Comic-Ausstellungen in Bonn und Frankfurt: Immer an der Wand entlang
Comics im Museum, passt das? Die Ausstellungen „Comics! Mangas! Graphic Novels!“ und „Kartografie der Träume“ zeigen Möglichkeiten und Grenzen.
Mit der wachsenden Anerkennung von Comics hat auch deren Präsenz in deutschen Museen zugenommen. Aktuell führen zwei Ausstellungen die Möglichkeiten und Schwierigkeiten dieser Entwicklung vor Augen: „Comics! Mangas! Graphic Novels!“ in der Bundeskunsthalle Bonn (bis 10.9.) vermittelt die Geschichte der Kunstform, „Kartografie der Träume“ im Museum für angewandte Kunst in Frankfurt am Main (bis 15.10.) zeigt die Bilderwelt des französischen Zeichners Marc-Antoine Mathieu. Ein Vergleich nach Punkten.
ANSCHAULICHKEIT
Beide Ausstellungen locken mit außergewöhnlichen Schauwerten: In Bonn gibt es rund 300 Originale vieler namhafter Comiczeichner der vergangenen 120 Jahre, in Frankfurt 50 Originale von Mathieu. Allerdings hat Bonn nicht nur quantitativ mehr zu bieten: Die chronologisch geordnete, großzügig gestaltete und mit Themen-Schaukästen angereicherte Präsentation rückt ihre Exponate ins beste Licht. Die Frankfurter Schau ist verschachtelt, dunkel und in ihrer Struktur schwer durchschaubar. Die Architektur mag man als Hommage an die surrealistischen, kafkaesken Welten Mathieus würdigen – wenn man aber vor Dunkelheit nicht mehr erkennen kann, ob man ein Original oder einen Druck vor sich hat, siegt die Form über den Inhalt. 9 von 10 Punkten für Bonn, 3 von 10 für Frankfurt.
LESBARKEIT
Comics leben durch ihre Bilder, vermitteln jedoch zugleich Geschichten, die man sich mittels Lektüre erschließt. Die Krux bei vielen Comicausstellungen ist, dass nur Einzelbilder oder aus dem Zusammenhang gerissene Seiten zu sehen sind, die eine Würdigung der Narration kaum ermöglichen. In Bonn präsentiert man zumindest einige ausgewählte Kurzgeschichten auf nebeneinander hängenden Seiten, um deren erzählerische Kraft zu würdigen. Außerdem wird bei Einzelseiten der jeweilige Kontext zusammengefasst. In Frankfurt sind bis auf eine wortlose Kurzgeschichte keine inhaltlich aufeinander aufbauenden Seiten zu sehen, auch gibt es keine Erklärungen zu den französischsprachigen Originalen. Zwar bieten beide Ausstellungen Leseecken mit den jeweiligen Büchern an. Aber die kann man entspannter zu Hause studieren. 8 Punkte für Bonn, 4 für Frankfurt.
AKTUALITÄT
Der größte Schwachpunkt der Bonner Ausstellung. In der Bundeskunsthalle ist das neueste Exponat eine Originalzeichnung von Mawil für sein Buch „Kinderland“ – aber das erschien vor drei Jahren. Und unter der Überschrift „Comic-Strips heute“ hängen hier Originale der „Peanuts“ und anderer Klassiker. Bis auf eine Handvoll Ausnahmen ganz am Schluss der Schau werden aktuelle Comic-Trends und Neuerscheinungen komplett ausgeblendet. In Frankfurt hingegen liegt der Fokus auf Mathieus jüngsten Werken. Und es gibt sogar Comics von morgen zu sehen, nämlich ein paar Seiten aus seinem nächsten Buch „Homo Faber“. 4 Punkte für Bonn, 10 für Frankfurt.
DREIDIMENSIONALITÄT
In Comics eintauchen und sie räumlich erleben – ein wenig kann man das in beiden Ausstellungen, auch wenn die meisten Exponate klassisch an den Wänden hängen. In Bonn stehen drei Virtual-Reality-Stationen, an denen man sich dank 3-D-Brillen in einem animierten Comicszenario wiederfindet – ein Effekt, der sich allerdings schnell verbraucht. In Frankfurt ist die gesamte Ausstellungsarchitektur von Mathieus Comics inspiriert. Dazu kommen Skulpturen und Animationen, die seinen Figuren eine faszinierende Materialität und Plastizität verleihen. 5 Punkte für Bonn, 9 für Frankfurt.
NACHWUCHSFÖRDERUNG
Wenn der Comic eine Zukunft haben soll, muss der Lesernachwuchs gepflegt werden. Das macht die Bundeskunsthalle in einem großen, bunten Spielzimmer vorbildlich, unter pädagogischer Betreuung können Kinder sich als Comicfiguren verkleiden, zeichnen, lesen. Und sonntags gibt’s Kinderführungen. Das Frankfurter Museum bietet immerhin sporadische Führungen für den Nachwuchs. 8 Punkte für Bonn, 3 für Frankfurt
NACHHALTIGKEIT
Beide Ausstellungen bieten lesenswerte Kataloge zum Vertiefen der Materie. Quantitativ liegt Bonn vorn: Sechs opulent bebilderte und von den Kuratoren Andreas C. Knigge und Alexander Braun sowie Manga-Expertin Jaqueline Berndt mit Sachkenntnis gefüllte Alben im Schuber verlängern den Museumsbesuch auf vorbildliche Weise (insges. 276 S., je 8 €, alle Hefte: 32 €). Ebenfalls fundiert ist der vom Frankfurter Kurator David Beikirch herausgegebene Taschenbuch-Katalog mit Gastbeiträgen renommierter Autoren, wenn auch weniger opulent illustriert (110 S., 10 €). Bonn: 10, Frankfurt: 9.
SONDERPUNKT
Das Museum in Frankfurt zeigt Comic-Kompetenz auch in anderen hier derzeit laufenden Ausstellungen, so gibt es Bilderzählungen in einer Schau zum mexikanischen Totenfest und in einer zur Kulturgeschichte des Picknicks zu sehen. Plus 1 für Frankfurt.
FAZIT
Das war knapp: 44 Punkte für Bonn, 39 für Frankfurt. Sehenswert sind beide Ausstellungen, sprechen aber unterschiedliche Zielgruppen an. Schon von der Größe her: Für die Bonner Ausstellung sollte man sich einen halben Tag Zeit nehmen, durch die Frankfurter Schau ist man in einer guten Stunde durch. In Bonn dürften vor allem Fans klassischer Originale auf ihre Kosten kommen, ebenso Neueinsteiger, die von der Kunstform und ihrer Geschichte bislang so gut wie keine Ahnung hatten. Wer an zeitgenössischen Comics interessiert ist und offen für deren Berührungspunkte mit anderen Kunstformen, dem dürfte der Frankfurter Ansatz besser gefallen.
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