Asterix-Zeichner Albert Uderzo (1927-2020): Der letzte Gallier ist gegangen
Albert Uderzo schuf zusammen mit René Goscinny den berühmtesten Comic Europas. Jetzt ist der „Asterix“-Zeichner in Paris mit 92 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
Das Gallus gallus domesticus hat er dann doch nicht mehr persönlich getroffen. Dabei wollte Albert Uderzo, so erzählte er es Besuchern aus Berlin vor drei Jahren in seiner Pariser Villa, noch einmal nach Deutschland kommen und bei der Gelegenheit sein Patentier im Zoologischen Garten Berlin besuchen, hierzulande bekannt als Haushuhn.
Die Patenschaft dafür hatte ihm sein deutscher Verlag Egmont Ehapa zum 90. Geburtstag geschenkt. Das Federvieh mit dem klangvollen lateinischen Namen hatte man ausgewählt, um einen Künstler zu ehren, der den Ruhm der Gallier in die Welt hinausgetragen hat wie kein Zweiter.
Enorm einflussreich - und später auch sehr umstritten
In der Nacht zu Dienstag ist Albert Uderzo in seiner Villa mit 92 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Er war einer einflussreichsten Comicschöpfer des 20. Jahrhunderts – und in seiner zweiten Lebenshälfte auch ein besonders umstrittener.
Die Erfolgsgeschichte begann an einem heißen Tag vor gut sechzig Jahren. So haben es die Beteiligten zumindest später immer wieder erzählt. Damals, im Spätsommer 1959, saßen ein zeichnerisch außergewöhnlich begabter Sohn italienischer Einwanderer und ein in Argentinien aufgewachsener und ebenfalls bemerkenswert talentierter Autor und Humorist auf einem Balkon der Pariser Vorstadt Bobigny zusammen und brüteten eine Idee aus. Die Sonne brannte, ein Pastis nach dem anderen wurde geleert, die Zigaretten qualmten.
Die Aufgabe, die Albert Uderzo und René Goscinny, beide damals Anfang 30, zu erfüllen hatten: Eine Comicserie für die Jugendzeitschrift „Pilote“ zu entwickeln, der den amerikanischen Superheldencomics Paroli bieten konnte. Ein französischer Held wurde gesucht – und irgendwann hatte einer der beiden die zündende Idee: Die Gallier sollen es sein, eine vor gut 2000 Jahren zur Zeit der römischen Besatzung in Frankreich siedelnde Volksgruppe.
Nach und nach entstanden in den Köpfen von Goscinny und Uderzo und später auch auf dem Papier ein kleiner Kämpfer mit Flügelhelm und sein großer Freund, die gemeinsam mit ihren Dorfnachbarn den römischen Besatzern Widerstand leisten.
Ein unbeugsames französisches Dorf als letzte Bastion gegen die Imperialisten – dass war auch als Akt des künstlerischen Patriotismus zu verstehen, der den Zeitgeist jener Jahre reflektierte. 15 Jahre zuvor hatte die deutsche Besatzung Frankreichs geendet. Nun pochte Frankreich, die Grande Nation, auf ihre Unabhängigkeit. „Asterix“ erzählt auch vom Kampf gegen das, was viele Franzosen als amerikanischen Kulturimperialismus empfanden.
Asterix fand 380 Millionen Käufer und wurde in 111 Sprachen übersetzt
Am 29. Oktober 1959 erschien in „Pilote“ das erste Abenteuer mit Asterix und Obelix – Ausgangspunkt einer kulturellen und wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte sondergleichen. Alleine im deutschen Sprachraum wurden nach Verlagsangaben mehr als 130 Millionen Asterix-Alben verkauft. Weltweit fanden die Abenteuer fast 380 Millionen Käufer, sie wurden in 111 Sprachen und Dialekte übersetzt. Dazu kommen bis heute 14 Filme, die sich mehr oder weniger streng an den Comic-Vorlagen orientieren.
