ajatollah an der Spitze des Iran und hat mit seinem Regime kühl kalkulierend mehrere Krisen überstanden. Chamenei kann darauf bauen, dass sich Trump rechtfertigen muss, wenn Amerika im fernen Nahen Osten in einen unangenehmen bewaffneten Konflikt verwickelt wird.