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Wildwest-Freunde: Eine Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
© 2020 Lucky Comics/Egmont Ehapa Media

Schwarzer Sheriff: Mit Lucky Luke gegen die Rassisten

Mit dem neuen Lucky-Luke-Album „Fackeln im Baumwollfeld“ zeigen Jul und Achdé im Vorbeigehen, wie man mehr Diversität in eine altehrwürdigen Comicreihe bringt.

Rassistische Darstellungen haben Tradition im europäischen Comic. Es ist eine Sache, diese Zeichnungen in jahrzehntealten Klassikern zu sehen... und eine andere, sie in heute erstellten Fortsetzungen beizubehalten. Zum Symbol für diese Problematik ist der schwarze Pirat in „Asterix“ geworden: Auch in den neu gezeichneten Alben hockt er unverändert wie eine radebrechende, kolonialistische Karikatur in seinem Ausguck.

In „Lucky Luke“ gibt es ebenfalls diverse klischeehafte Darstellungen. Der ewig schläfrige Mexikaner mit metergroßem Sombrero, der Chinese mit Kegelhut und Hasenzähnen. Von den Indianer-Darstellungen ganz zu schweigen.

Prominente Namensvetterin: Eine weitere Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
Prominente Namensvetterin: Eine weitere Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
© 2020 Lucky Comics/Egmont Ehapa Media

Aber, und soviel Differenziertheit sei gestattet: Während „Asterix“ eine französische Komödie ist, in der es um den französischen Widerstand gegen römische Invasoren und die Bewahrung französischer Kultur gegen äußere Einflüsse geht, der Chauvinismus also, um es überspitzt auszudrücken, Teil des Konzepts ist, ist „Lucky Luke“ eine Persiflage auf ein Genre: die europäische Sicht auf den uramerikanischen Western.

„Lucky Luke“ dekonstruiert den Mythos

Wie jede gute Parodie dekonstruiert „Lucky Luke“ den Mythos und offenbart die im Genre verankerten Klischees, indem er diese überspitzt. Zugegeben: Wenn ein Mensch verletzt wird durch die Darstellung „seiner“ Ethnie, wird ihn das nur bedingt trösten. Außerdem ist Lucky Luke auch und nicht zuletzt für Kinder gedacht, und Kinder verstehen keine Ironie. Sie lesen Lucky Luke schlicht als lustigen Abenteuercomic.

Eine weitere Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
Eine weitere Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
© 2020 Lucky Comics/Egmont Ehapa Media

Umso wichtiger, dass die Nachfolger von Lucky Luke-Erfinder Morris, Jul und Achdé, dem Titelhelden in ihrem neuen Album „Fackeln im Baumwollfeld“ (aus dem Französischen von Klaus Jöken, Egmont Ehapa, 48 S., 6,90 €) zum ersten Mal einen schwarzen Charakter an die Seite stellen. Bass Reeves, der natürlich auch ein historisches Vorbild hat, wird als schwarzer Sheriff und guter Kumpel von Lucky Luke eingeführt, der die Daltons ebenso souverän hinter Gitter bringt, wie unser Lonesome Cowboy.

Drei Fäuste für ein Halleluja. Achdé, Jul und Übersetzer Klaus Jöken (von links).
Drei Fäuste für ein Halleluja. Achdé, Jul und Übersetzer Klaus Jöken (von links).
© Lars von Törne

Lucky Luke wird von einer reichen Bewunderin eine Baumwoll-Plantage in Louisiana vererbt. Er reitet gen Süden, um sein Erbe anzutreten - vorübergehend, versteht sich, denn so eine Sesshaftigkeit würde nicht zu ihm passen, und als gerechtigkeitsliebender Mensch möchte er die Plantage sowieso lieber den schwarzen Arbeitern, allesamt ehemalige Sklaven, vermachen. Doch die umliegenden Plantagenbesitzer und der Ku-Klux-Klan haben Einwände.

Besonders ambitionierte Kids heißen Oprah und Barack

Bass Reeves wird von Texter Jul als cooler Hund geschildert und taugt perfekt als Identifikationsfigur. Und die Anspielungen sitzen: Eine kämpferische schwarze Lehrerin heißt zum Beispiel Angela und ist nicht umsonst eine Namensvetterin der Black Power-Ikone Angela Davis. Zwei besonders ambitionierte Kids heißen Oprah und Barack.

Eine weitere Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
Eine weitere Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
© 2020 Lucky Comics/Egmont Ehapa Media

Zeichner Achdé verzichtet auf stereotype Figurenzeichnungen, und in den rot-gelb getränkten Szenen mit dem Ku-Klux-Klan und brennenden Holzkreuzen gelingen ihm für einen Funny ungewöhnlich aufrüttelnde Momente.

Durch die Figur des schwarzen Sheriffs, der im entscheidenden Moment den Tag rettet, tappen die beiden Comicschaffenden auch nicht in die Falle des „White Savior“-Klischees, jenes in Hollywood perfektionierten Erzählmusters, in dem schwarze Unterdrückung zwar thematisiert und angeprangert, aber nur durch das Einschreiten eines weißen Retters beendet wird. 

Amerikanischer Traum: Eine weitere Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
Amerikanischer Traum: Eine weitere Szene aus „Fackeln im Baumwollfeld“.
© 2020 Lucky Comics/Egmont Ehapa Media

War das nun so schwer? Nein, war es nicht, es war ausgesprochen leichtfüßig. Jul und Achdé gelingt es, im Gewand eines typischen und treffsicher originellen Lucky-Luke-Abenteuers im Vorbeigehen für mehr Diversität in einer altehrwürdigen Comicreihe zu sorgen. Manch andere Klassiker-Fortsetzung kann sich davon eine Scheibe abschneiden.

Das Cover des besprochenen Albums.
Das Cover des besprochenen Albums.
© Egmont Ehapa

Unser Autor Bela Sobottke ist Grafiker und Comiczeichner und lebt in Berlin. Seine bekannteste Figur, der Revolverheld Rocco, ist Lucky Lukes schmuddeliger Bruder im Geiste und hat bereits gegen den Ku-Klux-Klan und faschistische Wehrmachts-Werwölfe gekämpft.

Bela Sobottke

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