Kolumne zum Literaturbetrieb: Unverwüstliches Klagenfurt
Nächste Woche beginnt das Ingeborg-Bachmann-Lesen in Klagenfurt, zum 41. Mal. Über die Unverwüstlichkeit und die langfristige Wirkung des Literaturwettbewerbs.
Wie jetzt, diesen Wettbewerb gibt es noch? Diese Frage wird sich womöglich die eine oder der andere stellen, wenn Mitte nächster Woche das Ingeborg-Bachmann-Lesen in Klagenfurt beginnt. Der Jubiläumswettbewerb war vergangenes Jahr, der 40. nach der Gründung 1977, und in der krisenhaften Zeit zuvor hatte es häufiger Gerüchte gegeben, danach könnte Schluss sein, weil die Stadt Klagenfurt zu viel Geld sparen müsse oder der den Wettbewerb live übertragende Fernsehsender 3sat sich zurückziehen wolle.
Aber nein, es geht einfach weiter und in die 41. Runde. Dieses Jahr gibt es sogar wieder einen neuen Preis, den sogenannten Deutschlandfunk-Preis, der vom Deutschlandradio gestiftet wird, mit immerhin 12.500 Euro dotiert ist und damit die Silbermedaille bedeutet. Weshalb man gleich auch meint konstatieren zu müssen: Was diesen Wettbewerb wirklich auszeichnet, ihn im Kern ausmacht, das ist seine Unverwüstlichkeit. Da kann kommen, wer oder was will, Neuerungen, Riesenmaschinen, Spinnen, da kann meckern und Klagenfurt abschaffen wollen, wer will, da können Betrieb und der Wettbewerb selbst (beispielsweise mit seinen sogenannten Reden zur Literatur, kommt dieses Jahr vom Bachmannpreis-Gewinner 1995, Franzobel) so sehr um sich selbst kreisen, wie sie meinen zu müssen. Es ist dann auch sehr egal, dass bei dem Wettlesen schon längere Zeit keine tragfähigen Karrieren mehr auf den Weg gebracht oder literarische Schwergewichte im Dutzend entdeckt worden sind. Wer hat vergangenes Jahr gewonnen? Ach ja, die schwarze Britin Sharon Dodua Otoo mit ihrem Weißes-Ei-Textchen „Herr Gröttrup setzt sich hin“. Davor? Nora Gomringer. 2014? Tex Rubinowitz. 2013? Katja Petrowskaja. Nun denn, kann alles noch werden.
Hauptgewinn oder Verriss, beides funktioniert als PR-Strategie.
Insofern passt das diesjährige Teilnehmer- und Teilnehmerinnenfeld gut ins Bild. Es gibt ein paar bekannte Namen, einige unbekannte, allerdings keinen einzigen Popstar wie vergangenes Jahr Stefanie Sargnagel und 2015 Ronja von Rönne. Und der Zeit entsprechend wirkt das Ganze einmal mehr recht international, zum Beispiel mit einer Autorin wie Barbi Markovic, die in Belgrad geboren wurde. Oder mit dem Amerikaner John Wray, der in Brooklyn, New York lebt und mit „Die rechte Hand des Schlafs“, „Retter der Welt“ und zuletzt „Das Geheimnis der verlorenen Zeit“ eine Reihe ziemlich guter Romane geschrieben hat. Abgesehen davon, dass er deutsche Vorfahren hat und gut Deutsch spricht: Was treibt Wray, in Klagenfurt zu lesen?
Bei einigen anderen, gerade den etwas bekannteren Autoren aus Deutschland, ist das offensichtlicher. Im Fall der Auftritte von Jörg-Uwe Albig und Eckhart Nickel wirkt es, als sollten tatsächlich zumindest kleinere Karrieren ein wenig neuen Schwung bekommen. Albig, der 1960 geboren wurde, hat ebenfalls schon einige ordentliche und interessante Romane geschrieben, ist aber bislang ein Geheimtipp. Er dürfte eine Passage aus seiner neuen Novelle „Eine Liebe in der Steppe“ lesen, die von einem Mann und seiner Liebe, genau: zu einem Gebäude erzählt und von seinem Verlag direkt nach den Tagen in Klagenfurt veröffentlicht wird. Ob diese Marketingstrategie hinhaut? Albig müsste einen Preis gewinnen oder komplett verrissen werden, ein Mittelfeldplatz würde nicht gerade viel helfen.
Mit Eckart Nickel ist ein Protagonist der guten alten Popliteratur dabei
Und Eckhart Nickel? Den kennen Altvordere aus den goldenen Zeiten der Popliteratur Ende der neunziger, Anfang der nuller Jahre. Damals war der 1966 geborene Autor zum Beispiel einer der fünf Hotel-Adlon-„Tristesse-Royale“-Diskutanten. Mit Christian Kracht veröffentlichte er ein Reisebuch und mehrere Ausgaben der Zeitschrift „Der Freund“, auch einen Erzählungsband gibt es von ihm. Doch sonst? Ist es seltsam, ihm ausgerechnet in Klagenfurt wieder zu begegnen. Aber womöglich füllt Nickel die Lücke, die Ronja von Rönne und Stefanie Sargnagel hinterlassen haben, sorgt für den Glam-Aspekt, Alter hin oder her.
Sicher ist: Der selbst ernannte Popliteraturerfinder, Popliteraturtotengräber und Super-Erfolgsautor Joachim Lottmann, der das Bachmann-Lesen Jahr für Jahr aufmerksam verfolgt, wird Nickel über die Maßen feiern.
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