Deutsche Filmförderung: Über Risiken und Nebenwirkungen der Filmförderung
Kunst und Kasse: Eine Studie des Erich Pommer Instituts untersucht die Verteilung der Filmförder-Millionen in Deutschland. Sie belegt einmal mehr, dass vieles im Argen liegt im hiesigen Subventionsdschungel.
Wow, möchte man rufen, so viel Geld, so viele Filme! Das Potsdamer Erich Pommer Institut hat seine dritte, mit Zahlen gespickte Filmförderstudie vorgelegt, seit 2010 erforscht es die Wirkung der deutschen Filmsubventionen. 310 Millionen Euro wurden 2012 in die Filmwirtschaft investiert, jeweils etwa die Hälfte aus Bundes- und Ländermitteln. Davon profitierten sage und schreibe 589 Projekte, Kino-, TV- und Kurzfilme. 220 davon kamen noch vor Jahresende ins Kino – wobei 70 Prozent weniger als 10.000 Zuschauer anlockten.
Der deutsche Marktanteil betrug magere 18 Prozent; wegen „Fack ju Göhte“ kletterte er 2013 hoch, auf 26 Prozent. Die größten Bundestöpfe, die Filmförderanstalt (FFA) und der Deutsche Filmförderfonds (DFFF), verteilten je 58 Millionen Euro, die meisten Ländermittel verbuchte die NRW-Filmstiftung (35,2 Millionen). Und das hiesige Medienboard Berlin-Brandenburg verteilte seine Gelder (19,3 Millionen) an die meisten Projekte, 114 an der Zahl. Arm, aber sexy, nach dem Gießkannenprinzip: Die Zahlen belegen, dass Berlin die Hauptstadt der Kreativen ist. 31 Prozent aller bundesweit Geförderten stammen aus der Region, hier erhielten 181 Antragsteller einen Zuschlag. Die höchste Gesamtsumme aus insgesamt sechs Fördertöpfen erhielt von 2010 bis 2012 Tom Tykwers „Cloud Atlas“: 14,5 Millionen Euro allein für die Produktion. Verkaufte Tickets: nur 1,15 Millionen. Der höchstsubventionierte Film 2012 war Fatih Akins Armenien-Drama "The Cut", mit 5,75 Millionen Euro.
Zwar sah es für die deutschen Produktionen wegen des mauen Marktanteils nicht blendend aus, die Zahl der Zuschauer und der Kinostandorte sinkt. Dennoch fiel die Bilanz positiv aus: Erstmals setzte die Branche über eine Milliarde Euro um. Da ist der Vorwurf schnell bei der Hand, dass am Markt vorbei und vor allem zugunsten der Filmschaffenden selber gefördert wird. 220 Filme am Start (2013 sah es ähnlich aus), das sind rund vier deutsche Filme pro Woche - die kann und will kein Mensch sehen. Was aber keinen harten Konkurrenzkampf auslöst: Viele Produzenten haben ihr Auskommen, auch wenn ihr Werk nur kurz läuft und kaum Zuschauer erreicht. Die Subvention macht’s möglich. So finden sich in der Studie etwa die 4,2 Millionen Euro für Constantins „Tarzan“-Film – eine Spitzenfördersumme des DFFF – in Relation zur enttäuschenden Zuschauerzahl des 3D-Films: 300.000 Besucher nach dem Kinostart 2014 – ein Blockbuster sieht anders aus.
Film ist beides: Kunst und Kommerz - Kulturwirtschaft eben
Der ausschließliche Blick auf die Zuschauerzahlen ist allerdings irreführend. Film ist beides, Kunst und Kommerz, ein paradoxes Zwittergeschöpf namens Kulturwirtschaft. Im Wesen der Kultur liegt es, dass sie nicht marktgängig ist: Profitdenken ist ihr fremd, eben das macht sie kostbar. So liegt es zum einen in der Natur der Sache, dass auch Filme gefördert werden sollen und müssen, die kaum 10.000 Zuschauer erreichen - wenn es denn querständige, mutige, risikobehaftete Projekte sind. Es sind aber leider zahlreiche konfektionierte Filme darunter, Standardwerke aus dem Fertigbaukasten. Im Wesen des Films liegt es zum anderen, dass sich Millionen damit verdienen lassen – was auf dem kleinen deutschsprachigen Markt aber nur selten gelingen kann. Deshalb ist auch die Filmförderung ein Zwitterwesen, erfunden zur Stärkung von Kultur und Wirtschaft, samt Standortförderung mittels Regionaleffekt.
