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Stehen bereit. Die Statuetten des Europäischen Filmpreises werden in Berlin vergeben.
© Jens Kalaene/dpa

Europäischer Filmpreis 2019: In Berlin treten starke Filme gegeneinander an

An diesem Samstag wird im Haus der Berliner Festspiele der Europäische Filmpreis verliehen. Kontroversen gibt es schon jetzt.

Wenn am Samstagabend im Haus der Berliner Festspiele zum 32. Mal der Europäische Filmpreis verliehen wird, glänzt ein Stargast mit Abwesenheit. Roman Polanski, mit der Dreyfus-Verfilmung „Intrige“ für Regie, Drehbuch und den besten Film nominiert, wird der Zeremonie nach letztem Informationsstand fernbleiben.

Auch ohne ihn wird die Veranstaltung Dissonanzen aushalten müssen, dafür dürfte schon die französische Regisseurin Céline Sciamma sorgen, die mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ für Regie und Drehbuch nominiert ist.

Sciamma gehört zu den Initiatorinnen der „50/50 by 2020“-Bewegung und ist eine der vehementesten Unterstützerinnen der MeToo-Initiative, die in Frankreich schon länger von konservativen Kulturkritikern attackiert wird. Obwohl Sciamma-Hauptdarstellerin Adèle Haenel, ebenfalls nominiert, gerade erst im November mit einem weiteren Missbrauchsvorwurf an die Öffentlichkeit trat; damals war sie erst zwölf.

Polanski-Darsteller Jean Dujardin, auch unter den Nominierten, teilte derweil den französischen Medien mit, dass ihn die MeToo-Debatte „ermüde“. „Intrige“ mausert sich übrigens gerade in Polanskis Wahlheimat Frankreich zu dessen erfolgreichstem Film.

Die nächste Stufe in der Rehabilitierung des geschassten Regisseurs, die im September beim Filmfestival in Venedig, wo er den Preis der Jury gewann, diskret eingeleitet wurde. Geschenkt, dass im November ein neuer Vergewaltigungsvorwurf gegen Polanski bekannt wurde.

Gute Perspektiven für deutsche Filme

Inwiefern diese Kontroversen die Festlichkeiten überschatten, ist schwer zu sagen. In Berlin ist jedenfalls – bis auf Polanski – ein Großteil der Beteiligten anwesend. Auch Juliette Binoche, die für ihren Beitrag zum Weltkino geehrt wird.

Die Europäische Filmakademie täte gut daran, Frankreich als Präzedenzfall zu nutzen, um die Auseinandersetzung mit Missbrauch und Ungleichheit in der Filmbranche vor falscher Vereinnahmung zu schützen.

Im vergangenen Jahr gab es in Sevilla zu diesem Thema lediglich ein Alibi-Panel. Wer schon jetzt Ermüdungserscheinungen zeigt, ist jedenfalls eher ein Teil des Problems.

[Die Verleihung im Livestream auf www.europeanfilmawards.eu]

Aus deutscher Sicht gibt es Erfreuliches zu berichten. Nora Fingscheidts „Systemsprenger“ ist für den besten Film nominiert, die elfjährige Helena Zengel als Darstellerin und Alexander Scheer für seine Rolle in Andreas Dresens „Gundermann“, der den Vorzug vor dem anderen deutschen Historienfilm des Jahres, „Werk ohne Autor“, erhielt.

Damit befinden sich die drei in guter Gesellschaft, denn in Berlin wird ein starker europäischer Jahrgang ausgezeichnet: mit „The Favourite“ von Giorgos Lanthimos (vier Nominierungen, darunter bester Film, plus Auszeichnungen für Kamera, Schnitt, Kostüm und Maskenbild), Pedro Almodóvars Altersmeisterwerk „Leid und Herrlichkeit“ (vier Nominierungen in den Hauptkategorien, plus den Preis fürs Szenenbild) und „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ mit ebenfalls vier Nominierungen.

Dass „Systemsprenger“ sich als Debüt in diesem Kreis befindet, ist allein schon eine Auszeichnung. Und selbst wenn der Film am Ende leer ausgeht, über einen Preis kann sich Nora Fingscheidt schon mal freuen: Ihr Komponist John Gürtler wird für die beste Filmmusik ausgezeichnet.

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