Nationalgalerie Berlin: Udo Kittelmann gibt seinen Chefposten auf
Als Direktor der Nationalgalerie Berlin sorgt Udo Kittelmann bisher für international beachtete Ausstellungen. Nun hört er überraschend auf.
Die Nachricht kam plötzlich: Udo Kittelmann verlässt die Nationalgalerie. Gerade hatte der Herr über fünf Häuser – Alte und Neue Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof, Museum Berggruen, Sammlung Scharf-Gerstenberg – die Ausstellung der Nominierten für den Kunstpreis eröffnet und sich wie jedes Mal ins Zeug gelegt für die Sache des Museums. Da gibt er seinen Posten auf. Nach zwölf Jahren an der Spitze hört er zum 31. Oktober 2020 auf. So lange währt sein Vertrag noch, den er auf eigenen Wunsch nicht verlängert, wie es bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz offiziell heißt.
Dort hätte man ihn gern gehalten, denn mit Kittelmann geht ein Museumsmann, der insbesondere der zeitgenössischen Kunst Auftrieb gegeben hat und ein junges Publikum heranholte. Wer beim Hamburger Bahnhof vorbeischaut, das Museum für Gegenwart, kann sich davon ein Bild machen. Aktuell ist das Haus verstärkt auch von älterem Publikum besucht, denn die Nolde-Ausstellung zu antisemitischen Tendenzen des Künstlers hat einen enormen Zuspruch ausgelöst. Auch damit begründete Kittelmann ein neues Zeitalter an der Nationalgalerie. Bei ihm bekamen die Ausstellungen eine stärker kulturhistorische Einbettung, etwa mit der Trilogie zum Moderne-Bestand im Mies van der Rohe-Bau. Mit „Die Schwarzen Jahre. Geschichten einer Sammlung 1933 – 1945“ musste er allerdings schon in den Westflügel des Hamburger Bahnhofs ziehen, da die Neue Nationalgalerie wegen Sanierung geschlossen war. 2020 soll die Maßnahme abgeschlossen sein, dann kann die Wiedereinrichtung beginnen. Parallel – wenn alles gut geht und der Haushaltsausschuss des Bundestags weitere Gelder freigibt – könnte das von Herzog & de Meuron entworfene Museum des 20. Jahrhunderts langsam Formen annehmen.
Lockt ein Posten in San Francisco oder New York?
Kittelmanns Abschied just in dem Moment, wo der Mies-van-der-Rohe-Bau als Flaggschiff der Nationalgalerie wieder der Öffentlichkeit übergeben wird und die Baustelle nebenan einen starken Mann braucht, lässt jedoch stutzen. Sollte sich der 61-Jährige mehr um seine junge Familie kümmern wollen? Oder lockt ein anderer Posten etwa in den USA, so wie es Max Hollein vom Frankfurter Städel zunächst ans Fine Arts Museum in San Francisco und dann ans Metropolitan in New York zog? Der Chefposten des Museum of Contemporary Art in Los Angeles wurde allerdings schon im vergangenen Jahr mit einem anderen Deutschen besetzt, Klaus Biesenbach.
Dass Kittelmann ein beherzter, fantasievoller, durchsetzungsstarker Kurator ist, hat er vielfach bewiesen – beginnend mit seiner ersten Ausstellung 2009 im Hamburger Bahnhof unter dem Titel „Die Kunst ist super!“, der manchen Nationalgalerie-Gänger erst einmal verschreckte. Doch der gebürtige Düsseldorfer, der eine rasante Karriere vom Optiker zum Kunstvereinsleiter in Ludwigsburg und Köln, dann zum Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt und schließlich der Nationalgalerie in Berlin hinlegte, wobei er 2001 als Kommissar des Deutschen Pavillons mit Gregor Schneider auch noch den Goldenen Löwe in Venedig holte, meinte dies genauso: Die Kunst ist super!
Künstler wie Gerhard Richter dankten ihm den Einsatz
Als leidenschaftlicher Macher bereitete er den Künstlern mit einer gewissen Hemdsärmeligkeit den besten Boden für ihre Ausstellungen. Darin unterschied er sich deutlich von seinem Vorgänger Peter-Klaus Schuster, der als Schöngeist stärker dem 19. Jahrhundert zugewandt war. Für die Kunst bis 1945 hatte Kittelmann sein Team, das dadurch glänzen konnte. Von ihm selbst wird etwa Carsten Höllers Präsentation im Hamburger Bahnhof mit äsenden Rentieren und einer Schlafkapsel zum Übernachten unvergessen bleiben. Die Künstler dankten ihm diesen Einsatz, wie sich gerade sichtbar an Gerhard Richters Ankündigung zeigt, der wichtige Werke für das künftige Museum der Moderne zugesagt hat. Die Verbindung nach Berlin geht auf seine Retrospektive zum 80. Geburtstag zurück, die ihm Kittelmann grandios im van-der-Rohe-Bau bereitet hatte. Letzte Überzeugungsarbeit aber leistete Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die vergangene Woche die Richter-Gabe ankündigte.
Mag sein, dass Kittelmann da schon in Gedanken woanders war, so wie er sich immer häufiger auswärts als Kurator betätigte – etwa 2017 mit der Alexander-Kluge-Ausstellung in der Fondazione Prada in Venedig oder aktuell mit Rudolf Stingel in der Fondation Beyeler bei Basel. In der Berliner Kunstszene war zunehmend der Stoßseufzer zu hören, würde er sich doch mehr um seine Arbeit vor Ort kümmern, wo eine klare Linie fehlt. Und die braucht es für das wichtigste Schaufenster der Bundesrepublik für die Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts. Bevor die Nachfolge geregelt wird, soll der Bericht des Wissenschaftsrats zur Evaluierung der Preußenstiftung im Sommer 2020 abgewartet werden. Viel zu lange für diesen wichtigen Posten.
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