Berliner Comic-Kultur: Sprechblasen im Abgeordnetenhaus
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich an diesem Montag erstmals mit der Comic-Kultur in Berlin beschäftigt . Einige Abgeordnete fremdeln noch mit dem Thema.
Kurz vor dem Finale gibt’s noch mal eine Premiere: Auf seiner letzten Sitzung in dieser Legislaturperiode hat sich der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses zum wohl ersten Mal in der Geschichte des Parlaments ausführlicher mit dem Thema Comics beschäftigt. „Comic ist Kunst. Standpunkte und Aussichten für Comic-Kultur in Berlin“ lautete der Titel der Besprechung mit Anhörung, die am Montag auf Antrag von Philipp Magalski stattfand, dem kulturpolitischen Sprecher der Piratenfraktion.
Zu besprechen gab es vieles: In Berlin sitzen Verlage wie Egmont Ehapa und Mosaik, die mit den Geschichten um Asterix, Donald Duck und die Abrafaxe Millionenumsätze machen. Die Autorencomics der Berliner Verlage Reprodukt und Avant werden bundesweit vom Feuilleton gelobt und mit vielen Auszeichnungen bedacht.
Hier leben international gefeierte Comicautoren wie Reinhard Kleist und Ulli Lust. Hier gibt es das Festival Comicinvasion, eine große Manga-Convention, eine regelmäßige Comicmesse, die Comicbibliothek „Renate“ und Veranstaltungen wie den Graphic-Novel-Tag beim Internationalen Literaturfestival sowie Comic-Lesungen und Ausstellungen im Literarischen Colloquium. Und immer wieder gibt es aus der Szene Klagen, dass die Kunstform trotz alledem in der öffentlich geförderten Kulturlandschaft nicht annähernd den Status anderer Künste hat.
„Eine Kultur, die uns alle begleitet“
Für den Antragsteller ist das Thema eine Herzensangelegenheit, kulturpolitisch wie persönlich. „Ich kann an keinem Comicladen vorbeigehen, ohne ein bisschen zu schmökern“, sagt Philipp Magalski. Dabei sei er nicht mal ein außergewöhnlich großer Fan. Aber seit Jugendzeiten gehörten Comics für ihn einfach dazu, sagt der 42-Jährige. Gerade die politischeren Comics von den Veteranen der Alternativszene hätten es ihm angetan: Robert Crumbs „Fritz the Cat“, „The Fabulous Furry Freak Brothers“, Gerhard Seyfried oder auch die autobiografisch geprägten Bildgeschichten des Zeichners Jamiri.
„Das ist ein Kulturbereich, der immer etwas unter dem Radar der Politik ist – auch was Zuspruch und Förderung angeht“, sagt Magalski. Dabei sei Comic „eine Kultur, die uns alle begleitet, in jungen Jahren wie als Erwachsene“.
In der Sitzung sollte es unter anderem um eine Erklärung von zahlreichen Vertretern der Comicszene gehen, die vor drei Jahren Diskussionen provoziert hat: Im Herbst 2013 wurde beim Internationalen Literaturfestival Berlin das „Comicmanifest“ verabschiedet, das eine größere Anerkennung und Förderung der Kunstform zum Ziel hat. Unterzeichnet hatten es Comic-Autoren wie Tagesspiegel-Zeichner Mawil und Prominente wie Bela B. und Ulrich Wickert. Philipp Magalski unterstützt das Anliegen: „Die Kultur muss erkennen, dass der Comic ein eigener Kunststil ist, der auch einer eigenen Förderung bedarf.“
„Berlin könnte eine Vorreiterrolle einnehmen“
Diese Position dürfte am Montag auch der von den Piraten vorgeschlagene Gast der Anhörung vertreten haben, Stefan Neuhaus vom Deutschen Comicverein. „Wir begrüßen es, dass sich das Abgeordnetenhaus endlich mit dem Thema Comic beschäftigt“, sagt der Vorsitzende des 2014 gegründeten Vereins.
Er wollte am Montag vor allem zwei Botschaften vermitteln: Wir brauchen eine eigenständige Comicförderung, zum Beispiel als Stipendium, die der Eigenständigkeit des Mediums gerecht wird und sich nicht aus Fördertöpfen der anderen Künste, wie Literatur oder Bildende Kunst, speist.“ Und: „Wir brauchen ein Comicinstitut in Berlin, das mit Bibliothek, Archiv, Vortrags-, Werkstatt- und Ausstellungsräumen ausgestattet ist.“ Das solle die Künstler und ihre Arbeiten zusammenführen, wissenschaftliche Reflektion ermöglichen und zur kulturellen Bildung beitragen. „Da es ein solches Institut in Deutschland noch nicht gibt, könnte Berlin eine Vorreiterrolle einnehmen.“
Manche Mitglieder des Kulturausschusses fremdeln allerdings noch mit dem Gegenstand der Anhörung. „Den Piraten liegt das Thema sehr am Herzen – und uns ist es auch wichtig“, sagt die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Brigitte Lange. Allerdings gibt sie auch zu, dass sie sich mit der Kunstform Comic bislang nicht beschäftigt hat: „Ich weiß gar nicht genau, wo der Unterschied zwischen Comic und Cartoon liegt“, sagt sie.
Der CDU-Kulturpolitiker Stefan Schlede, dem beim Thema Comics zuerst die Assoziation zu den Zeichentrickfilmen mit dem „HB-Männchen“ kommt, sagt, dass Anliegen wie die des Comicvereins „im Tenor unterstützt werden können“. Er verweist allerdings darauf, dass die Abgeordneten aus dieser letzten Ausschusssitzung vor der Wahl schwerlich praktische Folgen ziehen könnten: „Die Anhörung kann nicht mehr ausgewertet werden.“ Bis zur politischen Anerkennung hat die Comic-Szene noch einen weiten Weg vor sich.
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