Flüchtlinge: Bei der Neuregelung für den Familiennachzug gelten strenge Kriterien
Ab Mittwoch treten neue Regeln für den Familiennachzug in Kraft. Dann dürfen Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus wieder enge Angehörige zu sich nach Deutschland holen – in begrenztem Umfang.
Es war eines der prominentesten Themen bei den Koalitionsverhandlungen, jetzt tritt die Neuregelung in Kraft: Ab dem 1. August können Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz wieder ihre Angehörigen nachholen, allerdings in sehr stark begrenztem Umfang. Gerade einmal 1000 Menschen pro Monat sollen nach Deutschland kommen können. Für die sogenannten subsidiär Geschützten war der Familiennachzug seit 2016 komplett ausgesetzt gewesen. Diesen Status haben insbesondere viele der Syrer in Deutschland.
Wen betrifft die Neuregelung?
Es geht um die sogenannten subsidiär geschützten Flüchtlinge. Dabei handelt es sich um Menschen, die in ihrem Heimatland nicht persönlich verfolgt werden, die aber trotzdem einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt sind - etwa durch einen Bürgerkrieg.
Die Aufenthaltserlaubnis wird für ein Jahr erteilt, kann aber gegebenenfalls um zwei Jahre verlängert werden. Diesen Status haben insbesondere viele der Syrer in Deutschland. Für die subsidiär Geschützten war der Familiennachzug seit März 2016 komplett ausgesetzt.
Wer genau kann nachgeholt werden?
Nachgeholt werden kann die Kernfamilie - das sind Ehegatten, minderjährige ledige Kinder und Eltern von minderjährigen Kindern, die ohne sorgeberechtigtes Elternteil in Deutschland leben.
Nach welchen Kriterien werden die Nachzügler ausgewählt?
Es besteht kein Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Vielmehr wird nach humanitären Gründen geprüft, wer für den Familiennachzug infrage kommt. Besonders berücksichtigt werden dabei die Dauer der Trennung der Familie, die Frage, ob es um minderjährige Kinder geht, eine mögliche Bedrohung für Leib und Leben sowie schwere Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit.
Positiv wirkt sich aus, wenn Lebensunterhalt und Wohnraum gesichert sind - wobei das keine Bedingung ist. Ein Nachzug ist ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Straftaten vorliegen, der subsidiär Schutzberechtigte keine Bleibeperspektive in Deutschland hat oder seine Ehe erst nach der Flucht geschlossen wurde.
Wie viele Menschen kommen für die Neuregelung infrage?
Das lässt sich schwer sagen. Bislang gibt es laut Auswärtigem Amt in deutschen Auslandsvertretungen in Nachbarstaaten Syriens diesbezügliche Terminanfragen von gut 31.000 Angehörigen. Dies allein würde für die Betroffenen Wartezeiten von teils mehr als zwei Jahren bedeuten. Allerdings ist unklar, ob gerade schon ältere Anfragen alle noch aktuell sind und wie viele Interessenten nach Inkrafttreten für die Neuregelung tatsächlich auch Anträge stellen.
Wie gehen die Behörden mit dem monatlichen Kontingent von 1000 Nachzüglern um?
Weil davon ausgegangen wird, dass die Zahl von 1000 in der Anfangsphase unterschritten werden könnte, gilt eine Übergangsregelung: Für die ab August verbleibenden fünf Monate des Jahres wird die Gesamtzahl von 5000 zugrunde gelegt. Erst ab Anfang 2019 gilt dann die fixe Grenze von 1000 Angehörigen pro Monat.
Wie funktioniert die Antragstellung?
Anträge können bei den jeweils zuständigen Botschaften oder Generalkonsulaten gestellt werden. In Amman, Beirut und Erbil nimmt die Internationale Organisation für Migration (IOM) die Anträge entgegen. Antragsteller, die zunächst leer ausgehen, müssen keinen neuen Antrag stellen. Sie können darauf hoffen, zu einem späteren Zeitpunkt zum Zuge zu kommen.
Wie werden die Anträge bearbeitet?
Die Auslandsvertretungen leiten die Anträge nach Deutschland weiter, wo sie zunächst von den Ausländerbehörden geprüft werden. Wer jeweils nach Deutschland kommen kann, entscheidet das Bundesverwaltungsamt (BVA) in einem komplizierten Verfahren, bei dem die gesetzlich festgelegten Kriterien berücksichtigt werden.
Das BVA berechnet auch das jeweilige Monatskontingent. Schließlich erteilt die jeweilige Auslandsvertretung die Visa - und die Angehörigen können die Reise nach Deutschland antreten.
Welche Kritik gibt es an der Neuregelung?
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, kritisiert die Kontingentierung des Familiennachzugs. Damit „verändert die Bundesregierung auch den Charakter des Grundgesetzes“, sagte sie der "Passauer Neuen Presse". Ein fundamentales Grundrecht werde hier „mit Füßen getreten“.
Artikel 6, nach dem Ehe und Familie unter besonderem Schutze der staatlichen Ordnung stehen, werde so zum „Gnadenrecht, das eben nicht mehr universell gilt, sondern für wenige, einige Ausnahmen“, so Baerbock. Eine Obergrenze für Flüchtlinge oder für den Nachzug ihrer engsten Familienangehörigen „wird es mit den Grünen nicht geben“, erklärte sie weiter. Denn „das ist unmenschlich. Es schadet den betroffenen Familien und behindert die Integration.“
Auch die Diakonie hält humanitäre Schutzbedürftigkeit und eine starre Kontingentlösung „für miteinander nicht vereinbar“, wie das Vorstandsmitglied Maria Loheide dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Caritas stufte die Zahl von monatlich 1000 einreisenden Flüchtlingen als zu niedrig ein. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes, Christian Reuter, sagte dem RND, die Anforderungen an Flüchtlinge seien oft schwer umzusetzen. „Eine Herausforderung stellt vielfach der verlangte Nachweis über das Vorliegen von humanitären Gründen dar. Das gilt zum Beispiel, wenn Atteste für Krankheiten direkt in Syrien beschafft werden müssen.“
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), hat einer generellen Ablehnung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus widersprochen. "Jeder Mensch hat das Recht auf familiäre Gemeinschaft", sagte Jensen der "Rheinischen Post".
"Menschen müssen bei der Integration in unsere Gesellschaft bestmöglich unterstützt werden, Familienzusammenführung ist dazu ein Mittel", fügte sie hinzu.
FDP-Chef Christian Lindner hatte es am Montag als "völlig unvernünftig" bezeichnet, dass Flüchtlinge ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus in Deutschland noch die Familie nachholen können. "Warum überhaupt nur 1000, nicht 500 oder 2000", sagte Lindner. Das könne "man niemandem erklären". (AFP, KNA, dpa)
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