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Versöhnung statt Rache. Am 11. Februar 1994 besuchte Nelson Mandela seine ehemalige winzige Gefängniszelle auf Robben Island.
© Louise Gubb

Foto-Ausstellung im Willy-Brandt-Haus: Nelson Mandela: Ein Mensch von Format

Eine Wohlfühlschau in schweren Zeiten: Zum 100. Geburtstag von Nelson Mandela präsentiert das Willy-Brandt-Haus Fotografien aus sechs Jahrzehnten.

Ein nachdenklicher Nelson Mandela schaut versonnen auf seinen Schreibtisch, Brille in der Hand, mit der anderen klemmt er Akten unter seinen Arm. Eine Momentaufnahme von 1952 in seiner Kanzlei, einem schlichten Büro. „Ich fotografierte Mandela für ,Time Life' mit dem Schriftsteller Ted Hughes. Mandela war auf dem Weg nach draußen und hatte Akten unterm Arm, und ich fragte ihn, ob er kurz warten könne. Er gab mir zwei Minuten, und wir redeten auf dem Weg nach draußen“, erinnert sich Jürgen Schadeberg. So entstand das einzige Foto, das Mandela in seiner Anwaltskanzlei zeigt.

Auf einer Aufnahme von 1951 trifft er die Aktivistin Ruth First (1925- 1982) auf der ANC-Konferenz im Bloemfontein. Auch hier schaut Mandela nicht in die Kamera, sondern zu Boden. „Zusammen mit den Journalisten Henry Nxumalo und Sir Anthony Sampson traf ich Nelson Mandela zum ersten Mal. Mandela, ein beeindruckender junger Anwalt, war der Nachwuchsleiter des ANC und gerade zum Volunteer in Chief der Defiance Campaign gewählt worden, um gegen die ungerechten Gesetze der Apartheid zu kämpfen und diese zu ändern“, erzählt Schadeberg. Seine frühen Bilder, aber auch spätere Farbaufnahmen sowie Farbfotos der südafrikanischen Journalistin Louise Gubb sind im Willy-Brandt-Haus in der Ausstellung „Nelson Mandela zum 100. Geburtstag“ zu sehen. Damit ist der Reigen der Veranstaltungen zum runden Geburtstag am 18. Juli eröffnet.

An der einen Wand ist Jürgen Schadeberg mit frühen Fotos vertreten. Der aus Deutschland 1950 emigrierte Fotograf fand sich zu seinem Erstaunen in Südafrika in einem Land wieder, in dem ebenfalls der Rassismus Konjunktur hatte. Schadeberg interessierte sich nicht für die schillernde Seite des Lebens der Weißen, sondern für die Klubs und Kneipen der schwarzen Bevölkerung, deren Vertrauen er erwarb. Er wurde Redakteur des bei der schwarzen Bevölkerung beliebten Magazins „Drum“. Und lernte so Nelson Mandela kennen, den er ein Leben lang begleiten sollte. Anfangs war der Freiheitskämpfer noch optimistisch. Ein Foto von 1959 zeigt ihn, wie er lächelnd und triumphierend das Gericht verlässt, nachdem eine Anklage wegen Verrats zurückgezogen wurde.

Dann macht die Ausstellung einen Zeitsprung. Schadeberg begleitet Nelson Mandela im Februar 1994 bei dessen Besuch auf der Gefängnisinsel Robben Island, wo er noch einmal seine winzig kleine Zelle besucht. Gedankenverloren schaut er durch das vergitterte Fenster, ein Bild, das Geschichte machte. Ein anderes zeigt ihn auf der anschließenden Pressekonferenz. Den neugierigen Journalisten zugewandt schildert er lebendig und anschaulich die Situation in der Gefangenschaft. Nach der offiziellen Fotosession in der Zelle entspannte Mandela sich, und Schadeberg drückte noch einmal auf den Auslöser: Ein befreit lachender Mensch ist da zu sehen, erlöst: Es ist geschafft. Ein Jahr später porträtiert Schadeberg den Präsidenten Mandela auf einem Stuhl, von unten nach oben fotografiert. Er wirkt würdevoll, aber auch verletzlich.

