US-Wahlkampf und Iran: Trump gerät in die Defensive
Rückzug ist nicht die Paradedisziplin des US-Präsidenten. Doch im Iran hat er seinen Gegner gefunden. Ein Kommentar.
Hat der Wolf Kreide gefressen? Von Donald Trump ist man gewohnt, dass er verantwortungslos daherredet und Widerspruch ihn zu noch schärferen Worten anstachelt. Gibt ein Gegner keine Ruhe, verbindet Trump seine Attacken mit einer Beleidigung. Bei herabwürdigenden Spitznamen kennt seine Fantasie keine Grenzen: „Crooked Hillary“ Clinton, „Low energy Jeb“ Bush, „Lying Ted“ Cruz, „Crazy Nancy“ Pelosi in der Innenpolitik. „Little Rocket Man“ Kim Jong Un in der Außenpolitik.
Erst gegen die Meldung beim FBI, dann plötzlich dafür
Nun ist Überraschendes geschehen. Trump gibt nach, in der Innen- und in der Außenpolitik. Selbstverständlich werde er schmutzige Informationen aus dem Ausland über seine Gegner im Wahlkampf verwenden, hatte er zunächst gesagt. Das weckte Erinnerungen: Sein Team hatte sich 2016 mit einer Russin getroffen, die politische Munition gegen Hillary Clinton anbot.
Wahlkampfhilfe aus dem Ausland ist in den USA verboten. Wenn eine ausländische Macht fragwürdiges Material offeriert, das womöglich illegal beschafft wurde, durch Hacking, muss man das dem FBI melden. Unsinn, beharrte Trump. Im realen Leben würde jeder so eine Hilfe annehmen. Nach heftiger Kritik zog er zurück: „Klar, so einen Vorfall würde ich dem FBI oder dem Staatsanwalt melden. Absolut.“
Erst will er den Iran vernichten, dann keinen Krieg
Den Druck auf den Iran hatte Trump seit Monaten erhöht, mit Sanktionen und mit Worten. Nach dem ersten Angriff auf Tanker im Persischen Golf im Mai hatte er per Tweet gedroht: „Wenn Iran einen Kampf will, wird er zum offiziellen Ende Irans führen.“ Nun, nach dem erneuten Angriff auf zwei Tanker, hat er die Rhetorik nicht etwa verschärft. Er hält sich zurück. Keine Drohungen, keine Tweets.
Beide Kurswechsel weisen auf ein ähnliches Muster hin. Trump geht rücksichtslos vor, aber nicht blind. Er greift an, solange er sich davon Vorteile verspricht, hält aber inne, wenn ein „Point of no Return“ droht. In der Innenpolitik hat der Präsidentschaftswahlkampf 2020 begonnen. In zehn Tagen stehen die ersten TV-Debatten der Herausforderer an. Einige Demokraten wollen sich hervortun, indem sie ein Impeachment verlangen. Solange das eine allgemeine Forderung bleibt – ohne einen konkreten Vorwurf, der für Trumps Anhänger wie eine Straftat aussieht –, hat er wenig zu befürchten.
Doch auch republikanische Autoritäten haben seine Bereitschaft kritisiert, illegale Hilfe aus dem Ausland anzunehmen. Senator Lindsey Graham nannte Trumps Aussage „einen Fehler. Die Rechtslage ist klar“. Joni Ernst, die republikanische Senatorin von Iowa, wo 2020 die ersten Vorwahlen stattfinden, betont: „Man vertraut nicht auf Material aus dem Ausland. Ich würde es melden.“
Grund zu Misstrauen
Im Iran hat Trump einen Gegner gefunden, der sich auf Beleidigungen und das Zufügen von Schmerzen ebenso gut versteht. „Foul Mouthed“, „Stinkemund“, nennen sie den US-Präsidenten. Trump wollte die Mullahs an den ökonomischen Abgrund drängen, in der Erwartung, dass sie nachgeben. Teherans Öleinnahmen haben sich halbiert. Mit dem Angebot, das Atomabkommen nachzubessern, war Japans Regierungschef Shinzo Abe nach Teheran gereist. Dort haben nun aber Hardliner die Oberhand, nicht die Gesprächsbereiten wie Präsident Ruhani und Außenminister Zarif.
Beim Abe-Besuch kam es zu den erneuten Attacken auf zwei Tanker, darunter ein japanischer. Zufall? Die Mehrzahl der Experten vermutet, Irans Revolutionsgarden seien die Täter. Eindeutige Belege liegen nicht vor. Nach den Erfahrungen mit den Belegen für Saddams Massenvernichtungswaffen 2003 gibt es Grund, den „Beweisen“ der US-Dienste zu misstrauen. Zur umgekehrten Haltung, man dürfe dem Iran, der jede Verantwortung abstreitet, vertrauen, besteht freilich auch kein Anlass.
Die Gefahr einer Eskalation wächst. Einen Krieg will Trump nicht. Er hat seinen Wählern den Rückzug von US-Truppen versprochen; das gesparte Geld will er im Inland ausgeben. Rückzug ist nicht Trumps Paradedisziplin. Doch wer zu weit geht, muss auch umkehren können.