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Machertyp. Mit Udo Kittelmann, 61, verliert die Preußenstiftung einen ihrer bekanntesten Direktoren.
© Matthias Balk/dpa

Staatliche Museen in der Krise?: Udo Kittelmanns Rücktritt wirft ein Schlaglicht auf gravierende Probleme

Der Chef der Nationalgalerie geht, andere schlagen prestigeträchtige Posten aus. Die hierarchischen Strukturen der Staatlichen Museen Berlins schrecken ab.

Die erste Reaktion war Fassungslosigkeit. Wie kann ein Mann den wohl tollsten Job sausen oder vielmehr sich aus den Händen gleiten lassen, den es in Berlin, dem selbsterklärten Mekka der Künstler, für Zeitgenössisches gibt? Die überraschende Bekanntgabe von Udo Kittelmanns Abschied vom Chefposten der Nationalgalerie im Herbst 2020, hat ein Schlaglicht auf die Staatlichen Museen geworfen – und auf die Stadt insgesamt.

Zwölf Jahre im Amt als Herr über fünf Häuser – Alte und Neue Nationalgalerie, Museum Berggruen und Sammlung Scharf-Gerstenberg sowie Hamburger Bahnhof – sind offensichtlich genug. Der 61-Jährige wirft die Brocken hin: So kommt es in der Kunstkapitale an. Nicht von ungefähr.

Kittelmann verlasse auf eigenen Wunsch die Nationalgalerie, teilte die Pressestelle der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in ihrer Pressemitteilung mit. Stiftungspräsident Hermann Parzinger wird darin mit den Worten zitiert, dass der scheidende Direktor „uns an anderen Orten sicher auch weiterhin noch in Staunen versetzen“ werde.

Vermutlich fühlte sich Parzinger ähnlich, als er 2018 die Absage von Inés de Castro erhielt, die eigentlich als Direktorin des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst auserkoren war, um deren Sammlungen ins Humboldt Forum einzubringen. Die Wissenschaftlerin mag in Berlin gepokert haben, um am Ende beim Lindenmuseum in Stuttgart bleiben zu können und dort bessere Konditionen zu erhalten. Doch schon damals wunderte man sich, dass sie den vermeintlich interessantesten Job, den es für einen Ethnologen im Museum zu besetzen gibt, ausgeschlagen hatte.

Beide Posten – die Leitung der Nationalgalerie und der Ethnologischen Sammlungen mit ihrem Schaufenster Humboldt Forum – gleichen einander darin, dass sie sich mit dem Repräsentationsbedürfnis der Politik zu arrangieren haben. Das Humboldt Forum im wiederaufgebauten Schloss in Berlins Mitte ist das bedeutendste Kulturprojekt der Republik. Hier soll sich erweisen, wie weltoffen, wie fortschrittlich das neue Deutschland im Umgang mit der kolonialen Vergangenheit ist.

Ihm regierten viele rein

Dafür fließt viel Geld, auch wenn aus den Reihen der Kuratoren zu hören ist, dass sie mit den räumlichen Bedingungen hadern, die Provenienzforschung zu schleppend läuft. Bei der Nationalgalerie ist das am Kulturforum geplante Museum der Moderne das Renommierprojekt der Politik. Welchen Prestigewert es besitzt, lässt sich daran ablesen, dass die Kulturstaatsministerin bei Malerstar Gerhard Richter persönlich die Zusage für ein umfangreiches Konvolut an Bildern einholte und dies entsprechend stolz kommunizierte.

Wie mag es da hinter den Kulissen zugehen, wenn sich für alle sichtbar die Politik in Ausstellungsbelange einmischt? Wer hat was zu sagen, wer entscheidet? Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist berüchtigt für ihre hierarchischen Strukturen. So mancher Museumsdirektor fühlt sich wie ein Abteilungsleiter. Einem Machertyp wie Udo Kittelmann, dem auch noch ein Generaldirektor vorstand, kann das nicht geschmeckt haben.

Bei ihm regierten viele rein. Zum einen der machtvolle Verein der Freunde der Nationalgalerie, der sich nicht nur als Geldgeber bei Ankäufen versteht, sondern auch als Ermöglicher, ja Initiator von Ausstellungen. Als kluger Direktor hat Kittelmann noch jede Ausstellung als gemeinsame Sache gepriesen. Doch dürfte er einige Kompromisse gemacht haben, um seine Unterstützer bei der Stange zu halten. Gut möglich, dass es in letzter Zeit zu Spannungen kam und die Vorstellungen auseinanderdrifteten.

Als das Träumen noch geholfen hat. Installation von Tomas Saraceno 2012 im Hamburger Bahnhof. Die Ballons seiner „Cloud Cities“ durften von den Museumsbesuchern betreten werden.
Als das Träumen noch geholfen hat. Installation von Tomas Saraceno 2012 im Hamburger Bahnhof. Die Ballons seiner „Cloud Cities“ durften von den Museumsbesuchern betreten werden.
© doa / Maurizio Gambarini

Weniger Diplomatie bewies Kittelmann offensichtlich beim Umgang mit Privatsammlern, für die nicht zuletzt das Museum der Moderne entsteht. Den Anstoß für den Plan gab die in Aussicht gestellte Schenkung des Ehepaars Pietzsch. Auch hier musste sich Kittelmann mit den Gebern arrangieren, besonders Erich Marx als zentrale Figur zufriedenstellen. Zuletzt hörte man von Berliner Sammlern wie Erika Hoffmann oder Egidio Marzona, die ihre Schätze nach Dresden und Mönchengladbach gaben. Die eine wurde nie gefragt, der andere vor den Kopf gestoßen.

Schon bereitet die Sammlung Flick als nächstes Sorgen, der eigentlich die Rieck-Hallen im Hamburger Bahnhof gewidmet sind. Hier hätte sich die Stiftung längst um eine Verlängerung des Mietvertrags, womöglich den Kauf kümmern müssen, um die Sammlung zu sichern. Wenn nicht ein Wunder geschieht, werden die Hallen 2021 abgerissen.

Vor nicht langer Zeit hatte der frühere Bürgermeister Klaus Wowereit in der Nachbarschaft eine städtische Kunsthalle imaginiert, inmitten eines damals lebendigen Kunstquartiers rund um die Heidestraße. Geblieben ist davon nichts. Stattdessen rücken die mediokren Bürobauten der Europacity dem Hamburger Bahnhof gefährlich nahe.

Die Preußenstiftung befindet sich in der Defensive, einer ihrer bekanntesten Direktoren geht, während ein Evaluierungsprozess läuft. Im Sommer 2020 will der damit beauftragte Wissenschaftsrat seinen Bericht vorlegen. In der besten aller Museumswelten würde der Nachfolger oder die Nachfolgerin mehr Entscheidungsfreiheit haben und ein besseres Budget. Udo Kittelmann hat offensichtlich damit nicht mehr gerechnet.

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