Ab den 2000er Jahren entscheidet sich Schadeberg für die Farbfotografie, zeigt Mandela mit Besuchern: einen lachenden, scherzenden Mann, der die Nähe zu den Menschen sucht und liebt. Er trägt jetzt ein Hemd mit afrikanischem Muster, etwa als er 1997 Besucher auf dem Sofa zu seinem 79. Geburtstag empfängt. 2003 posiert er auf dem Boden sitzend mit einer Zulu-Tanzgruppe, in deren Gegenwart er sich wohlzufühlen scheint. Er zeigt sich mit Schauspielerin Charlize Theron für seine Mandela-Foundation, posiert mit Ehefrau Graca Machel und Vertretern aller Religionen, und an seinem 85. Geburtstag schneiden er und seine Frau eine große Afrika-Torte an. Schließlich besucht er 2006, von einer Helferin gestützt, eine Soloausstellung von Jürgen Schadeberg: Der Kreis schließt sich. Ein Pressefoto hat Gisela Kayser vom Freundeskreis des Willy- Brandt-Hauses eingeschoben, Mandela und seine damalige Frau Winnie besuchen am 12. Juni 1990 Willy Brandt in Bonn, zwei Hoffnungsträger ihrer Zeit.

Farbenfroh geht es auf der gegenüberliegenden Wand zu, wo die südafrikanische Fotografin Louise Gubb Mandela von der Freilassung bis hin ins Präsidentenamt zeigt: ein Mann, der die Nähe zu den Menschen sucht, ihnen Mut macht und ihnen zuspricht. Es sind Fotos voller Hoffnung und Zuversicht, dass nun eine neue Zeit anbricht. Gubb hat Mandela am Vorabend der Wahl porträtiert, die er gewinnen würde, ein strahlender Mann voller Zuversicht vor blauem Himmel. Sie hat ihn mit seinen Anhängern fotografiert, die ihn frenetisch feiern, und mit dem Unterhändler Willem de Klerk. Mit Joe Slovo und Cyriel Ramaphosa, dem heutigen Präsidenten Südafrikas, besucht er 1992 Soweto in Erinnerung an das Massaker von 1976. Eine intensive Nahaufnahme, „Reflexion“, zeigt eine Gesichtslandschaft, einen nachdenklichen Nelson Mandela – auf dem nächsten Bild scherzt er wieder mit Schülern in Johannesburg. Es sind vor allem diese Fotos mit den Schülern, die berühren. Mandela und ein Mädchen schauen sich Stirn an Stirn tief in die Augen.

Louise Gubb hat aber auch kuriose Situationen eingefangen, etwa, wenn sich der Präsident und Zivilist als Oberbefehlshaber der Streitkräfte von Generalmajor George Meiring in Uniform eine militärische Lage erklären lässt. Unwillkürlich stellt man sich die Frage, wie der Generalmajor vielleicht 30 Jahre zuvor über seinen Oberbefehlshaber gedacht haben mag. Das letzte Foto zeigt einen zufriedenen Nelson Mandela 2004, als er in traditionellem Xhosa-Kostüm die seltene „Feder des blauen Kranichs“ verliehen bekam, die auch an seine königliche Abstammung erinnern soll.

„Nelson Mandela zum 100. Geburtstag“ ist eine Wohlfühlausstellung in schwerer Zeit, die an das großartige Lebenswerk dieses beeindruckenden Politikers erinnert, der sich trotz allen erlittenen Unrechts nie für Rache entschied sondern für Versöhnung. Ein Menschenfänger mit einer Vision für sein Land, ein Politiker und Mensch von Format, den man heute schmerzlich vermisst.

Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstraße 149, bis 9. September, Di–So 12–18 Uhr

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