Pulp-Science-Fiction: Wilder Galopp durch Zeit und Raum
In „Die Legende von Kronos Rocco“ jagt Bela Sobottke seinen Revolverhelden durch die Postapokalypse, das Fichtelgebirge und das historische Berlin.
Rocco, der Revolverheld des Berliner Künstlers Bela Sobottke, reitet wieder – allerdings nicht auf einem Pferd. In „Die Legende von Kronos Rocco“ (Gringo Comics, 48 S., 16,80 €) stolpert Rocco im Wilden Westen über eine seltsame Kugel, mittels derer er durch Raum und Zeit galoppiert. Unterwegs trifft er liebeshungrige Aliens, erhält er eine futuristische Knarre und wird von Mutanten durch die Postapokalypse nach Trump gejagt.
Im Fichtelgebirge avanciert außerdem ein sprechendes Frettchen zu seinem Sidekick. Gemeinsam bekommen sie es mit bösen Wolpertingern und hungrigen Neandertalern zu tun, reisen aber auch ins Berlin des Jahres 1918, wo sie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sozialistisch inspirieren.
Ein Denkmal für den Italowestern
2012 legte Sobottke, den Tagesspiegel-Leser als Kolumnisten der Comicseite kennen, mit „Krepier oder stirb“ Roccos erstes Abenteuer vor, 2014 folgte „Keiner killt so schön wie Rocco“. Von Anfang an wollte der 1975 geborene Sobottke den Italowestern, die er so liebt, ein Denkmal setzen.
Einige dieser Filme, deren Archetypen und Bildsprache unter anderem über Moebius’ Klassiker „Blueberry“ den Weg in den internationalen Comic fanden, durchbrechen mühelos die Grenze zu dem, was man als Weird Western bezeichnet. Monster oder Zeitreisen? Kein Problem für diese Abwandlung des Revolverheldenmythos.
Das vorläufige, eigenständig zu lesende Finale der Geschichte Roccos schließt die formale Entwicklung der Reihe ab. Los ging es in einem dünnen Paperback-Kleinband, danach kam ein kompaktes Hardcover, und nun ist Sobottkes bartstoppeliger Revolvermann im großen Hardcover-Album angekommen – der Kreis zu „Lucky Luke“ sowie den europäischen Künstlerlegenden um Philippe Druillet, die Sobottke geprägt haben, schließt sich also.
Anklänge an „Métal Hurlant“
Rocco schießt im dritten Teil nicht mehr mit Blei, ist dem Schwermetall des grenzenlosen und zugleich grenzerweiternden Science-Fiction-Comicmagazins „Métal Hurlant“ jedoch näher denn je.
Der Berliner Werbegrafiker Sobottke quittiert den Album-Vertrauensvorschuss seines Stammverlags Gringo mit starken, zum Teil innovativen Seitenkompositionen. Generell sind die kontrastreichen, überwiegend schwarz-weiß-roten Zeichnungen immer schön anzuschauen und handwerklich tadellos
Bela Sobottke hat verstanden, was guten Pulp und gute Genrekost ausmacht: Verrückt, schräg und grell darf es werden, aber es muss von Herzen kommen und überzeugend gemacht sein. „Die Legende von Kronos Rocco“ erfüllt beide Kriterien.
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