Dass Albert Uderzo das Zeug zu einem großen Zeichner hatte, war schon früh absehbar. Bereits als Sechsjähriger liefert der kleine Albert die ersten, beinahe druckreifen Zeichnungen zu Hause ab. Und das, obwohl er farbenblind war. Sein erstes Engagement bei einem Pariser Verlag hatte er mit 14, mit 18 zeichnete der Autodidakt, der nie eine Kunstakademie besucht hat, bereits seine ersten Comicstrips.
Den Durchbruch verschaffen ihm Begegnungen mit Autoren, die Uderzos zeichnerisches Talent mit ihren erzählerischen Fähigkeiten zu kombinieren wussten. Allen voran René Goscinny, der sich auch als Autor von „Lucky Luke“, dem „Kleinen Nick“ und anderen Klassikern einen Namen gemacht hat.
Knapp 18 Jahre währte die Zusammenarbeit der beiden, die auch andere populäre Serien wie das Indianer-Abenteuer „Umpah-Pah“ hervorbrachte. Ihre gemeinsamen „Asterix“-Alben sind für viele Fans bis heute die Höhepunkte der Serie, die neben den dynamischen Zeichnungen vor allem durch ihren vielschichtigen Humor besticht und Leser fast jeden Alters anspricht.
Während sich Kinder an wilden Raufereien und an quer durch Europa führenden Abenteuern erfreuen, fühlen sich viele Erwachsen durch den subtilen, oft satirisch geprägten Humor und aktuelle politische und popkulturelle Zitate angesprochen.
So wurden französische Nationalhelden wie der Politiker Giscard d’Estaing oder Schauspielerin Brigitte Bardot verewigt – Letztere als Ehefrau des alten Methusalix. Und manches Album kann man auch als Kommentar zu aktuellen sozialen Themen lesen. So verhandelt der Band „Die Trabantenstadt“ die Urbanisierung mit all ihren Schattenseiten – auch wenn Uderzo und Goscinny politische Hintergedanken immer dementiert haben.
Ein neues Duo pflegt die millionenschwere Marke
Als Goscinny 1977 mit 51 Jahren starb, erwog Uderzo anfangs, „Asterix“ enden zu lassen. Stattdessen setzte er die Reihe dann im Alleingang fort, was fortan die Fans in zwei Lager spaltete. Während die einen ihm dankbar waren, regelmäßig weitere Abenteuer mit den Galliern erleben zu dürfen, beklagten die anderen einen zunehmenden Niveau-Verlust bei Handlung und Dialogen.
Trotzdem hielt Uderzo noch über mehrere Jahre daran fest, die Reihe alleine fortzusetzen, bis ihn gesundheitliche Einschränken zwangen, kürzer zu treten.
Vor knapp zehn Jahren zeichnete sich dann ein Ausweg ab. Der durch eigene Humorcomics profilierte Autor Jean-Yves Ferri sowie der Zeichner Didier Conrad wurden von Uderzo und dem Asterix-Verlag auserkoren, die Reihe fortzusetzen, indem sie die Tradition bewahren und zudem die millionenschwere Marke behutsam modernisieren.
In bisher vier Alben haben die beiden Franzosen die Arbeit ihrer Vorgänger fortgesetzt und dabei eine feine, von Lesern und Kritik weitgehend positiv aufgenommene Balance zwischen Tradition und Innovation hinbekommen.
Im vergangenen Jahr erschien das nunmehr 38. Album der Serie, „Die Tochter des Vercingetorix“. Dessen Zeichnungen sind wie bereits in den Alben davor dermaßen perfekt Uderzos Stil nachempfunden, dass auch absolute Kenner der Serie nur an wenigen Details Unterschiede ausmachen können.
Er habe versucht, sich komplett auf den Stil der Blütejahre von Uderzo und Goscinny einzustellen, sagte Conrad dem Tagesspiegel mal, also vor allem die späten sechziger er und frühen siebziger Jahre. Dafür habe er seine Bilder anfangs von Uderzo einzeln abnehmen und in Details korrigieren lassen. Und Ferri ergänzte in jenem Interview: „Es gibt die eine oder andere Duftnote, die ein bisschen anders ist, aber der Einzige, der den Unterschied zu den früheren Alben erkennt, ist Uderzo.“
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