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Aufgesattelt. Bela B., bürgerlich Dirk Felsenheimer, spielt jetzt Americana.
© Konstanze Habermann

Bela B. macht Country: „Ich komme mir schnell nervig vor“

Ärzte-Drummer Bela B. über sein Leben als Fan, warum er jetzt Country-Musik macht und eine peinliche Begegnung mit Emmylou Harris. Und natürlich sein Soloalbum „Bye“!

Herr Felsenheimer, auf Ihrem dritten Soloalbum leben Sie Ihr Faible für Country und andere Americana-Strömungen aus. Wo kommt das denn her?

Lee Hazlewood habe ich schon als junger Punkrocker für mich entdeckt. Und als Kind hatte mich ein Konzertfilm von Johnny Cash schwer beeindruckt. Andererseits gab es auch eine Phase, wo ich grundsätzlich alles für übles Rednecks- Zeugs gehalten habe. Nach dem Motto: Wer Country-Musik hört, der mag keine Schwarzen.

Wo liegt Ihre Schmerzgrenze – wann wird Country-Musik für Sie unangenehm?
Es gibt in diesem Genre vermutlich mehr schlimme Musik als gute. Bei „Zweitausendeins“ hab ich mir mal eine Country-Box gekauft, das war amerikanische Volksmusik, Sauflieder und so, stark gewöhnungsbedürftig. Auch mit Hank Williams kam ich lange nicht klar, weil ich erst spät seine Tiefe erkannte. Na ja, und alle Bands, die Truck Stop in ihrem Song gelobt haben, die waren für mich No-Go. Inzwischen habe ich sogar meinen Frieden mit Dolly Parton gemacht.

Im Rahmen der Ärzte hätten Sie diese Leidenschaft nicht ausleben können?
Als ganzes Album definitiv nicht. Ärzte-Platten bedeuten ja immer: Tüte ausschütten. Im besten Fall sind ein Haufen Hits drin, manchmal aber auch nur ein paar Hits plus interessantes Beiwerk.

Stattdessen haben Sie die Band Smokestack Lightnin’ aus Bayern engagiert. Die machen das schon seit 19 Jahren.
Ich hab die im Deutschlandfunk gehört. Bei mir in Hamburg ist das Radioprogramm ja deutlich eintöniger als in Berlin, da hört man schon mal Deutschlandfunk ... Jedenfalls hab ich mir das Album gekauft und super gefunden, dann ein Konzert besucht und sie später erst mal als Vorband engagiert. Das war auf meiner Tour die einzige Vorband, die Geld bekam. Nur so 400 Euro pro Tag, aber die habe ich selbst bezahlt, weil ich von Smokestack Lightnin’ bereits Fan geworden war.

„Abserviert“, die erste Single, stammt von Jean-Michel Tourette, dem Keyboarder von Wir sind Helden. Keine Angst um verbliebene Punkrock-Kredibilität?
Bei den Ärzten gab es sehr unterschiedliche Meinungen über Wir sind Helden. Das reichte bis zu massiver Ablehnung. Einer von uns hat eine maximale Hasskappe gegen die geschoben, der andere hat aus Solidarität miteingestimmt. Und ich habe – als Rebellion gegen diese Antihaltung – dann angefangen, mich auf Festivals mit den Helden anzufreunden. Wir verstehen uns super.

Einiges auf Ihrem Album klingt nach einer extremen Fan-Boy-Aktion.
Definitiv. Allein schon die Sache mit den Einzählern ...

Sie haben diverse bekannte Country-Sängerinnen gebeten, Ihnen „One, two, three, four“ auf Band zu sprechen, und das dann in Lieder eingebaut. Pro Song eine fremde Stimme.

Das war recht viel Arbeit. Zwischenzeitlich dachte ich, ich hätte mir da ein großes Ei gelegt. Andererseits war’s aufregend. Ich meine: Ich hab’ Wanda Jackson angerufen. Und Berthold Seliger ...

... der Berliner Konzertveranstalter ...
... der ist ja enorm Country-affin. Der hat mir geholfen, so dass ich einige Male backstage kam. Wie bei Emmylou Harris! Da stand ich neben dieser charismatischen weißhaarigen Frau, die gerade ein Zwei-Stunden-Konzert hinter sich hatte. Wir hingen im Gang rum, während Roadies schon die Kisten an uns vorbeischleppten.

