Nach Kritik durch Jens Spahn: Bundesregierung bekennt sich klar zu Migrationspakt
Jens Spahn, Kandidat für den CDU-Vorsitz, möchte den UN-Migrationspakt in der Partei noch einmal erörtern. Das passt einigen Parteifreunden nicht.
In der Diskussion über den geplanten UN-Migrationspakt stößt Gesundheitsminister Jens Spahn in der CDU auf Kritik mit seinem Vorschlag, über eine deutsche Zustimmung erst noch auf dem Parteitag im Dezember zu diskutieren. Mehrere christdemokratische Politiker wiesen die Idee des CDU-Vorsitzkandidaten, das internationale Dokument notfalls später zu unterschreiben, ebenso zurück wie von anderen erhobene inhaltliche Bedenken gegen den Pakt. Auch die Bundesregierung bekannte sich noch einmal deutlich zu dem Abkommen.
Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel kündigte nach Angaben von Teilnehmerkreisen am Montag in der Sitzung der Unionsfraktion an, sie werde den Migrationspakt an diesem Mittwoch in ihrer traditionellen Haushaltsrede zum Kanzleretat thematisieren. Auch in der Sitzung des Koalitionsausschusses an diesem Dienstagabend soll nach Informationen aus Unionskreisen über die deutsche Haltung zum Migrationspakt gesprochen werden.
„Die Bundesregierung steht hinter diesem Pakt“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Der Pakt helfe, wichtige Ziele der Bundesregierung in der internationalen Migrationspolitik zu erreichen und umzusetzen. Die Regierung sei überzeugt, dass eine globale Herausforderung wie die Migration nur global und multilateral angegangen und gelöst werden könne. Nationale Alleingänge würden in Sackgassen führen, sagte Seibert.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sagte der „Bild“-Zeitung: „Die Unterzeichnung des Migrationspakts notfalls zu verschieben, wäre eine doppelte Führungsschwäche, die sich Deutschland nicht erlauben darf.“ Der Pakt sei auch „ein enorm wichtiger erster Schritt der internationalen Gemeinschaft, Migration zu steuern“.
Vizefraktionschef Stephan Harbarth (CDU) bewertet das ähnlich und sagte der Heidelberger „Rhein-Neckar-Zeitung“: „Es gibt keine Veranlassung, etwas an dem vorgesehenen Zeitplan für den UN-Migrationspakt zu ändern. Der Deutsche Bundestag wird Ende November einen Antrag verabschieden, durch den er sich eindeutig positioniert und der Bundesregierung Rückendeckung gibt.“
Linnemann stellt sich hinter Spahn
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) rechnet nicht damit, dass die Debatte über den UN-Migrationspakt die Union spalten könnte. „Da wird nix gespalten werden“, sagte er vor einer Sitzung der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU. In der Fraktion wird derzeit ein Entschließungsantrag zu dem Pakt vorbereitet, der kommende Woche beraten werden soll. Darin wollen sich die Unionsabgeordneten klar hinter das Abkommen stellen. Eine Abstimmung über den Pakt im Bundestag ist nicht vorgesehen.
Mit Carsten Linnemann (CDU) stellte sich ein anderer stellvertretender Fraktionschef allerdings hinter Spahn. Ebenso wie der Gesundheitsminister wolle er beim Parteitag abstimmen lassen, ob die Bundesregierung diesem Abkommen beitreten solle, sagte Linnemann am Montag im RBB-Inforadio. Der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU fügte an, ihm fehle bei dem Vorhaben die Ausgewogenheit: „Ich glaube, insgesamt ist das ein Loblied auf die Migration. Ich will nicht sagen, dass Migration per se etwas Schlechtes ist (...). Aber man darf nicht blauäugig sein und Migration so definieren, dass sie per se etwas Gutes ist.“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, er sei von Spahns Vorstoß überrascht. In der vorletzten Woche hätten die Unions-Bundestagsabgeordneten drei Stunden lang über das Thema diskutiert - „es gab eine ganz breite Mehrheit, dass wir uns hier von populistischen Kräften nicht in Boxhorn jagen lassen“. Er habe zudem nicht den Eindruck gehabt, dass sich Spahn bei jener Gelegenheit „in der Weise“ geäußert habe wie jetzt. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte der „Rheinischen Post“, derzeit werde „zum Teil sehr bewusst Panik erzeugt“. Das trage nicht „zur sachlichen Diskussion bei und ärgert mich“. Der UN-Migrationspakt sei kein rechtlich bindendes Dokument.
