SPD, Linke und die DDR als "Unrechtsstaat": Bausewein: Für uns gibt's kein Zurück
Die Querschüsse aus der Linken-Bundesführung im Streit um die DDR als Unrechtsstaat hält SPD-Verhandlungsführer Andreas Bausewein für wenig hilfreich. Den Genossen in Thüringen um Bodo Ramelow aber vertraut er.
Herr Bausewein, verspielt die Linkspartei gerade Rot-Rot-Grün in Thüringen?
Das wird sich zeigen. Die Gespräche, die wir führen, sind sehr konstruktiv. Bei der Debatte, die gerade läuft, muss man auch ein bisschen darauf achten, wo die Stimmen herkommen. Bei den Sondierern der Linkspartei in Erfurt habe ich den Eindruck, dass sie die verabredete Erklärung mit dem Unrechtsstaatsbegriff für die DDR sehr ernst nehmen und akzeptieren.
Wichtige Leute in der Linkspartei aber zerreden das Erfurter Papier: Gregor Gysi, Dagmar Enkelmann, Gesine Lötzsch und andere…
Ich finde zwar gerade auch wenig hilfreich, was Gregor Gysi macht und Frau Enkelmann und wie sie alle heißen. Die gucken aus Berlin und haben ihre Bundessicht. Die sind alle nicht in Thüringen. Die sind alle in Berlin. Sie begleiten dort zwar auch wichtige Funktionen, das will ich nicht klein reden. Aber ich haue diese Querschüsse aus Berlin den Linken hier nicht pausenlos um die Ohren. Für mich ist entscheidend, wie die Thüringer Linke zu unserer Verabredung steht. Und der Thüringer Landesvorstand der Linkspartei hat das Papier einstimmig abgesegnet. Auch die Landtagsfraktion der Linken steht dazu. Wichtig ist jetzt, dass das genauso für die deutliche Mehrheit der Parteimitglieder gilt.
Die Landtagsabgeordnete Ina Leukefeld sagt, „DDR-Unrechtsstaat“ sei ein „Kampfbegriff“. Der Linken werde eine „bigotte Geste“ abverlangt. Da fehlt schon mal eine, oder?
Sie hat sich differenziert geäußert. Sie versteht, dass Menschen die DDR als Unrechtsstaat sehen, würde das selbst aber nicht so unterschreiben. Na ja. Sie kann ja ihre Meinung haben. Aber auch Frau Leukefeld hat die Linie der Landtagsfraktion unterstützt, wie ich höre. Die Debatte muss die Linke führen. Der Ball liegt eindeutig in ihrem Feld. Es wäre gut gewesen, wenn die Linke die Diskussion eher geführt hätte. Es gab eine Grundlage dafür. SPD, Grüne und Linke haben sich schon 2009 auf Eckpunkte zu diesem Thema verständigt, als es schon einmal um Rot-Rot-Grün ging. Die Linke hätte nicht warten sollen bis zum Tag X. Jetzt muss sie die Diskussion rasch nachholen und sich dann klar bekennen.
Ist die Diskussion grundsätzlich gut?
Na klar. Wir haben bewusst unsere Sondierungsgespräche mit diesem Thema begonnen, weil wir schon wussten, dass das ein Knackpunkt ist. Es macht wenig Sinn, sich über alle möglichen inhaltlichen Fragen zu verständigen, um am letzten Sondierungstag so ein Thema aufzuwerfen – und dann bricht es mit einem mal los. Ganz bewusst haben Grüne und Sozialdemokraten gesagt, wir würden uns mit der Linken gern erst einmal über die Vergangenheit unterhalten und wie sich eine eventuelle Koalition dazu positioniert.
Haben Sie in den letzten Tagen mal daran gedacht, die Gespräche mit der Linken zu beenden? Daran gedacht, dass das mit der Linkspartei nichts wird?
Falls überhaupt, dann nicht wegen dieser Debatte. Die Linke muss das, was wir vereinbart haben, klar mittragen. Da gibt’s für uns - und hier spreche ich, glaube ich, auch für die Grünen mit - kein Zurück. Das sind wir unseren Mitgliedern schuldig. Sowohl die Grünen als auch die Sozialdemokraten sind in Thüringen in der Wendezeit entstanden. Und es gibt viele in den eigenen Reihen, die sich zu Recht als Bürgerrechtler bezeichnen. Deswegen ist die Debatte auch für die Grünen und uns wichtig. Aber die klare Positionierung dazu muss jetzt von den Linken kommen.
Das Papier wird fast nur unter dem Stichwort DDR-Unrechtsstaat diskutiert. Da steht ja aber eine ganze Menge mehr drin…
Da steht zum Beispiel drin, dass die Biographien einzelner nicht entwertet werden. Kein Mensch kann dafür, wenn er in irgendein System hineingeboren wurde. Trotzdem haben viele Menschen ihr Leben gelebt und das Beste daraus gemacht. Wir entwerten nicht pauschal alles, schon gar nicht alle ostdeutschen Biographien. Um Gottes willen: Das können wir gar nicht und das wollen wir auch nicht.
Bei Bodo Ramelow als potenziellem Ministerpräsidenten haben Sie keine Zweifel?
Nein. Ramelow ist gebürtiger Westdeutscher, kam nach der Wende rüber, ist erst vor 15 Jahren eingetreten in die damalige PDS. Der hat nicht die typische Linken-Biographie. Zahlt Kirchensteuer, das ist bei den Linken auch nicht so häufig. Ich habe keinen Zweifel daran, dass er hinter unseren Verabredungen steht. Der Part von Bodo Ramelow, dem Sondierungsteam und dem Linke-Landesvorstand muss jetzt sein, die Diskussion zu organisieren. Zum Schluss muss die Linke-Basis mit einer deutlichen Mehrheit sagen: Ja, so war’s mit der DDR. Wir als Sozialdemokraten werden hinter die Formulierung nicht zurückgehen.
Andreas Bausewein (41) ist seit 2006 Oberbürgermeister von Erfurt. Der SPD-Politiker leitet die Delegation seiner Partei in den Sondierungsgesprächen zur Bildung einer Landesregierung in Thüringen. Nach der Wahlniederlage der SPD am 14. September entschied die Landesführung, dass er als Nachfolger von Christoph Matschie Landesvorsitzender der SPD werden soll. Das Gespräch führte Matthias Meisner.