Flughafen-Desaster: Berlin und BER: Schadenfreude verpflichtet
Ganz Deutschland amüsiert sich über Pannen in Berlin. Doch international genießt die Stadt immer noch großes Wohlwollen. Jetzt muss sie da aber auch was draus machen.
Das war’s dann wohl mit den fleißigen Deutschen, die alles pünktlich geregelt kriegen. So stand es kürzlich im „Economist“, dem renommierten Magazin aus London, das auf der ganzen Welt gelesen wird. Anlass war – natürlich – das „Berliner Flughafen-Fiasko“, die „ewige Baustelle“ am Rande der deutschen Hauptstadt. Anderswo macht Berlin inzwischen Karriere als abschreckendes Beispiel: In Istanbul, wo der größte Flughafen der Welt in vier Jahren fertig sein soll, warnen Kritiker vor allzu ambitionierten Plänen. Nicht dass es nachher so ausgeht wie jetzt in Berlin.
Unsere Landsleute, vor allem die im Süden der Republik, dürften sich zwar tief im Herzen auch über den internationalen Imageschaden grämen, der die bis vor kurzem noch effizienten Deutschen insgesamt trifft. Doch es überwiegt die Schadenfreude über die da in Berlin, die nichts auf die Reihe bekommen, aber viel Geld aus dem Länderfinanzausgleich. Da passt die Nachricht ins Bild, dass die landesfinanzierte Flughafen-Gesellschaft noch nicht einmal in der Lage ist, einen Nachfolger für den ohnehin schon viel zu spät geschassten Flughafen-Chef Rainer Schwarz zu finden. Gerade hat Wilhelm Bender abgewinkt, der Hoffnungsträger aus, natürlich, Hessen.
Ein Gedankenspiel: Was wäre wohl am Tag danach los, wenn in Berlin – sagen wir beim DFB-Pokalfinale – so wie jetzt beim Super Bowl in New Orleans der Strom ausgefallen wäre? Genau: Berlin sollte die Schadenfreude als Kompliment auffassen. Abgearbeitet wird sich an denen, die interessant sind. An denen, die Potenzial haben. An denen, die womöglich anderen in deren Selbstgefälligkeit künftig gefährlich werden können. Ob in Hamburg nun ein Konzertsaal fertig gebaut wird oder in Stuttgart ein Bahnhof, das interessiert international niemanden. Und was in München außer Fußball so passiert, nun ja. Frankfurt? ...
Was Berlin und BER nun tun müssen
Berlin muss die Aufmerksamkeit aber auch als Forderung annehmen. Dahinter steckt zwar Potenzial, erkennbar am starken Interesse von Zuwanderern und den zuletzt erfreulicheren Wirtschaftsdaten. Aufmerksamkeit und Potenzial reichen aber auf Dauer nicht. Zunächst mal beim Flughafen: Dort wird jetzt ein erfahrener Projektmanager gebraucht, der sich mit hochkomplexen Unternehmungen hervorgetan hat Einer, der sich den Überblick verschafft und ihn behält. Einer, der die unterschiedlichen Gewerke mit Aura, Autorität und Teamfähigkeit zusammenhält, nach innen Rechenschaft verlangt und nach außen Rechenschaft ablegt. Der sich Transparenz aus Souveränität erlauben kann, sich nicht dauernd verfolgt fühlt und mauert, nur um dann von der nächsten journalistischen Enthüllung wieder bloßgestellt zu werden. Wer den Stand der Arbeiten und aufgelaufenen Kosten freiwillig nennt, muss keine Enthüllungsgeschichten fürchten. Davon, dass dies bei einem öffentlich finanzierten, derart teuren Projekt selbstverständlich sein müsste, ganz zu schweigen.
Wenn das jetzt wie das Anforderungsprofil für einen Regierenden oder einen Bezirksbürgermeister klingt, dann ist das womöglich kein Zufall. Auch die Stadt könnte solche Manager gebrauchen. Das oberste Prinzip wäre, sich ehrlich zu machen und darauf hinzuarbeiten, dass Berlin seine wirtschaftlichen Potenziale nutzt. Wer zum Beispiel gegen „Gentrifizierung“, die Aufwertung von Wohnvierteln zulasten Alteingesessener, vorgehen will, der muss erklären, wie sonst genug Geld für Instandsetzung und Entwicklung reinkommen soll.
Statt Aufwand zu treiben, um Vermietern von Ferienwohnungen nachzustellen oder zu überwachen, ob jemand nun sein Bad kiezwidrig renoviert, sollte lieber in Englischkurse für Behördenmitarbeiter investiert werden. Erst neulich hat der Chef der hiesigen Handwerkskammer beklagt, wie provinziell Berlin in dieser Hinsicht noch ist – ein Hindernis bei der Ansiedlung internationaler Firmen.
Die Schadenfreude ist unendlich, doch auch das Wohlwollen ist zum Glück noch nicht aufgebraucht: „Kurz gesagt: So etwas kann passieren“, heißt es am Ende des „Economist“-Artikels über das Flughafen-Desaster. „Sogar den Deutschen.“