Der außenpolitische Fraktionssprecher Jürgen Hardt (CDU) wies Bedenken zurück. Diffuse Ängste werden geschürt und Menschen werden verunsichert“, sagte er der „Welt“. Niemand aus den demokratischen Parteien solle sich für so etwas hergeben. „Denn selbst wenn sich am Ende nichts von den Sorgen bewahrheitet, bleibt bei den Bürgern ein flaues Gefühl.“
CDU-Vizechef Thomas Strobl ließ zumindest Skepsis erkennen. Zwar sagte er „Bild“: „In der Partei um den richtigen Weg zu ringen, ist grundsätzlich immer vernünftig.“ Der Innenminister von Baden-Württemberg fügte aber mit Blick auf den Pakt hinzu: „Ich bin sehr dafür, dass wir für ihn werben - und absolut dagegen, dass wir aus Furcht vor der irreführenden AfD-Kampagne auch nur einen Teilrückzug vollführen.“
"Jens Spahn hat Panik"
Allerdings sehen das nicht alle in der Union so. Der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt hatte auf einem Parteitag am Wochenende die Bundesregierung aufgefordert, den Pakt abzulehnen. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Entwicklungshilfe, Peter Ramsauer (CSU), will den UN-Pakt „nicht mittragen“. „Durch das gesamte Dokument zieht sich eine Haltung, Migration als etwas Normales und gar Wünschenswertes anzusehen“, sagte er der „Welt“. „Das öffnet dem Flüchtlingsstrom nach Europa und nach Deutschland Tür und Tor.“ Und: „Das Unbehagen wird in unserer Fraktion und der CSU-Landesgruppe auf breiter Front geteilt.“
Die Bundestagsfraktion von CDU und CSU hat den Pakt aber bereits gebilligt. Der CDU-Parteitag, auf dem Spahn das Thema debattieren will, findet am 7./8. Dezember statt - nur wenige Tage vor dem geplanten Unterzeichnungsgipfel am 10./11. Dezember in Marokko. Kanzlerin Angela Merkel ist ebenso wie der Koalitionspartner SPD für ein klares Ja.
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Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl Ende Mai, Katarina Barley, warnte vor Stimmungsmache auch von einigen CDU-Politikern: „Die leiten Wasser auf völlig falsche Mühlen“, sagte sie am Montag nach einer SPD-Vorstandssitzung. Es sei falsch, wenn der Eindruck erweckt werde, die Bundesrepublik werde zu etwas verpflichtet. Schon gar nicht gehe es um die Aufnahme bestimmter Flüchtlingskontingente. Auch aus Reihen von FDP und Grünen sowie vom Paritätischen Gesamtverband kam Kritik an den Äußerungen Spahns.
Der französische Präsident Emmanuel Macron stellte sich ebenfalls hinter die Vereinbarung. Sie sei nicht verpflichtend, aber doch eine wichtige Etappe der internationalen Zusammenarbeit, auch beim Kampf gegen Schleppernetzwerke, sagte Macron bei einem Staatsbesuch in Belgien.
Die USA, Österreich, Ungarn, Australien, Tschechien, Bulgarien und Estland scherten allerdings bereits aus. In Deutschland kommt vor allem von der AfD laute Kritik.
Außenminister Heiko Maas sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, nur mit internationaler Zusammenarbeit werde es möglich sein, Migration zu bewältigen und zu steuern. „Der UN-Migrationspakt schafft nun erstmals einen rechtlich nicht verbindlichen, aber gemeinsamen Rahmen für eine solche internationale Zusammenarbeit.“
Und FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ über Spahns Vorstoß: „Völliger Unsinn. Jens Spahn hat Panik, weil Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer im Wettbewerb um den CDU-Vorsitz vorne liegen.“
AfD-Chef Jörg Meuthen sagte dagegen der Deutschen Presse-Agentur, wenn es gelinge, dass sich in der Union das Blatt noch wende, sei das ein Erfolg. „Der Migrationspakt ist toxisch.“
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, eine Unterzeichnung des Abkommens sei – wie in den UN bei solchen Abkommen üblich – nicht vorgesehen. Der Pakt solle am 10./11. Dezember auf einem Gipfel in Marrakesch in Marokko angenommen werden. Anschließend werde er an die UN-Generalversammlung übermittelt und dort im Januar 2019 per Resolution förmlich angenommen. Bei dem fast zweijährigen Verhandlungsprozess habe es von Anfang an von der Bundesregierung und den UN enorme Bemühungen zur Transparenz gegeben. Auch die Abstimmung zwischen den Regierungsressorts hätte nicht enger sein können. Die Nachrichten von der deutschen Verhandlungsdelegation in New York seien beispielsweise sofort an die Ressorts gegangen. (dpa)
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