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Bekifft in Teheran. Taraneh Alidoosti und Pegah Ahangarani im Underground-Drama „Atom Heart Mother“.
© Berlinale

Drei Glaubensfilme auf der Berlinale: Hallo, hier spricht Gott

„Superwelt“, „Atom Heart Mother“ und „Histoire de Judas“ - drei Filme im Forum beschäftigen sich mit überirdischen Fragen. Der Allmächtige selbst zeigt sich dabei auf ziemlich unterschiedliche Arten.

Stell dir vor, du triffst Gott, und er ist anders, als alle Welt denkt. Er wurde nicht von Judas verraten, sondern von ihm auf Händen getragen. Oder er mischt sich leibhaftig bei einem Autounfall im nächtlichen Teheran ein und bedrängt zwei lebenslustige Iranerinnen, doch besser ins Jenseits zu wechseln. Oder er sucht eine Supermarktkassiererin in der österreichischen Provinz heim und wählt als Erscheinungsform nicht den brennenden Dornbusch, sondern brennende Tujas, nach dem Grill-Sonntag im Garten mit der Verwandtschaft.

Es kann nicht schaden, angesichts des neuen Mohammed-Bilderstreits die Probe aufs christliche Exempel zu machen. Auch die Bibel kennt ein Bilderverbot. Karl Markovics, Regisseur des Kassiererin-Films „Superwelt“, sagt dazu: Die Menschen haben sich Gott schon immer vorgestellt. Naiv oder kriminell wird es erst, wenn es heißt, das eigene Bildnis sei das einzig seligmachende.

Karl Markovics von Allzweckreiniger inspiriert

Also her mit den Alternativen, Varianten, Gottesfantasien. „Superwelt“ ist eine Groteske, eine herzerfrischend lakonische Versuchsanordnung zu der Frage, ob Gott überhaupt das Recht hat, sich auf Erden einzumischen. Gabi, die Supermarktverkäuferin (Ulrike Beimpold), schaut gedankenverloren ins Leere, als sie das Kassenband mit Allzweckreiniger besprüht (eine Szene, die Markovics auf die Idee zum Film brachte) – fortan hat sie öfter Absencen, auf Arbeit, hinterm Steuer, beim Teeeingießen aus der geblümten Thermoskanne. Der Kühlschrank surrt, ein Wind fährt über das Land, plötzlich ist da einer an ihrer Seite, der auf sie einredet. Ihr Mann denkt, sie hat einen anderen. Gabis spießbürgerliche Existenz gerät aus dem Trott.

Gabi ist konsterniert (Ulrike Beimpold kann wunderbar konsterniert gucken!), irritiert, wütend. Ihr Alltag mag langweilig sein, aber sie lässt ihn sich deshalb nicht madig machen, schon gar nicht von irgendeinem Allmächtigen. Auch Alibeh (Taraneh Alidoosti) und Nobahar (Pegah Ahangarani) die beiden Frauen in Teheran, wehren sich in „Atom Heart Mother“ gegen die Dazwischenkunft des Fremden. Ist es Gott? Oder der Teufel, ein Diktator, der Tod? Erst streckt dieser Typ ihnen Geld vor, damit sie den Unfall mit Blechschaden ohne Polizei regeln können. Dann reißt er sie raus, als die Polizei sie doch noch erwischt. Eine heikle Situation, denn sie kommen von einer Party, sind bekifft, betrunken und haben eine illegale „Argo“-DVD im Handschuhfach. Aber Gott will ihren Gehorsam dafür. Immer wieder taucht der mysteriöse Fremde aus der Dunkelheit auf, mit einem kehlkopfkrebskranken Saddam Hussein, mit tyrannischen Fragen und demagogischen Reden vom Jenseits als der besseren Welt. Alibeh ist übrigens Christin.

Zahlreiche iranische Filme im Auto gedreht

Ali Ahmadzadehs Film ist fast vollständig im Auto gedreht, wie Jafar Panahis Wettbewerbsbeitrag „Taxi“ und zahlreiche andere iranische Filme. Das Auto als Transitraum: Man befindet sich in der Öffentlichkeit und fühlt sich doch halbwegs geschützt. Die beiden Frauen sind wohl ein Paar, der Freund, den sie aufgabeln, ist schwul, der Film deutet es an. Wichtiger ist, es sind normale junge Leute von heute, gebildete Mittelschicht, westlich geprägt. Generation Pop in Teheran, politisch desillusioniert: Beide Schauspielerinnen – Taraneh Alidoosti kennt man aus den Filmen von Asghar Farhadi und Mani Haghighi – engagierten sich für die Opposition und wurden drangsaliert.

„Atom Heart Mother“, sagt Regisseur Ahmadzadeh, handelt von der Diktatur. Seinen Film hat er mitten in der Realität angesiedelt und zugleich zur surrealen Parabel übersteigert, über Glauben, Irrglauben, Aberglauben, Willkür. Und über die Zwischenwelt, in der sich all jene befinden, die sich nicht ins Exil drängen lassen und auf der Freiheit beharren, und sei sie noch so eingeschränkt.

Also, wir hatten: eine Komödie, eine Undergroundproduktion – jetzt noch der Kostümfilm: Der algerischstämmige Franzose Rabah Ameur-Zaïmeche beharrt darauf, dass die Bibel nicht sakrosankt ist. Er schreibt sie kurzerhand um. Was, wenn Judas Jesus’ bester Freund gewesen wäre? In „Histoire de Judas“ sind Christen und Juden keine Feinde, sondern erst einmal allesamt Araber. Wüstenbewohner und Waffenbrüder, die sich Henna auf die Haut streichen, Turbane tragen und gemeinsam unter den römischen Besatzern leiden. Jesus, der Rabbi und Rebell, soll von den Römern verhaftet werden. Und Judas kann ihm nicht helfen, er wird selber niedergestochen, beim Streit um die Qumran-Rollen.

Drei Filme mit Sturm

Die großen monotheistischen Religionen kommen alle aus der Wüste. Ameur-Zaïmeche hat in antiken Ruinenstädten in der algerischen Sahara gedreht, Zeugnissen jener Zeit, in der mit den Religionen auch der Hass entstand, der Clash der Kulturen. Ein Film voller Close-ups, mit hoher Körperlichkeit. Der Sand, die Hitze, die Gewänder, Western-Landschaft, dazu die Willkür der Römer: Es war eine Kultur, ein Lebensraum, eine Schicksalsgemeinschaft.

Schöne Koinzidenz: In allen drei Filmen erhebt sich der Wind zum Sturm, alle wirbeln Glaubens- und Religionsfragen gründlich durcheinander. „Superwelt“-Regisseur Markovics sympathisiert dabei mit jenen britischen Atheisten, die vor ein paar Jahren mit einem Slogan auf Londoner Bussen warben: „There’s probably no God. Now stop worrying and enjoy your life.“ Seine Gabi setzt noch eins drauf: „Warum muss ich wissen, ob das Leben einen Sinn hat? Ich stehe auch so jeden Morgen auf.“

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