Manchmal lassen sich Kunst und Kasse klar auseinander halten. Hier 3 Millionen Euro für Dominik Grafs Schiller-Film „Die geliebten Schwestern“, dort die gleiche Summe für Bully Herbigs Weihnachtskomödie „Buddy“, es liegen Welten dazwischen. Der heillose Förderdschungel – 19 Töpfe, teils aus Steuergeldern gespeist, teils aus Abgaben der Verwerter, teils Kredite mit bedingter Rückzahlungspflicht, teils mit Beteiligung von Gebührengeldern der TV-Sender, die aber auch Nutznießer sind – bringt es jedoch mit sich, dass Kunst und Ware beim Finanzierungs-Procedere untrennbar verquickt sind. Gleichzeitig gibt es kaum Produktionen, die beides sind: preisgekrönt und vielgeliebt, kulturell und wirtschaftlich erfolgreich. „Oh Boy“ mit Tom Schilling gehört zu den jüngeren Ausnahmen.
Deshalb ist es falsch, ja gefährlich, wenn die Studie die Subventionen für Theater und Orchester zum Vergleich anführt, 2,6 Milliarden Euro waren es in der Spielzeit 2011/2012. Die hätten mit 54 Millionen Euro doch viel weniger Zuschauer gefunden als das Kino mit 135 Millionen Besuchern. Erstens darben und schließen in Deutschland mehr Bühnen als Produktionsfirmen, beim Film haben vor allem Einzelkämpfer das Nachsehen. Zweitens sind Theater und Musikensembles eben keine Zwitterwesen, ihre Produktionen lassen sich nicht reproduzieren und vermarkten wie eine digitale Filmdatei. Drittens sähe der deutsche Film alt aus, würde er nach rein kulturellen Kriterien gefördert.
X-Filme konnte von 2010 bis 2012 27,9 Millionen Euro Fördergelder verbuchen
So oder so ist angesichts der aktuellen Bestandsaufnahme kaum zu verstehen, warum die Branche so viel jammert. Zu den Top-Profiteuren unter den regelmäßig geförderten Firmen gehören die UFA Cinema GmbH, die Constantin, die Berliner Produktionsfirma X-Filme, die Babelsberger und die Bavaria-Studios. 2012 erhielten sie jeweils zwischen vier und knapp sieben Millionen Euro; im Dreijahreszeitraum ab 2010 konnten UFA und Constantin je rund 22 Millionen Euro verbuchen, X-Filme sogar 27,9 Millionen.
27,9 Millionen Euro in drei Jahren! Obwohl es „laut EU-Recht verboten“ ist, dass eine Branche subventioniert wird – wie ein Experte in der Studie zitiert wird. Auch wenn die Spitzensumme für „Cloud Atlas“ eine Ausnahme bleibt, auch wenn man bedenkt, dass X-Filme allein 2012 fünf Filme bei den Förderern in der Pipeline hatte (Constantin und die UFA nur je 2), wünschte man sich angesichts solcher Zahlen weniger Klagen.
Gerade in diesen Tagen ist die Empörung ja groß. Trotz Erhöhung des Gesamtetats von Kulturstaatsministerin Monika Grütters bleibt es bei der angekündigten Kürzung des DFFF von jährlich 60 auf 50 Millionen Euro. Die Deutsche Filmakademie, die Studio Babelsberg AG, alle zeigen sich verärgert. Der Gesamtvorstand der Produzentenallianz fordert vehement die Zurücknahme des Haushaltsbeschlusses. Babelsberg-Vorstand Christoph Fisser spricht von einer „absehbar negativen Entwicklung“ und betont wiederholt, dass schon die Ankündigung der Kürzung zu Auftragsverlusten bei den Studios geführt habe. Betroffen sind vor allem die internationalen Großproduktionen.
Kein Wort darüber, dass der Fonds erstmals seit seiner Gründung 2007 verstetigt ist und DFFF-Gelder jetzt verlässlich eingeplant werden können. 20 Prozent der Produktionskosten, nach oben gedeckelt, das steht Produzenten hier zu. Und das Geld aus 18 weiteren Töpfen. Warum sollen Produzenten da eigentlich den Ehrgeiz entwickeln, Eigenkapital zu erwirtschaften?
Ein Wort zum Fernsehen. An der Hälfte aller Filmproduktionen in Deutschland sind Sender beteiligt. Sie sichern sich oft für geringes Geld, das ja nicht selber erwirtschaftet ist, sondern aus den Haushaltsabgaben stammt, weitreichende Rechte. Etwa für die eigenen Mediatheken, sprich: für den wachsenden Online-Markt. Das erstickt jeden Versuch unabhängiger Produzenten, mit der Rechteverwertung ihrer Filme Geld zu machen. Hier muss nachgebessert werden: eine der wichtigsten Aufgaben bei der anstehenden Novellierung des Filmfördergesetzes.
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