Und Sie haben das Mobiltelefon gezückt?
Quatsch, ich hatte mir extra ein Aufnahmegerät gekauft. Handy wäre doch unwürdig gewesen! Sie hat auch gleich zugesagt. Wir haben uns extra in eine Ecke verzogen, ich hab auf Aufnahme gedrückt, sie hat den Einzähler gesprochen. Zur Sicherheit hab ich sie gebeten, ob sie es noch ein zweites Mal macht. Das fand die Queen dann schon nicht mehr so lustig. Ihre Miene sagte: Ich bin doch Emmylou Harris! Hat sie dann noch mal lustlos runtergespult, hat sich umgedreht und war weg. Und ich so hinter ihr her: „I’m sorry, Ms. Harris, I’m sorry.“

"Auf dem Band war nichts drauf, hatte wohl den falschen Knopf gedrückt"

Aufgesattelt. Bela B., bürgerlich Dirk Felsenheimer, spielt jetzt Americana.
Aufgesattelt. Bela B., bürgerlich Dirk Felsenheimer, spielt jetzt Americana.
© Konstanze Habermann

Auf welchem Song ist sie jetzt zu hören?
Leider auf gar keinem. Später am Abend bin ich noch ins Restaurant, hab es nicht erwarten können und gleich das Band abgehört. Ich drück also auf Play, und es war schlicht nichts drauf. Ich hatte wohl vergessen, den richtigen Knopf zu drücken. Später hab ich ihr noch eine lange Entschuldigungs-Mail geschrieben. Da hat sie bis heute nicht drauf geantwortet.

Immerhin haben Sie es durchgezogen.
Im Gegensatz zu der Begegnung mit Patti Smith. Neben der stand ich auch backstage, mit meinem Gerät in der Tasche. Dann konnte ich aber keinen überreden, mich ihr vorzustellen. Im letzten Moment habe ich gekniffen. Ach, ich bin ein sehr schlechter Backstage-Gänger, komme mir immer nervig vor. Neulich war ich in Hamburg bei einem der raren Liveauftritte von John Waters, der ist eine Lichtgestalt für mich. Ich hab ihn um ein Autogramm gebeten, aber er hat es wohl nicht gehört. Da hab ich mich nicht getraut, einfach noch mal zu fragen.

Erwarten Sie solchen Respekt auch von Ihren eigenen Fans?
Nicht so extremen. Aber es begegnen mir schon sehr viele Leute komplett ohne Distanz. So möchte ich als Fan nicht sein. Schlimm sind diejenigen, die von meiner Prominenz derart ergriffen sind, dass sie sich extra respektlos verhalten. Da fallen dann Sätze wie „Ist mir voll egal, ob du berühmt bist, für mich zählt nur der Mensch ... du bist doch genauso ein Arschloch wie ich“. Da wird vorausgesetzt, man müsse mich erst mal von einem hohen Sockel runterholen, um mit mir auf Augenhöhe zu sprechen. Was für ein Blödsinn!

Es klingt, als gingen Sie häufig auf Konzerte. Mischen Sie sich unters Publikum oder bleiben Sie hinter der Bühne?
Bei Bands wie den Black Keys oder The XX steh ich ganz normal in der Menge. Aber wenn die Schnittmenge der Fans zu den Ärzte-Fans zu hoch ist – bei den Beatsteaks oder Hosen zum Beispiel –, gucke ich mir das von der Bühnenseite aus an. Ich möchte nicht angestarrt werden. Anstrengend wird’s ja, wenn die Leute gleich alle anfangen zu fotografieren. Sobald einer mit ausgestrecktem Arm auf mich zukommt und in der anderen ist ein Handy, weiß ich schon, was mir blüht. Und dann funktioniert manchmal die Kamera nicht, und ich bin in so einer Zehn-Minuten-Situation gefangen. So von wegen „Gleich geht sie wieder, gleich geht sie wieder“.

Was nervt am meisten?
Die Hosen-Gags kann ich echt nicht mehr hören. Wenn also Leute auf mich zukommen und sagen: „Hey du, dich kenne ich doch von den Toten Hosen!“ Früher gab’s das alternativ auch mit den Prinzen. Die Variante hat allerdings mit dem zurückgehenden Erfolg der Band etwas abgenommen. Wobei ich jetzt ein bisschen Angst habe, das könnte wiederaufflackern, wenn ihr das so schreibt.

Das Gespräch führte Sebastian Leber. „Bye“ erscheint Freitag, 4.4., bei B-Sploitation/Rough Trade. Am 9. und 10. Mai tritt Bela mit der Band Smokestack Lightnin’ im Heimathafen Neukölln auf.

Sebastian Leber

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